Antifaschismus lässt sich nicht verbieten

Antifaschistische Demonstration in Freiburg am 14.11.2009

Am 12.03.2010 erhielt ein Freiburger Linker einen Strafbefehl vom Amtsgericht Freiburg. Darin wurde er zu einer Geldstrafe von 1.000 Euro wegen eines Interviews bei Radio Dreyeckland am 16.10.2009 verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, in dem Interview über die Zensur von www.autonome-antifa.org zur vermummten Teilnahme an einer antifaschistischen Demonstration am 14.11.2009 in der Freiburger Innenstadt aufgerufen zu haben, obwohl „diese Versammlung nicht angemeldet war“. Nachdem der Betroffene Widerspruch gegen den Strafbefehl einlegte, wurde das Verfahren gegen Zahlung von 1.000 Euro eingestellt. Dieser Kriminalisierungsversuch ist nicht nur ein Angriff auf antifaschistische Strukturen, sondern auch auf freie Medien wie Radio Dreyeckland.

 

Vorgeworfen wurde dem Betroffenen ein „Vergehen des öffentlichen Aufforderns zu Straftaten nach §111 StGB i. V. m. §§ 27 Abs. 2 Nr. 2, 17 a Abs. 2 VersammlungsG“. Bezeugen sollten dies Polizeihauptkommissar Martin Sarau und Kriminalrat Raoul Hackenjos, der stellvertretende Chef der Kriminalpolizei Freiburg. Richterin Lempfert meinte zunächst, dass sie das Verfahren nicht einstellen könne, da sie erst kürzlich bereits die Vorstände des Schattenparker-Vereins freigesprochen habe. Erst nach der Ankündigung von juristischem und öffentlichem Widerstand waren Amtsrichterin und Staatsanwaltschaft zum Unmut der Freiburger Polizei zu einer Einstellung nach §153 a StPO bereit.

 

Hintergrund der Demonstration am 14.11.2009 war der Brandanschlag durch Nazis auf das Autonome Zentrum KTS Freiburg am 09.09.2009. Dieser war eine Reaktion auf die Aufdeckung der Bombenbaupläne südbadischer Neonazis durch Antifas am 27.08.2009. Im Zuge der antifaschistischen Recherchen wurden Anti-Antifa-Pläne zur Erstellung schwarzer Listen durch die Nazis bekannt. Deshalb wurde in der inkriminierten Passage des Interviews zu einer vermummten Teilnahme an der Demonstration aufgerufen, um sich vor den Nazis zu schützen.

 

Nach Ansicht der Freiburger Kriminalpolizei ist der Schutz vor Nazis durch Vermummung jedoch nur ein Vorwand. Die Freiburger Polizei habe bei ihren Aufklärungsmaßnahmen weder am 14.11.2009 noch bei ähnlichen Veranstaltungen Naziaktivitäten beobachten können. Tatsächlich veröffentlichten südbadische Nazis am 16.11.2009 auf einer von Markus Walter betriebenen Nazi-Website einen Bericht über die Demonstration. Am 28.02.2010 wurden in Freiburg faschistische Flugblätter verteilt, auf denen das KFZ-Kennzeichen des auf der Demonstration verwendeten Lautsprecherwagens genannt wurde. Auch den Messerangriff der Nazis am Rand der Demonstration nach der Räumung der Freien Antonia am 20.05.2009 scheint die Kriminalpolizei vergessen zu haben.

 

Das Verfahren stellt nur den Anfang der Repression nach der verhinderten antifaschistischen Demonstration vom 14.11.2009 dar. Das Innenministerium antwortete am 08.12.2009 auf die parlamentarische Anfrage 14/5444 vom 20.11.2009 der grünen Landtagsabgeordneten Edith Sitzmann, es sei „nach derzeitigem Ermittlungsstand […] von mindestens 128 Beschuldigten auszugehen. Diese stehen im Verdacht, insgesamt ca. 147 Straftaten begangen zu haben. […] Bei 381 Personen erfolgte eine Personalienfeststellung gemäß § 163 b StPO. Hiervon wurden 18 Personen gemäß § 81 b StPO erkennungsdienstlich behandelt.“

 

Inzwischen wurden fast 400 Straftaten angezeigt. Bei diesen Straftaten handelt es sich in über 200 Fällen um Verstöße gegen das Uniformverbot und in über weiteren 100 Fällen ebenfalls um Verstöße gegen das Versammlungsgesetz. Die ungeheure Anzahl Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Uniformverbot sind schon für sich genommen ein Skandal. Offenbar will die Polizei das Verbot schwarzer Kleidung auf Demonstrationen, wie es das gescheiterte neue Versammlungsgesetz vorsah, nun über den Umweg des § 3 VersG durchsetzen. Auffällig ist außerdem, dass viele Ermittlungsverfahren gegen Jugendliche eingeleitet wurden. Polizei und Staatsanwaltschaft betreiben damit eine gezielte Einschüchterungsstrategie, um Jugendliche von der Teilnahme an linksradikalen Demonstrationen abzuschrecken.

 

In der Vorstellung des aktuellen baden-württembergischen Verfassungsschutzberichts am 26. März benutzte Innenminister Heribert Rech die harmlosen Auseinandersetzungen bei der Demonstration zu antilinker Hetze: „Massive Auseinandersetzungen mit der Polizei habe es auch bei einer Demonstration am 14. November 2009 in Freiburg gegeben, bei der die Beamten von mehreren Personen aus einem ‚Schwarzen Block‘ heraus mit Flaschen und pyrotechnischen Gegenständen angegriffen worden seien.“

 

Der Innenminister nutzt den von seinem Geheimdienstapparat propagierten Anstieg „linksextremistischer Straftaten“ von 294 im Jahr 2008 auf 687 im Jahr 2009 für den Ausbau der staatlichen Repression gegen Linke: „Im Jahr 2009 war für Baden-Württemberg demgegenüber ein deutlicher Anstieg sowohl der Straf- als auch der Gewalttaten zu verzeichnen.“ Der vermeintliche Anstieg um 393 Straftaten entspricht ziemlich genau den angezeigten Straftaten bei der Demonstration am 14.11.2009 in Freiburg. Die enorme Anzahl eingeleiteter Ermittlungsverfahren wegen vermeintlicher Straftaten im Zusammenhang mit der Freiburger Demonstration wird also vom Verfassungsschutz dazu benutzt, eine Verdoppelung „linksextremistischer Straftaten“ in Baden-Württemberg zu konstruieren.

 

Alles Lüge!

 

Autonome Antifa Freiburg

Communiqué vom 15.06.2010

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Radio Dreyeckland Freiburg vom 15.06.2010 (Beitrag) zum Communiqué „Antifaschismus lässt sich nicht verbieten“ vom 15.06.2010

 

SWR Hörfunk vom 04.06.2010 (Beitrag) und Radio Z Nürnberg vom 15.06.2010 (Teil 1 | Teil 2) zum Communiqué „Nazimutter Sabine und Übermutter Enibas“ vom 03.06.2010

Guter Artikel!

 

Nur hätte ich mir eine andere Überschrift gewünscht, hab da sofort die Naziparolee mit dem Widerstand im Ohr.

 

solidarische Grüsse

Die linke Parole ist schon ziemlich alt, passt aber in diesem Zusammenhang ziemlich gut. Ich finde nicht, dass wir uns von den Nazis unsere Parolen oder (wie in diesem Fall kritisiert) sogar nur Teile von Parolen klauen lassen sollten.