Umgang mit Ermittlungs- und Gerichtsverfahren

Aussageverweigerung! (jpg)

Am 14.11.09 wurden in Freiburg 738 PolizistInnen eingesetzt, um ein Demo für antifaschistische Freiräume zu verhindern. Gegen 128 Linke wird wegen ca. 147 Straftaten ermittelt. Inzwischen wurden die ersten polizeilichen Vorladungen verschickt. Im Folgenden versuchen wir zu erklären, wie Ermittlungsverfahren und Gerichtsverfahren bei aller Willkür normalerweise ablaufen, und wie ihr euch wehren könnt.

Inhalt: Vorwürfe auf Demos | Vorwürfe abseits von Demos | Ermittlungsverfahren | Gerichtsverfahren | gegen Minderjährige | gegen Heranwachsende | Solidarität | Ermittlungsausschuss | Dokumente

 

Vorwürfe auf Demos 

Auf Demos kommen die Cops häufig auf die Idee euch einen oder mehrere der folgenden Straftaten vorzuwerfen:

  • 'Landfriedensbruch' stellt die Teilnahme an einer gewalttätigen Menge (ohne sich von dieser zu distanzieren) unter Strafe. Der Landfriedensbruch-Paragraph steht damit in der Tradition des inzwischen abgeschafften Aufruhr-Paragraphen und dient dem Staat zur Verfolgung von AktivistInnen, wenn ihm sonst nichts mehr einfällt.
  • 'Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte' ist die perfekte Begründung für Polizeigewalt. Als Rechtfertigung wird angegeben, dass diese notwendig gewesen sei, um deinen Widerstand zu brechen.
  • 'Gefangenenbefreiung' kommt viel zu selten vor, allerdings ist auch der Versuch strafbar und für die Staatsgewalt leicht konstruierbar.
  • 'Körperverletzung' kommt häufiger vor, als mensch denken würde, denn unter ihren Panzerungen und hinter ihren Schildern sind die Cops wahre Sensibelchen.
  • 'Beleidigung' durch die Cops gibt es fast nie, während sich diese schon durch 'Tatsachenbehauptungen' beleidigt fühlen.
  • 'Verstoß gegen das Versammlungsgesetz' ist auch bei unangemeldeten Aktionen möglich.
    • Störung einer angemeldeten, nicht verbotenen Versammlung (Naziaufmarsch)
    • Mitführen von (Schutz-)Waffen
    • Vermummung, wenn keine Bedrohung durch Nazi-Fotografen besteht.

 

Vorwürfe abseits von Demos 

Auch außerhalb von Demos sind politische AktivistInnen nicht vor Strafverfolgung sicher. Hier sind häufige Anklagepunkte:

  • 'Hausfriedensbruch' beispelsweise durch Besetzungen. Hier musst du in ein befriedetes Besitzum eingedrungen sein, oder dich trotz der Aufforderung zu gehen nicht entfernt haben.
  • 'Diebstahl' (u.U. auch Containern) ist die Wegnahme einer Sache, die nicht dir gehört.
  • 'Sachbeschädigung' (die Scheiben der NPD-Geschäftsstelle einschmeißen, Plakatieren, Graffiti) ist das Zerstören, Beschädigen oder die dauerhafte Veränderung des Erscheinungsbildes einer fremden Sache

Bei diesen Delikten – wie auch bei einfacher Körperverletzung oder Beleidigung – ist wichtig, dass die Ermittlungsbehörden nur handeln können, wenn der Geschädigte dies beantragt. Der Geschädigte kann diesen Antrag bis es zu einer Verurteilung kommt auch wieder zurückziehen.

 

Ermittlungsverfahren 

Nachdem die Cops irgendwie (sie haben dich festgenommen, auf Bildern erkannt, etc.) darauf gekommen sind, dass du dich strafbar gemacht haben könntest, starten sie ein Ermittlungsverfahren. Dieses ist theoretisch ergebnisoffen, richtet sich aber praktisch ausschließlich gegen dich bzw. deine FreundInnen und GenossInnen. Herrin des Verfahrens ist an sich die Staatsanwaltschaft; die Polizei handelt allerdings als deren Helfer.

 

Die Ziele des Verfahrens können sehr unterschiedlich sein. Manchmal wollen sie dich wirklich bestrafen, manchmal wollen sie auch einfach nur schnüffeln und ermittelte Daten leichter, länger und legaler speichern. Außerdem versuchen sie dich zu vereinzeln und verunsichern. Letzlich wollen sie durch Repression unsere Kräfte binden: während wir diesen Text schreiben oder lesen oder uns sonstwie mit den Folgen eines Ermittlungsverfahren herumschlagen, können wir nicht offensiv gegen die Ungerechtigkeiten dieser Gesellschaft arbeiten und den Aufbau der zukünftigen Welt fördern.

 

Die Maßnahmen eines Ermittlungsverfahrens sind genauso vielfältig. Dazu gehört standardmäßig die polizeiliche Vorladung der Beschuldigten, d.h. du bekommst einen Brief mit einem Termin bei den Cops. Dieser dient dazu, einfach mal auszuprobieren, ob du vorbei kommst, und ihnen irgendetwas sagst (schlimmstenfalls ein Geständnis oder wer noch so alles dabei war). Du solltest zu einer solchen Vernehmung nicht erscheinen, denn auch vermeintlich harmlose Aussagen ("Ich hab gar nicht plakatiert, ich stand doch nur Schmiere") können dich und/oder andere belasten. Auch ist es manchmal möglich, dass die Cops, wenn du schon mal da bist, dich erkennungsdientlich behandeln. So gewonnene Daten (z.B: Fingerabdrücke oder Fotos) können sie dann bis zu zwei Jahre legal speichern. Es ist weder eine Straftat noch eine Ordnungswidrigkeit nicht hinzugehen. Du musst auch nicht absagen. Manchmal ist es aber sinnvoll abzusagen, damit die Cops aufhören dich erneut einzuladen.

 

Manchmal laden sie dich auch nicht vor, sondern versuchen dich schriftlich zu interviewen. Dabei schicken sie dir einen Formular mit der Bitte dieses ausgefüllt zurückzuschicken. Dieses Formular hat drei Teile:

  • Angabe zu den Personalien: was so auf dem Personalausweis steht
  • Angabe zu den persönlichen Verhältnissen: Familiensituation, Beruf, Einkommen
  • Angabe zum Sachverhalt: z.B. (Teil-)Geständnis

Fies ist bei solchen schriftlichen Vorladungen, dass sie schreiben, du würdest dich einer Ordnungswidrigkeit schuldig machen, wenn du das Formular nicht ausfüllen würdest. Dies bezieht sich allerdings nur auf den ersten Teil. Diese Daten musst du den Cops anbieten, allerdings haben sie ja bereits deine Daten, sonst hätte dich der Brief ja nie erreicht, weshalb auch diese Drohung hinfällig ist.

 

Sehr selten kommt es auch zu staatsanwaltlichen Vernehmungen. Zu diesen bist zu verpflichtet zu gehen. Wenn du eine solche Vorladung bekommst, solltest du dich bei einer Antirepressionsgruppe deines Vertrauens melden, und nicht alleine hingehen, sondern mit einer AnwältIn. Aber keine Angst: in den letzten drei Jahren gab es in Freiburg keine staatsanwaltliche Vorladung.

 

Ebenfalls selten kann es zu Hausdurchsuchung kommen. Wenn die Cops vor der Tür stehen, fragt, gegen wen sich die Hausdurchsuchung richtet, und was der Grund des Durchsuchungsbeschlusses ist? Den Durchsuchungsbeschluß solltet ihr verlangen und lesen. Weiterhin habt ihr das Recht, daß nur unter den Augen der Beschuldigten und/oder ihrer VertreterInnen durchsucht wird (ein Raum nach dem anderen, nicht alle gleichzeitig). Ihr solltet diese Checkliste zu Hausdurchsuchungen bei euch aufhängen.

 

In Freiburg kam es 2004 und 2007 zuletzt zu Hausdurchsuchungen. Beide Male ging es den Cops darum digitale Daten (Fotos, interne Mails, Protokolle) zu erbeuten. Hiergegen hilft lediglich alle Daten (oder wenigstens doch den politische Teil) nur verschlüsselt zu speichern.

 

Auch möglich ist es Zeugen polizeilich oder staatsanwaltlich vorzuladen. Hier gilt das Gleiche, wie bei den Beschuldigtenvorladungen. Geht nicht zur Polizei! Zur Staatsanwaltschaft müsst ihr, aber meldet euch vorher bei einer Antirepressionsgruppe und geht nicht ohne AnwältIn zum Termin.

 

Die meisten Ermittlungsverfahren werden durch eine Einstellung beendet. Oft hört ihr nichts von der Eröffnung und/oder von der Einstellung eines Verfahrens. Nach einer Einstellung im Rahmen eines Ermittlungsverfahren ist für dich alles wieder gut, außer, daß der Staat mal wieder ein paar Daten über dich und deine FreundInnen oder GenossInnen gespeichert hat.

 

Gerichtsverfahren 

Die folgenden Absätze richten sich überwiegend an Erwachsene. In den nächsten zwei Kapiteln werden die Unterschiede für Jugendliche (14-18 Jahre) und Heranwachsende (18-21 Jahre) herausgestellt.

 

Strafbefehl

Die allermeisten Gerichtsverfahren beginnen mit einem Strafbefehl. Wenn die Staatsanwaltschaft der Meinung ist, genug gegen dich in der Hand zu haben, beantragt sie einen Strafbefehl gegen dich beim zuständigen Amtsgericht (dem Amtsgericht des "Tatorts"). Dieses nickt den Strafbefehl dann meistens ab – und schickt ihn dir zu.

 

Im Strafbefehl steht dann zu Anfang eine kurze Schilderung des Sachverhalts – meist aus Sicht der Cops. Dieser Sachverhalt deckt sich oft nicht mit deinem Eindruck des Vorgangs. Aber die Cops und die Staatsanwaltschaft ermitteln halt aus ihrer Sicht.

 

Es folgt der Hinweis, welche Straftaten du mit deinen Taten begangen haben sollst, welche Zeugen (meist Cops) und welche Beweismittel vorliegen. Beweismittel sind meist der Bundeszenralregisterauszug (BZR-Auszug), in dem eventuelle vorherige Verurteilungen vermerkt sind, sowie manchmal Video- oder Fotomaterial.

 

Dann wird dir das Strafmaß mitgeteilt. Meistens ist dies eine Geldstrafe, die in x Tagessätzen zu y Euro ausgedrückt wird. Die Anzahl der Tagessätze soll "Tat- und Schuldangemessen" sein, während die Höhe der Tagessätze aus deinem ermittelten oder angenommenen Einkommen errechnet wird. Dafür wird das monatlich verfügbare Einkommen durch 30 Tage geteilt. Dies ist regelmäßig zu hoch angesetzt.

 

Abschließend kommt noch die Rechtsmittelbelehrung, dazu gleich mehr, und die Kostenrechnung (x Tagessätze mal y Euro plus z Euro (meist rund 60€) Verfahrenskosten) sowie ein Überweisungsträger zum Zahlen. Du solltest in der Regel Einspruch gegen den Strafbefehl einlegen und das Geld erst mal nicht zahlen. Die Zahlung des Geldes kommt einem Schuldgeständnis gleich.

 

In der Rechtmittelbelehrung steht, dass der Strafbefehl rechtswirksam und vollstreckbar wird, wenn du nicht binnen zwei Wochen ab Zugang des Strafbefehl Einspruch einlegst. Dies kannst du durch eine kurze Mitteilung an das zuständige Amtsgericht tun (Vordruck).

 

Als Zugangsdatum gilt das Datum, dass der Briefträger außen auf den Briefumschlag schreibt. Wenn dir dieses nicht bekannt ist, solltet du erstmal davon ausgehen, dass das Austellungsdatum als Fristbeginn zählt. Die Zwei-Wochen-Frist ist bindend, du solltest dich also beeilen mit dem Einspruch!

 

Wenn du Einspruch eingelegt hast, kommt es eventuell binnen einiger Wochen bis Monaten zu einer Hauptverhandlung am zuständigen Amtsgericht. In dieser Zwischenzeit solltest du mit dem Ermittlungsausschuss, sonstigen Betroffenen, deinen politischen Zusammenhängen klären, ob ihr eine Hauptverhandlung wollt, und wenn ja, mit welcher politischen und juristischen Strategie du in die Hauptverhandlung gehst, ob du eine AnwältIn willst, ob du den Prozess öffentlich machen willst, etc?

 

Den Einspruch kannst du bis zur Urteilsverkündung jederzeit zurückziehen oder auf einzelne Punkte (z.B: die zu hohe Höhe der Tagessätze) beschränken. Du gehst mit dem Einspruch also keinerlei Risiko ein, sondern gewinnst auf jeden Fall Zeit und in einigen Fällen wird das Verfahren nach einem Einspruch eingestellt.

 

Einstellung

Auch wenn ein Gerichtsverfahren, z.B. durch einen Strafbefehl bereits eröffnet ist, kann dieses immer noch jederzeit eingestellt werden. Dies geschieht entweder ohne oder mit Auflagen. Einstellung unter Auflagen heißt, dass das Verfahren eingestellt wird, sobald du die Auflage, z.B. Arbeitsstunden bei einem gemeinnützigen Verein, oder eine Spende an einen guten Zweck, erfüllt hast. Eine solche Einstellung ist keine Verurteilung, allerdings solltest du bedenken, dass mindestens dasselbe Gericht die Akten im möglichen nächsten Verfahren sieht, und dann kann sich auch eine Einstellung negativ auswirken.

 

Gerichtsverhandlungen

Gerichtsverhandlungen sind in aller Regel öffentlich, d.h. deine FreundInnen und GenossInnen können dich genauso begleiten, wie VertreterInnen der Presse aber auch Cops in Uniform und Zivil sowie Nazis. Bei den meisten Strafsachen gegen linke AktivistInnen ist einE EinzelrichterIn am Amtsgericht zuständig. Neben diesem und einer ProtokollantIn ist noch eine VertreterIn der Staatsanwaltschaft anwesend.

 

Die Verhandlung beginnt mit der Feststellung deiner persönlichen Verhältnisse. Hier solltest du zumindest Aussagen zu deinem Einkommen machen, da das Gericht dieses, wenn es dich zu einer Geldstrafe verurteilen will, sonst schätzen muss. Danach wirst du gefragt, ob du Aussagen zur Sache machen willst, dies solltest du in aller Regel verneinen.

 

Danach werden die Zeugen vernommen und die Beweismittel gesichtet. Auch du oder deine AnwätIn darf die Zeugen befragen, wovon ihr ausgiebig Gebrauch machen solltet, um Belastungszeugen in Widersprüche zu verhäddern und als unglaubwürdig erscheinen zu lassen.

 

Abschließend halten Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Plädoyers und du erhälst die Möglichkeit zu einem letzten Wort. Hier kannst du je nach Strategie und Prozessverlauf ein (vorbereitetes) Statement abgeben, beispielsweise, warum Leerstand kein Zustand ist. Auch hier solltest du keine Aussage zur Sache machen.

 

Nach einer Pause wird das Urteil im Namen des Volkes verkündet und begündet. Abschließend kommt ein Hinweis auf mögliche Rechtsmittel.

 

Rechtsmittel

Rechtsmittel gegen Urteile können Revision und Berufung sein. Diese können binnen einer Woche eingelegt werden. Dies solltest du im Zweifelsfall immer erstmal tun. Ähnlich wie einen Einspruch gegen einen Strafbefehl kannst du auch diese später wieder zurückziehen.

 

Bundeszentralregister und Führungszeugniss

Im BZR werden (fast) alle Verurteilungen registriert. In den meisten Fällen werden diese Eintragungen fünf Jahre nach der erstinstanzlichen Verurteilung gelöscht, wenn keine neuen Verurteilungen hinzukommen. Das BZR können nur wenige Behörden (u.a. Gericht) einsehen.

 

Im Führungszeugniss, das du häufig bei ArbeitgeberInnen vorlegen musst, tauchen Verurteilungen zu Geldstrafen von mehr als 90 Tagessätzen, Freiheitsstrafen sowie mehrere Verurteilungen auf. Diese Eintragungen werden nach drei Jahren gelöscht, wenn keine neuen Verurteilungen hinzugekommen sind.

 

Minderjährige
 

Bei Minderjährigen (14 bis 18 Jahre) ist „Erziehung statt Strafe“ das grundlegende Prinzip des Gerichtsverfahrens. Dies begründet den wesentlichen Unterschied zum Erwachsenenstrafrecht: Die Mehrzahl der Verfahren wird unter Auflagen (meist Arbeitsstunden) eingestellt.

 

Weitere Unterschiede sind,dass das Wohnortprinzip gilt, d.h. das Amtsgericht des Wohnorts und nicht das des „Tatorts“ zuständig ist. Auch sind Strafbefehle gegen Minderjährige unmöglich und die Verhandlung ist nicht öffentlich. Als zusätzliche Partei sitzt häufig die Jugendgerichtshilfe (eine Abteilung des Jugendamts) bei Gericht dabei. Aufgabe der Jugendgerichtshilfe ist es das Gericht bei der Findung einer pädagogisch wertvollen Erziehungsmaßnahme zu unterstützen.

 

Heranwachsenden 

Als Heranwachsende gelten Menschen zwischen 18 und 21 Jahre. Auch bei Verfahren gegen Heranwachsende gilt (fast) immer das Wohnortprinzip. Das Gericht muss bevor es verurteilen kann (unter Beratung der Jugendgerichtshilfe) entscheiden, ob es nach dem Jugend- oder dem Erwachsenenstrafrecht verurteilen wird. Die Jugendgerichtshilfe wird dich im Vorhinein einladen, um sich ein Bild von deiner Reife zu machen. Zu diesem Termin zu gehen kann vorteilhaft sein.

Die Verhandlung gegen Heranwachsende ist öffentlich und Strafbefehle sind möglich, wenn das Gericht sich ohne Ansehen des Angeklagten für Erwachsenenstrafrecht entschieden hat. In solchen Fällen ist es noch ratsamer Einspruch einzulegen, um wenn schon keinen Freispruch doch eventuell noch eine Verurteilung nach dem angenehmeren Jugendstrafrecht herauszuschlagen.

 

Solidarität 

Repression sollte vielfältig thematisiert werden, in politischen (Bezugs-)Gruppen genauso wie in der Öffentlichkeit. Dadurch wird der Vereinzelung der kriminalisierten AktivistInnen entgegenwirkt und Betroffene können besser unterstützt werden.  Die Repressionsorgane sollten außerdem das Gefühl haben, da sind Leute, die ihnen auf die Finger schauen.

 

Betroffene sollten auch finanziell nicht alleine gelassen werden. In vielen linken Projekten ist es möglich Soliparties für Betroffene zu organisieren. Überregional arbeitet die Rote Hilfe solidarisch und spektrenübergreifend gegen staatliche Repression. Werdet Mitglied!
Betroffen sind einige, gemeint sind wir alle!

 

Ermittlungsausschuss 

Der Ermittlungsausschuss hilft von Repression Betroffenen. Wenn nötig vermittelt der EA Kontakt zu AnwältInnen. In Freiburg bietet der EA eine wöchentliche Sprechstunde Montags von 19 bis 20 Uhr im Autonomen Zentrum KTS an.


Bei Demos und Aktionen ist der EA meistens unter 0761/4097251 zu erreichen
www.kts-freiburg.org/ea

 

Dokumente 

Wir haben eine laufend aktualisierte Sammlung von Dokumenten und Formularen zur (Anti-)Repressionsarbeit angelegt. Die wichtigsten findest du aber auch hier:

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Die Rechtspechung beim Thema "Landfriedensbruch ist nicht so eindeutig wie von euch dargestellt.Die alleinige Anwesenheit in einer unfriedlichen Menge ist nicht automatisch strafbar. Es müssen auch Indizien vorliegen, dass der/die Angeklagte mit der Gewaltanwendung der "unfriedlichen Menge" einverstanden ist oder diese unterstützt. Das kann zum Beispiel Vermummung sein oder auch das Rufen von Parolen, die "Gewalt" befürworten.

unbedingt einen kasten um die beschlagnamten dinge ziehen damit nix nachträglich hinzugefügt werden kann ! Das auch tun wenn ihr festgenommen werdet oder bei sonstigen beschlagnahmungen.

D i e H a u s d u r c h s u c h u n g
-oder-
Was tue ich, wenn der Vater Staat mich besuchen will

***

by Mindmaniac / 1997
written for THC Magazine #4

\\\ Was lange waehrt wird endlich gut. Die Rache ist suess. ///

***

Eine praktische und theoretische Kurzanleitung fuer den smarten und
aufgeklaerten User ueber die Vorbereitung und erfolgreiches Durchstehen
von Hausdurchsuchungen - bestehend aus:

Teil I - Theorie und Praxis der Hausdurchsuchung
Teil II - Praeventivmassnahmen
Teil III - Kurze Zusammenfassung fuer Notfaelle
Teil IV - Literaturliste


Anmerkung:
Da ich selbst kein Jurist bin, wird dieser Artikel nach dem Fertigstellen auf
seine juristische Richtigkeit von einem "echten" Juristen ueberprueft -
trotzdem kann fuer die gemachten Angaben keine Garantie uebernommen werden.
Alle Angaben nach bestem Wissen und Gewissen und im Einklang mit dem geltenden
Recht. Juristischer Geltungsbereich: BRD / 1997

!!! IM NOTFALL LIES DIE KURZE ZUSAMMENFASSUNG AM ENDE DIESES ARTIKELS !!!



*** Teil I - Theorie und Praxis der Hausdurchsuchung ***


In Zeiten wachsender Staatswillkuer, arroganten und skrupellosen
Umgangs der Staatsorgane und seiner willigen Vollstrecker mit ihren Buergern,
habe ich mich entschlossen diesen Guide zu schreiben. Wie das Schicksal so
will, habe ich mich aus aktuellem Anlass mit der Materie beschaeftigt, da
einige meiner engsten Kumpane einer ueberraschenden Hausdurchsuchung ins Auge
schauen mussten. Leider ist selten etwas unvorbereitetes auch erfolgreich,
deswegen ging so manche Durchsuchung fuer den Delinquenten unvorteilhafter
aus, als es haette sein muessen.

Werter Leser, beachte bitte auch, dass dieser Text nicht geschrieben wurde
um das Begehen von Straftaten zu foerdern. Du weisst was du tust. Dieser Text
soll dir einfach helfen, dich vor Uebergriffen des Staates auf deine unver-
aeusserlichen Menschenrechte, zu schuetzen und zu wehren. Lasst uns also
keine Zeit verlieren...


Zuerst ein wenig Theorie:

Wir leben in einem s.g. Rechtsstaat, das heisst erstens, dass wir in einem
Staat leben. Leben in einem Staat bedeutet dass jeder seiner Buerger ein
wenig Freiheit in Sicherheit eintauscht. Die Freiheit des Buergers wird
durch Gesetze begrenzt, andererseits bekommt jeder auch ein grosses Stueck
an Sicherheit - sein Leben und Besitztum wird durch den Staat garantiert,
so dass er, in der Regel, ein sicheres Leben fuehren kann, ohne um sein Leben
und seine Habe zu fuerchten. Zweitens bedeutet Rechtsstaat, dass das
Verhaeltnis von Freiheit und Sicherheit nicht willkuerlich sondern durch
"das Recht" festgelegt wird. Das bedeutet, dass keine Staatsgewalt im
Widerspruch zum schriftlich festgelegtem Gesetz handeln darf. Dass dies
nicht immer so ist, liegt auf der Hand, aber bevor du dich dagegen wehren
kannst, musst du erst erkennen wo gueltiges Recht ueberschritten wurde -
hier gilt Wissen ist Macht. Fuer Juristen unter euch, uns wird hier am
meisten das Grundgesetz (Art. 13) und die Strafprozessordung (StPO, Par. 110)
interessieren.

Wie ich oben schrieb, garantiert der Staat per Gesetz jedem Buerger Sicherheit
zu. Wenn sich also jemand (eine Privatperson oder eine Firma) in seinen
Rechten verletzt meint (Diebstahl, Erschleichen von Dienstleistungen, Sach-
beschaedigung, Verletzung des Copyrights), hat er das Recht den vermeintlichen
Verursacher bei der Polizei, oder der Staatsanwaltschaft anzuzeigen; wenn der
Verursacher nicht bekannt ist, kann Anzeige "gegen unbekannt" gestellt werden.

Jetzt kommt der Staat zum Zug, er kann ein Ermittlungsverfahren (EV) einleiten
oder auch nicht. Damit wir schneller vorankommen, nehmen wir an ein
Ermittlungsverfahren ist eingeleitet worden. Das EV hat zum Zweck hinreichende
Beweise zu finden, um eine Anklage vor Gericht zu erheben, denn ohne einen
Schuldspruch des Richters kann der tatsaechliche Verursacher nicht zur
Verantwortung gezogen werden (auch hier Prinzip des Rechtsstaats).

Waehrend des EV hat der Staat (Polizei, Kripo) eine ganze Palette an Mitteln
um den oder die Verursacher zu finden und/oder zu ueberfuehren. Er kann
abhoeren, beschatten, verdeckte Ermittler einsetzen oder auch eine Hausdurch-
suchung beim vermeintlichen Verdaechtigen oder einem seiner vermeintlichen
Komplizen anordnen. Da sind wir also endlich beim interessanten Teil
angelangt.

Wann sind in einem EV genug Beweise/Hinweise gefunden wurden, dass einer
Hausdurchsuchung stattgegeben wird?
Leider, leider: Sehr sehr schnell. Schon wenn einer bei einer Vernehmung
sagt, dass er gehoert hat dass jemand mal mit dem aktuellen Fall irgendwie
zu tun hatte kann das schon fuer einen Hausdurchsuchungsbefehl reichen.
Es gibt auch Faelle, in denen einfach eine aufgeschriebene Telefonnummer,
die Zusammenhangslos bei einer Hausdurchsuchung gefunden wurde schon zu
einem Besuch der Kripo gefuehrt haben.
Grundsaetzlich: Schon der kleinste, nichtigste Anhaltspunkt kann von den
Beamten dem Richter so vorgefuehrt werden, dass er den Wisch ausstellt!
Also wiegt euch nicht in Sicherheit - es kann jeden immer treffen!
In besonders krassen Faellen, wo der Verfassungschutz z.B. linke Buchlaeden
oberserviert hatte wurden Menschen dann geziehlt observiert und abgehoert
(und spaeter Durchsucht selbstverstaendlich) die auch nur 2x dort haben
Blicken lassen.

Die Hausdurchsuchung (im weiteren mit HD abgekuerzt) hat zum Ziel Beweise
oder Indizien fuer die Aufklaerung einer Straftat und eine evtl. folgende
Anklage zu finden. Ihr Ziel ist es *nicht* den Buerger einzuschuechtern,
deswegen gilt im Falle einer HD:

KEINE PANIK!

Eine Hausdurchsuchung ist nichts Schlimmes, sondern nur die Erfuellung deiner
buergerlichen Pflichten. Mit Schreien (deine Mutter), Toben, Bruellen und mit
aggressivem wie ohnmaechtigem Verhalten machst du es nur den Polizeibeamten
(meistens in zivil) schwer, ihrer langweiligen Routinearbeit nachzukommen,
beeindrucken kannst du sie damit nicht, sie werden ihren Job trotzdem tun.

Jetzt gilt es klaren Verstand zu bewahren und keine unnoetigen Fehler zu
machen, am besten wenn du deine Familie im voraus aufgeklaert hast, dazu aber
spaeter. Hinzu kommt, dass du dich gegen eine rechtmaessige HD nicht wehren
kannst, sondern du musst sie erdulden, es sei denn du bist John Rambo.. ;)

Eine Hausdurchsuchung an sich ist eine Verletzung deines grundgesetzlich
garantierten Rechts auf Privatsphaere (GG Art.13, Abs. 1, Wortlaut: "Die
Wohnung ist unverletzlich."), die Polizei darf also auf keinen Fall nach
Gutduenken deine Wohnung betreten, wenn die Beamten das unrechtmaessig tun
wuerden, wuerden sie sich selbst des Hausfriedensbruchs strafbar machen.

Da jeder Eingriff in ein Grundrecht nur durch den Richter erfolgen darf, muss
jede HD erst durch einen Richter angeordnet werden. Er stellt den
Hausdurchsuchungsbefehl (HDB) aus, der der Polizei die Befugnis gibt
entsprechend aufgezaehlte Lokalitaeten (Zimmer, ganze Wohnung, Garage,
Dachboden, Fahrzeug, Haus) nach Beweisen zu durchsuchen.
Eine Ausnahme, die s.g. "Gefahr im Verzuge", tritt ein, wenn der Umweg ueber
den Richter einen nicht wiedergutzumachenden Zeitverlust fuer die
Strafverfolgung bedeuten wuerde, sei es, dass ein Gefangener in deine Wohnung
fluechtet oder in deiner Wohnung vermutete Beweise schon wenige Stunden
spaeter beiseite geschafft sein koennten - in diesem Fall darf die Polizei
ohne Durchsuchungsbefehl handeln (wohlgemerkt, es handelt sich um eine
Ausnahme, die gut begruendet werden muss).

Aber auch der Durchsuchungsbefehl ist kein Persilschein fuer die
Polizeibeamten, sie sind an strenge Bestimmungen gebunden, z.B. nachts sind
Durchsuchungen verboten! Die Nachtzeit ist wie folgend definiert:
1. April - 30. September : 21:00 - 4:00
und 1. Oktober - 31. Maerz : 21:00 - 6:00.
Natuerlich gilt auch hier die Ausnahme fuer "Gefahr im Verzuge".

Wenn also die Staatsgewalt an der Tuer klingelt (meistens gegen 9-11 Uhr
morgens), fragst du cool (der Hausherr) nach dem Hausdurchsuchungsbefehl.
Wenn sie einen haben, LIEST DU IHN DIR GENAU DURCH, die Beamten warten
waehrenddessen VOR der Tuer. Aus der Lektuere erfaehrst du welche Raeume
durchsucht werden duerfen, und welchen Zweck die Durchsuchung hat. So kannst
du waehrend der Durchsuchung KONTROLLIEREN ob sich die Beamten an die ihnen
durch den Richter uebertragenen Befugnisse halten. Du hast das Recht alles
fuer dich zu protokollieren, auch wenn es nur fuer dich ist, ist es manchmal
hilfreich.

Wenn die Polizei wider Erwarten keinen schriftlichen HDB hat (bei "Gefahr im
Verzug"), hast du das Recht zu erfahren welcher Tat du verdaechtigt wirst und
zu welchem Zweck die HD stattfinden soll.

AUF KEINEN FALL DARFST DU DEINE MUENDLICHE ZUSTIMMUNG ZUR DURCHSUCHUNG GEBEN!
Wenn du das tust dann hast du, als freier Buerger, dich mit dem Eingriff in
dein Grunderecht einverstanden erklaert, und die Beamten haben sich aller
Formalien elegant entledigt, obwohl sie keinen HDB hatten.

Wenn du also keinen Durchsuchungsbefehl praesentiert bekommst musst du LAUT
UND DEUTLICH DER DURCHSUCHUNG WIDERSPRECHEN. Falle nicht auf die Masche
herein: "Sie haben doch nichts dagegen, dass wir uns etwas im Haus umsehen?"
oder Aehnliches. Wenn die Beamten trotzdem eine HD durchfuehren wollen, so
muessen sie das gegen deinen Willen tun, das kann sich spaeter als ein
Vorteil fuer dich erweisen. Das ist auch ein Punkt wo du auch deine
Wohngemeinschaft aufklaeren solltest - fuer den Fall, dass du nicht daheim
bist. Wie du siehst, kannst du bereits hier eine potentielle Durchsuchung
abblocken. Du solltest, wie die Staatsgewalt auch, bei allem hoeflich aber
entschieden bleiben. :-)

Ein paar Worte zum Sonderfall, dass nicht die Polizei sondern z.B.: das BAPT
(Bundesamt fuer Post und Telekommunikation) wegen nicht zugelassener
Sendeanlagen (Scanner, Amateurfunk, Ueberschreiten der Sendekraft bei
CB-Funk, Brenner, Betreiben von Packet-Radio auf anderen Kanaelen als
vorgesehen) zu Besuch kommt. Du musst sie nicht in die Wohnung lassen! Sage
ihnen, dass du keine solchen Anlagen betreibst, sie werden dann gehen. Wenn
du sie allerdings hereinlaesst, und sie finden betriebsbereite
Amateurfunkanlagen, fuer die du keine Lizenz hast, nehmen sie es mit, und du
siehst es nie mehr wieder.

Naechster Schritt, was duerfen die Beamten waehrend der HD mit deiner Wohnung
anstellen? Grundsaetzlich duerfen sie nur das was im HDB steht, insbesondere
nur aufgezaehlte Raeumlichkeiten durchsuchen. Aufraeumen muessen sie
allerdings nicht, sie duerfen aber keine Sachen beschaedigen. Du hast das
Recht bei jeder Unklarheit nachzufragen und die Beamten, an den durch
den Richter gestellten Rahmen, zu erinnern, davon solltest du bei Bedarf
Gebrauch machen (was stand im HDB, vs. was tun die Beamten?)! Lass dich nicht
voreilig entmuendigen.

Vor allem hast du das Recht, eine (oder mehr) durch dich bestimmte
Person(en), als Zeugen bei der Durchsuchung hinzuzuziehen, z.B.: einen
Nachbarn. Wenn kein Staatsanwalt bei der HD dabei ist (normal), dann muss
ein Zeuge dabei sein. Oft machen sich es die Bullen einfach, und benennen
einen Mitarbeiter als Zeugen. Seltsamerweise durchsucht er aber ebenfalls -
was man sich nicht bieten lassen sollte. Fragt wer bei der Durchsuchung als
Zeuge hinzugezogen ist, und dann schreitet ein wenn er sich beteiligt!
Wenn sie einer wenig sind brauchen sie laenger und es kostet sie mehr
Nerven - was dazu fuehrt das sie die Lust verlieren und nicht alles oder
nicht so gruendlich durchsuchen (Praxiserfahrung ;-)
Weiter sind deine Freiheitsrechte waehrend der Durchsuchung NICHT
eingeschraenkt, d.h. du darfst dich in der Wohnung FREI bewegen und
telefonieren, z.B.: deinen Anwalt oder Freund anrufen.
Die Kripo sagt gerne "Bitte setzen sie sich hier hin und verhalten sie sich
ruhig" damit man im Auge der Beamten bleibt und nicht heimlich etwas
beseitigen kann und sie nicht stoert - wehre dich dagegen, beziehe dich auf
die StPO!


Zettel und Notizen

Die Beamten duerfen zwar alle Gegenstaende und Schriftstuecke in der Wohnung
*sichten* aber keine Schriftstuecke *lesen* (Schutz der Privatsphaere).
Sollten sie das widerrechtlich doch tun, sagst du einfach "Entsprechend des
Paragraphen 110 der Strafprozessordung verbiete ich Ihnen alle gefundenen
Schriftsteucke zu lesen." Nur der Staatsanwalt darf sie lesen und auswerten.
Vorsicht, wenn du die Beamten nicht selbst auf dieses Verbot hinweist, werden
sie spaeter sagen du waerest stillschweigend mit ihrer Handhabe einverstanden.
Beachte hier, dass die meisten Staatsanwaelte weit weniger Verstaendnis von
computer-relevantem Material (Passwoerter, Dialups, CCs, PBXen, Notizen,
sensitive Daten, 0130 Nummern) haben als inzwischen eintrainierte
Durchsuchungsbeamte.
Lass sie keine Sortierarbeit fuer den Staatsanwalt - und zu deinem Nachteil -
machen! Schliesslich kannst du darauf bestehen, dass alle Papiere in deinem
Beisein versiegelt werden (empfehlenswert) - es hat zudem den Vorteil, dass
du beim Brechen des Siegels vom Staatsanwalt selbst anwesend sein musst,
was hilft die Auswertung der Durchsuchung zu verzoegern.


Das Durchsuchungsprotokoll

Im Falle, dass die Durchsuchungsbeamten keinen HDB hatten, darfst du nach
der Durchsuchung eine schriftliche Mitteilung, die den Grund und die
verdaechtige Straftat enthaelt, verlangen.

Neben dieser wird auf jeden Fall ein Protokoll mit allen Daten (Personalien,
Zeit, Liste beschlagnahmter Gegenstaende) erstellt. Die Beamten verlangen
meistens spaeter deine Unterschrift darunter - dazu bist du aber gesetzlich
NICHT verpflichtet, am besten laesst du es sein, ein Nachteil kann dir aus
der Weigerung nicht gemacht werden. Auf jeden Fall hast du das Recht das
Schriftstueck sorgfaeltig durchzulesen, und eine Erklaerung nach allem
zu verlangen, was du nicht auf Anhieb verstehst.

SEHR WICHTIG: Auf dem Protokollblatt werden an einigen Stellen Kreuze gemacht,
die aussagen, ob der Hausherr mit der HD einverstanden war oder nicht, und ob
die mitgenommenen Gegenstaende *freiwillig herausgegeben* wurden oder erst
*beschlagnahmt* werden mussten.
ACHTE DARAUF, dass die Kreuze bei "NICHT EINVERSTANDEN" und "NICHT
FREIWILLIG" stehen! Das ist deine groesste Chance die beschlagnahmten
Computer/Hardware/Disks jemals wiederzubekommen! Wichtig ist vor allem
aufzupassen was der leitende Beamte sagt! Es wird auf jeden Fall bei der
Ueberreichung des Zettels zum Unterschreiben der Satz kommen "Machen Sie hier
ein Kreuz und unterschreiben Sie da." - falle nicht darauf herein!

Im allgemein beim Umgang mit der Staatsgewalt, also auch hier gilt, alles was
du den Polizeibeamten erlaubst, ob freiwillig oder aus deiner
eingeschuechterten Lage heraus und angesichts der geballten Staatsmacht,
braucht keiner Rechtfertigung der Polizeibeamten, also auch keiner
nachtraeglichen richterlichen Ueberpruefung. Falsches Zuvorkommen ist hier
fehl am Platze und bringt dir keinerlei Vorteile!

Um nochmal zu unterstreichen, wenn die Durchsuchung ohne Durchsuchungs-
befehl stattfindet wirst du sogar ausdruecklich gefragt, ob du mit der
Mitnahme (Sicherstellung) der Gegenstaende einverstanden bist - DIES MUSST DU
UNBEDINGT VERNEINEN. Diese Haltung solltest du waehrend der gesamten
Durchsuchung beibehalten, um keine Missinterpretationen deines (nonverbalen)
Verhaltens zuzulassen!

Was die evtl. mitgenommenen Gegenstaende angeht, bestehe darauf, dass alles
auf der Liste genauestens und differenziert beschrieben ist! Um direkt aus
einem Rechtsberater zu zitieren: "Der Betroffene hat KEINE Veranlassung, den
Polizeibeamten die Muehe zu ersparen, die einzelnen Gegenstaende und den
Fundort in der Wohnung so exakt wie moeglich zu beschreiben." Das ist nicht
immer einfach aber ich ermutige dich dazu, das Gesetz ist hier eindeutig auf
deiner Seite.

Deine widersprechende Haltung ist, wie ich sagte, die EINZIGE Chance
ueberhaupt deine Hardware in annehmbarer (unter 6 Monaten) zurueckzubekommen.
Dies geht so: wenn du widersprochen hast, muss von der Polizei innerhalb von
drei Tagen eine Bestaetigung beim zustaendigen Amtsrichter eingeholt werden
(egal ob ein HDB vorhanden war oder nicht). Der Richter wird also die Gruende
fuer die bereits erfolgte HD ueberpruefen, sollten sie nicht ausreichend
gewesen sein, muss die Polizei dir alles herausgeben. Damit nichts in
Vergessenheit geraet, kannst du dich direkt an den zustaendigen Amtsrichter
wenden und eine "richterliche Entscheidung ueber die Rechtmaessigkeit der
Beschlagnahme" beantragen.
Ausnahme bei Postsendungen auf der Post, sie sind fuer die Polizei tabu,
beschlagnahmt werden duerfen sie nur vom Richter und bei Gefahr im Verzug nur
vom Staatsanwalt.


Nach der Durchsuchung

Ich empfehle dir, dass du sofort, nachdem die Beamten Tschuess gesagt haben,
deinen Anwalt anrufst, damit er Einspruch gegen die Durchsuchung einlegen
kann. Sage, dass du die Computer fuer deine Arbeit dringend benoetigst.
Wenn die Sache gutgeht dann hast du nach 1-3 Monaten deine Hardware wieder.
Vereinbare mit dem Anwalt, das du ihn nach BRAGO bezahlst, das ist guenstiger
fuer dich. Kostenpunkt ca. 500 DM im Vorverfahren, es beinhaltet alles,
Briefverkehr, Telefonate, Kopien etc. bis das Verfahren eroeffnet wird.
Nimmst du dir keinen Anwalt erhaelst du a.) keine Akteneinsicht (weisst also
nicht wie sie auf dich gekommen sind und bei wem sie folglich noch
vorbeikommen - sowie was sie bei dir gefunden haben) und b.) kann es sein,
dass du das beschlagnahmte Material nie mehr wiedersiehst. Allemal besser
als dass die Sachen irgendwo als Beweise fuer Jahre verschwinden. Sollte es
zu einem Verfahren kommen brauchst du auf jeden Fall einen Anwalt, die Kosten
nach BRAGO liegen bei ca. 800-900 DM.

Am besten hoerst du dich noch vor der Durchsuchung um, welcher Rechtsanwalt
Erfahrung hat und notierst dir seine Telefonnummer/Urlaubszeiten. Du kannst
auch beim Ordnungsamt (beim Rathaus) nach DV-erfahrenen Anwaelten fragen. Dort
bekommst du auch, wenn du minderbemittelt bist, einen s.g.
Rechtsberatungsschein, der dich berechtigt, beim Anwalt deines Vertrauens
eine Rechtsberatung (keine gerichtliche Vertretung) einzuholen, sein Honorar
wird aus der Landeskasse beglichen.

Ein paar Worte noch zur Aufklaerung deiner Familie. Die meisten von euch
leben noch bei den Eltern oder in Wohngemeinschaften. Als H/P/A Dude musst
du jederzeit mit einer Durchsuchung rechnen, auch wenn du nicht zu Hause,
z.B. verreist, bist. Wenn du bereits eine HD hinter dir hast, kann jederzeit
eine weitere folgen, beim begruendeten Anfangsverdacht, musst du leider mit
allem rechnen. Sag deinen Mitbewohnern, wie sie sich bei einer HD richtig
verhalten sollen, du kannst sagen, dass deine Schulfreunde CDs mit raub-
kopierter Soft gekauft haben und, dass die Hersteller jetzt eine
Durchsuchungswelle planen und, dass es jeden treffen kann (ziemlich unwahr-
scheinlich aber das reicht uns hier). Sag ihnen alles nur nicht die Wahrheit.
Du kannst z.B. einen Zettel mit Tips an einem bekannten Ort in der Wohnung
deponieren, niemand weiss wie er sich im Notfall verhalten wird. Langfristige
mentale Vorbereitung ist notwendig. :-)

Abschliessend fuege ich noch hinzu, dass du dich auf GAR KEINE Handel
mit der Polizei einlaesst, du machst keine Teilgestaendnisse, erzaehlst von
keinen Freunden, keinen Telefonnummern, am besten sagst du sowenig wie
moeglich. Wenn dich waehrend der Durchsuchung ein Beamter fragt z.B. "Woher
haben Sie die CD Roms hier?" dann nicht antworten, denn ab einer bestimmten
Anzahl von Beamten die deine Antwort hoeren (ich glaube 3) gilt deine Antwort
bereits als gemachte Aussage! Die Polizeibeamten sind psychologisch geschult,
von Ablenkungsmanoevern o.Ae. rate ich dir ab. Tatsache ist, dass die Polizei
keine Befugnisse hat dir Handel vorzuschlagen, oder Vorteile zu versprechen
oder gar zu garantieren, ihre Zusagen sind null und nichtig! Das Gegenteil
ist der Fall, sie duerfen alle erlaubten (sic) Mittel anwenden um Beweise zu
finden und dich zu ueberfuehren. Also, ganz klare Sache, keine "Verhandlungen"
mit der Polizei! Sag ihnen von Anfang an sie sollen mit deinem Anwalt reden
und nicht mit dir.

Wenn du einen Brief/Anruf bekommst zu einem Verhoer zu Erscheinen - geh' nicht
hin, solange es keine zwingende Vorladung ist, bist du nicht verpflichtet
hinzugehen oder auch nur abzusagen (aus Hoeflichkeit kannst du aber trotzdem
absagen). Das wird besonders gerne gemacht wenn der Beschuldigte sich
keinen Anwalt genommen hat. Falls es zu einem Gespraech mit der Polizei kommen
sollte - nur mit Anwalt! Wichtig ist zu wissen, dass auch wenn die Beamten
einem Angebote machen, wie z.B. "wenn du uns sagst wer beteiligt war etc.
werden wir einen Teil der Anklagepunkte weglassen" - DAS STIMMT NICHT. Die
Beamten koennen dir keinerlei Verguenstigungen zugestehen - sie koennen
naemlich gar keine machen, das kann und darf nur der Staatsanwalt. Also nichts
anderes als eine unfaire Methode doch ein Gestaendnis von dir zu bekommen.

Sollte es sogar sein, dass du nach der Durchsuchung auf die Wache mitgenommen
wirst um "polizeilich behandelt" zu werden, mit anderen Worten Fingerabdruecke
abnehmen, Fotos etc., dann pass auch hier wieder auf was du unterschreibst -
lies es vorher! Ein Zettel z.B. ist vollgeschrieben mit allerlei unwichtigem
Zeug aber versteckt steht "Ich moechte nicht (!) informiert werden, falls
meine Daten nicht nach 2 Jahren aus den Polizeiakten geloescht werden" ...
Das muss z.B. vorher durchgestrichen werden und explizit am Rand hinge-
schrieben werden, dass man doch informiert werden will.

Das war's diesmal, ich erhebe keinen Anspruch auf Vollstaendigkeit, ganz im
Gegenteil, siehe diesen Text als einen kleinen Ratgeber an. Wenn du andere
gute Ratschlaege hast, so setze dich mit mir in Kontakt, und wir schreiben
ein Update fuers naechste Magazin.




*** Teil II - Praeventivmassnahmen ***


Nun will man sich auch moeglichst schuetzen und vorbereitet sein, wenn man
mal ueberraschend Besuch bekommt.

* Die Polizei ist natuerlich an den Computern interessiert wegen der
Daten und Programme die sich darauf befinden. Daher sollte eine Partition
der Festplatte verschluesselt werden und auf ihr alles gespeichert werden,
was du fuer privat, verboten oder wichtig haeltst.
Empfehlenswert sind SFS 1.17 und Secure Drive 1.4a, beide frei erhaeltliche
Softwareloesungen und arbeiten transparent unter DOS und Windows, unter
Win95 allerdings nur im DOS Modus.
Schaue einfach im Internet danach, z.B. ftp.informatik.uni-hamburg.de
Fuer Unix gibt es z.B. CFS (Cryptographic File System), was sehr zu
empfehlen ist. Wenn du solche Software benutzt - mach' sie nicht als solche
kenntlich! Du darfst nicht in Beugehaft genommen werden um das Passwort
herauszugeben doch die Computer werden nicht herausgegeben wenn erkannt
wird, dass verschluesselt wurde. Daher die Treiber als Maus- oder
CD-ROM-Treiber tarnen, sowie keine auto-mounts oder login benutzen beim
Starten des Rechners. Wer nicht so viele Daten hat, oder sie so selten
benutzt, als dass er eine Partition verschluesseln will oder ein
Betriebssystem benutzt, das von keiner Crypt-Software unterstuetzt wird,
kann auch einen Filecrypter verwenden. Egal welches Cryptprogramm benutzt
wird, es sollten TripleDES, IDEA oder Blowfish32 als Cryptalgorithmen
benutzt werden, alles andere ist zu leicht zu knacken.
Ausserdem sollte am besten *kein* kommerzielles Programm benutzt werden,
besonders nicht wenn es aus den USA kommt, da solche generall Backdoors
haben und/oder die Schluessellaenge soweit heruntergesetzt wurde, dass ein
entschluesseln innerhalb kurzer Zeit moeglich ist.
Freeware, oder eigene geschriebene Programme die einfach Funktionsaufrufe
aus Crypt-Bibliotheken benutzen sind voellig ausreichend.
Mit PGP kann man uebrigens auch sehr sicher Dateien verschluesseln

* Polizeibeamte interessieren sich besonders fuer allerlei Notizen -
Telefonnummern, Accounts, Frequenzen ... alles was man sich gerne mal
schnell notiert. Unbedingt nach jeder Session solche Zettel VERNICHTEN!
Am besten solche erst gar nicht schreiben - es ist eine sehr gute
Angewohnheit, wenn man alles in ein Notes-file auf der Crypt-Partition
schreibt, statt auf Papier. Insbesondere sollte man NIE, wirklich nie
Telefonnummern oder Namen notieren - dies fuehrt sonst zu weiteren Durch-
suchungen bei den betroffenen Personen. Der Muelleimer ist das erste was
sich die Beamten ansehen bei einer Hausdurchsuchung! Aehnliche Gefahr kann
von auf Schnellwahltasten gespeicherten Telefonnummern ausgehen.
Je weniger verdaechtiges Papierzeug du rumfliegen hast im Zimmer desto
besser fuer dich.

* Wichtige Kommunikation, z.B. emails, immer mit PGP verschluesseln.
Trotz dummer Geruechte ist es nicht bis in die naechsten Jahre knackbar.
Wichtig, dass du eine genug lange und zufaellige Zeichenkette als Pass-
phrase hast. Wer wichtige Gespraeche machen will, kann PGP-Phone oder
Nautilus dafuer verwenden, jedoch ein Pentium mit 14.4 Modem und moderner
Soundblaster ist hierfuer noetig.

* Oft werden Daten zwischengespeichert, geloescht oder temporaere
Dateien angelegt. Wie bekannt, lassen sie sich leicht wiederherstellen,
z.B. mit Undelete oder mit Diskeditoren. Inzwischen ist die Technik sogar
soweit, dass nach 20-fachem Ueberschreiben einer Datei immer noch ein
Grossteil der Daten wiederhergestellt werden kann!
Daher 1. Moeglichkeit, falls nicht auf Crypt-Medien zwischengespeichert
wird, temporaere Daten auf Ramdisks legen, also immer TMP und TEMP darauf
setzen. oder 2. Moeglichkeit, sicheres ueberschreiben der Daten nach
bestimmten Algorithmen. Aufgrund dieser "Sicherheitsluecke" wird es dem-
naechst ein THC Release geben, das ein ueberschreibendes Loeschen anbietet,
und, Forschungsblaettern zufolge, es unter Verwendung besonderer Loesch-
algorithmen, so gut wie unmoeglich macht die Daten zu restaurieren.
Wer Windows benutzt, sollte auch auf die (permanente) Auslagerungsdatei
aufpassen, am besten sie auf die Crypt-Partition legen. Unix Benutzer
sollten die Swappartition und das /tmp & /usr/tmp Verzeichnis nicht
vergessen.

Wie du dich schuetzt haengt im allgemeinen davon ab, wie wichtig du und
deine gesammelten Daten sind. Wenn sie wichtig genug sind, dann kannst
du davon ausgehen, das der Staat/Geheimdienst keine Kosten scheuen wird um
an sie mit allen verfuegbaren technischen Mitteln ranzukommen.



*** Teil III - Kurze Zusammenfassung fuer Notfaelle ***


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Die wichtigsten Ratschlaege bei einer Hausdurchsuchung
****************************************************************************


1. Keine Panik.

2. Kommen die Beamten, und haben sie keinen schriftlichen Hausdurchsuchungs-
befehl - schicke sie hoeflich weg.

3. Haben sie einen Hausdurchsuchungsbefehl, oder berufen sich auf "Gefahr
im Verzug" - musst du sie hereinlassen. Davor das Papierstueck *genau*
durchlesen! Und lass' sie nur das tun was drauf steht. Bei Abweichungen
daran erinnern.

4. Nicht einschuechtern lassen, du darfst dich frei bewegen und auch
telefonieren - sofort einen Anwalt anrufen!

5. Keine Fragen beantworten, lediglich die Personalien duerfen festgestellt
werden. Mit den Beamten nicht reden, keine Aussagen, immer auf den Anwalt
verweisen.

5. WICHTIG: Was immer du auch unterschreibst, pass' darauf auf, dass immer
"NICHT EINVERSTANDEN" und "BESCHLAGNAHMT" etc.. angekreuzt sind. Die Liste
der Sachen die sie beschlagnahmt haben, und das Protokoll nicht
unterschreiben.

7. Nach der Durchsuchung den Anwalt Einspruch einlegen lassen.





*** Teil IV - Literaturliste ***


* 'Strafanzeige und Strafprozess' (oder so aehnlich), Taschenbuch
besonders empfehlenswert, (ca. 20 DM)

* Die Strafprozessordnung (hier Paragraph 110) (in einer Stadt- / Uni-
bibliothek findest du sogar eine mehrbaendige Ausgabe mit Kommentaren.)

* 'Computer und Recht', Zeitschrift, Verlag Dr. Otto Schmidt

* 'Ausgewaehlte Rechtsprobleme der Mailboxkommunikation', Dissertation
von Dr. Stephan Ackermann

* Bericht des Sysops der BIONIC BBS ueber seine Durchsuchung, und wie er den
Beamten klarmachen konnte, dass sie nicht die komplette Hardware mitnehmen.
(gefunden in News oder FIDO)

* 'Covering Your Tracks - Theory', von van Hauser, erschienen im THC-Magazin #3,
Wer sich insbesondere fuers Unix Hacking interessiert sollte es unbedingt
durchlesen.


Last but not least, mein Dank gebuehrt van Hauser, fuer die 'Praeventiv-
massnahmen' und fuer unzaehlige Gespraeche juristischer und anderer Natur.

***

Wenn auch DU irgendwanneinmal eine Hausdurchsuchung bei dir gehabt hast,
versuche ein Gedaechtnisprotokoll oder einen sachlichen Bericht darueber, und
mit allen fuer uns interessanten Daten anzufertigen. Veroeffentliche diesen in
der H/P/A Community, damit auch andere daraus lernen und gewarnt werden
koennen. Denke daran, die wahre Kunst ist nicht aus eigenen Fehlern zu lernen,
sondern aus Fehlern anderer.


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