Spanien wirft Venezuela Unterstützung der ETA vor

Demo gegen Verbote am 2. Oktober 2010 in Bilbao

Erneut versucht Spanien, eine Verbindung Venezuelas zur baskischen Untergrundorganisation ETA herzustellen. Anlass sind angebliche Aussagen von zwei mutmaßlichen Mitgliedern der ETA , die letzte Woche in der Gegend um das Seebad Donostia–San Sebastian verhaftet wurden.

In der Kontaktsperre sollen sie zugegeben haben, 2008 in dem südamerikanischen land militärisch ausgebildet worden zu sein. Staatspräsident Hugo Chávez wies in seiner gewohnt großmäuligen Art alle Vorwürfe zurück: "Die venezolanische Regierung ist in keiner Weise mit irgendeiner terroristischen Organisation verbunden". Er sprach im Stil Madrid von der "Terrororganisation ETA" und nannte die beiden Verhaften vorverurteilend "blutrünstige Verbrecher ohne Ethik und Moral", denen man "keine Glaubwürdigkeit schenken darf". Sie hätten "absurde" Vorwürfe gemacht, um milder bestraft zu werden.

 

Warum Chávez vor Madrid den Kniefall macht und überhaupt den Forderungen Madrids sofort nachkam, eine Stellungnahme abzugeben, ist schleierhaft. Offenbar haben ihn die Wahlen doch etwas mehr mitgenommen, als er einzugestehen denkt, bei denen seine Partei Federn lassen musste. Man erinnere sich auch, wie er auf frühere Vorwürfe aus Spanien oder anderen Ländern reagiert hat, wo er gerne damit droht, die diplomatischen Beziehungen abzubrechen oder die jeweiligen Unternehmen aus dem Land zu jagen. Das würde ihm inzwischen ohnehin niemand mehr abnehmen. Chávez besser informierter Botschafter in Madrid weiß, dass das statt mit Strafmilderung eher mit Folter zu tun hat. Nach der Erklärung von Chávez, die ihn im Baskenland viel Ansehen kosten, meinte der Botschafter Venezuelasdass die Aussagen den Verhafteten "irregulär abgepresst" worden sein dürften und deshalb dann keinerlei Beweis darstellen können.  

Denn Basis der Vorwürfe sind nur angebliche Aussagen, die man an die Presse durchsickern ließ. Dabei haben die Betroffenen angezeigt, in der fünftägigen Kontaktsperre von der Guardia Civil brutalst gefoltert worden zu sein, in der sie nicht einmal Kontakt zu ihrem Anwalt hatten. Das UNO-Menschenrechtskomitee fordert die Abschaffung der Kontaktsperre. Bis dahin soll der Aufenthalt und die Vernehmungen lückenlos auf Video aufgezeichnet werden, um Folter zu vermeiden. Letzte Woche hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Spanien zur Schadenersatzzahlung an einen Basken verurteilt, weil es den Hinweisen auf Folter des angeblichen ETA-Mitglieds nicht nachgegangen war. Im April wurden fünf Journalisten der Baskischen Tageszeitung freigesprochen, obwohl sie unter Folter erklärt hatten, Mitglieder der ETA zu sein. Das Verbot der angeblichen "ETA-Zeitung" wurde als "verfassungswidrig" gekippt.


Auch wenn man unterstellt, die Aussagen wären richtig, müssten sich Caracas nicht dazu äußern. Denn zwei Basken sollen sie in Venezuela trainiert haben und nicht das Militär. So müsste Spanien von Frankreich ständig Stellungnahmen fordern, weil dort die Kommandos der ETA ausgebildet werden. Dort sind zudem alle Organisationen legal, die Spanien als Teile der ETA verboten und auf die EU-Terrorliste setzen ließ. Die in Spanien verbotene Partei Batasuna (Einheit) tritt sogar zu Wahlen an. 

Es geht offenbar darum, erneut Venezuela erneut anzugreifen und von den Vorgängen hier abzulenken. Da sind die fast 5 Millionen Arbeitslose und die riesigen sozialen Probleme, die gerade zu einem massiven Generalstreik geführt hatten. Zudem hält die ETA hält schon fast 14 Monate eine Waffenruhe ein und will sich auch auf die von internationalen Vermittlern geforderte "permanente und überprüfbare" Waffenruhe einlassen, um eine Friedenslösung zu finden. Batasuna müsste längst legalisiert sein, weil sie der Gewalt der ETA eine klare Absage erteilt und kürzlich mit drei anderen Parteien, Gewerkschaften und sozialen Organisationen in Gernika ein Abkommen zur friedlichen Konfliktlösung geschlossen hat. Gesten zur Entspannung und Normalisierung bleibt Madrid schuldig, wie schon im Friedensprozess 2006/2007. Die Regierung setzt weiter nur auf Repression. Letzte Woche ließ sie sieben Mitglieder der Organisation "Askapena" (Befreiung) verhaften, darunter auch der deutsche Sprecher Walter Wendelin. Die Gruppe, die Solidaritätsarbeit mit anderen Ländern macht, soll plötzlich der "internationale Arm der ETA" sein.

 

Hier schließt sich der Kreis wieder, denn Askapena soll die Kontakte zur kolumbianischen FARC unterhalten und Kolumbien wirft Venezuela oft die Unterstützung der kolumbianischen Guerillas vor, ohne dafür je stichhaltige Beweise vorzulegen. Interessant ist auch, dass nun ETA-Mitglieder in Venezuela militärische Ausbildung erhalten haben sollen, dabei war im März der gleiche Konflikt schon einmal hoch gekocht. Damals behauptete ein spanischer Richter, die ETA bilde FARC-Kämpfer in Venezuela im Umgang mit Plastiksprengstoff sowie der Verwendung von Mobiltelefonen zur Zündung von Bomben aus. Die Regierung Chávez soll die Kontakte zwischen den beiden Gruppen vermittelt haben, für die nun Askapena-Mitarbeiter verhaftet wurden, behauptete der Ermittlungsrichter Eloy Velasco. Angeblich soll auch logistische Hilfe geleistet worden sein, um Attentate gegen kolumbianische Politiker auf spanischem Boden vorzubereiten. Klingt heute noch merkwürdiger, nachdem die ETA die Waffenruhe im September estätigt hat.

 

Der Ermittlungsrichter Eloy Velasco heizt die Stimmung ausgerechnet weiter an und schickt jetzt Polizisten nach Kolumbien, die gefangene FARC-Mitglieder zu den angeblichen Verbindungen zur ETA befragen sollen. Komisch ist hier auch, dass dies nötig ist, schließlich hat er schon längst Haftbefehle ausgestellt und man sollte meinen, dass er die Verbindungen eigentlich schon beweisen kann. Pikant ist auch, dass einer der Basken, heute Staatsbürger Venezuelas, 1989 aus Spanien nach Venezuela deportiert wurde. Ja, so etwas gibt es noch immer in Europa! Die Deportation des angeblichen ETA-Mitglieds Arturo Cubillas geht auf ein Abkommen zurück, dass der frühere venezolanische Präsident Carlos Andrés Pérez mit dem sozialdemokratischen spanischen Ministerpräsidenten Felipe González unterhielt, unter dessen Regentschaft auch die Todesschwadrone GAL Basken entführten und ermordeten. Aus der Tatsache, dass Cubillas im Landwirtschaftsministerium Venezuelas arbeitet, bastelt Spanien seine Anschuldigungen gegen Venezuela. 

 

Velasco bezieht sich bei seinen Vorwürfen auch auf die Schatzkiste, auf die auch Kolumbien immer wieder zurückgreift, Dokumente die angeblich im dem Computer des getöteten FARC-Kommandeur Raúl Reyes gefunden worden sein sollen. Die Beweiskraft wird allgemein angezweifelt. Man muss nur daran erinnern, dass damals dort angeblich auch Hinweise gefunden worden sein sollen, dass die FARC radioaktives Material zum Bau von schmutzigen Bomben gehandelt gehandelt haben soll. Das erklärte der heutige Präsident Santos, der dafür keinen realen Hinweis liefern konnte, wie für die angebliche Unterstützung der FARC durch Ecuador, schließlich ließ Kolumbien sogar Ecuador bombardieren. Unter dem Eindruck der Waffenruhe, in der die ETA seit 14 Monaten ist, klingt es noch absurder, dass Velasco behauptet, Venezuela habe der FARC und der ETA logistische Hilfe geleistet und dabei sei es auch um Attentate gegen kolumbianische Politiker auf spanischem Boden gegangen.

 

Sowohl die Frage der Bombenzündung wie auch diese angebliche Kooperation klingt nach solch absonderlichen Theorien, in die sich auch die konservativen Vorgänger von Zapatero verstrickt haben, als sie unbedingt versuchten, der ETA die islamistischen Anschläge in Madrid 2004 in die Schuhe zu schieben. Auch dabei faselte man, nachdem die islamistische Urheberschaft klar war, noch lange darüber, dass es eine angebliche Kooperation zwischen ETA und Islamisten gegeben haben soll. Die postfaschistische Volkspartei (PP) kocht das Thema mit Hilfe von El Mundo noch heute ab und zu auf. Vielleicht sollte man aber daran erinnern, dass ein spanischer Nationalpolizist den Islamisten bei der Manipulation der Handys geholfen hat, um sie zur Zündung einsetzbar zu machen. Damals hatten diverse Spitzel der Polizei und der Guardia Civil, auch Geheimdienstler waren in die Vorgänge involviert, den Sprengstoff geliefert, ohne den die Anschläge nicht möglich gewesen wären. 

 

© Ralf Streck, den 06.10.2010