"Ist das ein Sieg?"

Die Angeklagten am Dienstag auf der Pressekonferenz

Es konnte weder eine Verbindung der Baskischen Tageszeitung zur ETA noch irgendeine kriminelle Handlung der Angeklagten festgestellt werden. Der Schaden ist allerdings in sieben Jahren angerichtet, in der die Zeitung geschlossen war. Ein weiteres Verfahren steht zudem gegen die Journalisten an, in dem Haftstrafen bis zu 26 Jahren gefordert werden. Das "Rad der Ungerechtigkeit" sei nur "provisorisch zum Stillstand gebracht worden", sagen die Angeklagten und erinnern an frühere Verfahren und an all die, die gegen die baskische Linke noch anstehen. Trotzdem ist das Urteil, das deutlich macht, dass es keine Rechtsnorm für die Schließung von Kommuniaktionsmedien gibt, das von einer "haltlosen Anklage" spricht, die erlittene Folter anerkennt, ein Meilenstein in der Geschichte des Sondergerichts (Nationaler Gerichtshof).

 

Es hätte nie zur Schließung der Euskaldunon Egunkaria (Baskische Tageszeitung) kommen dürfen. Das war stets die Position im Baskenland und erstaunlicherweise ist das auch die Essenz des Urteils, mit dem der spanische Nationale Gerichtshof am Montag fünf ihrer Führungsmitglieder von allen Vorwürfen frei gesprochen hat. Das hatten die Angeklagten zwar erhofft, zweifelten aber stets daran, ob sich das Gericht tatsächlich trauen würde, ein solches Urteil auch auszusprechen.

 

"Ist es ein Sieg?" fragen sich auch die Angeklagten, wenn es ganze sieben Jahre lange Jahre hat gedauert, nachdem die paramilitärische Guardia Civil die Redaktion im baskischen Andoain stürmte und die Journalisten verhaftete, die zum Teil monatelang in Knast saßen. Auf einer Pressekonferenz erinnerten die fünf deshalb auch daran, "dass es der Nationale Gerichtshof war, der uns in diesen langen Alptraum befördert hat". Doch nun stellte sogar das Madrider Sondergericht fest, dass Martxelo Otamendi, Inaki Uria, Txema Auzmendi, Joan Mari Torrealdai und Xabier Oleaga  keine Mitglieder der baskischen Untergrundorganisation ETA sind und es keine Hinweise dafür gibt, dass die ETA die Zeitung 1990 gegründet hat und sie steuerte.

 

Man kann das Urteil als Anklage gegen den Ermittlungsrichter am Nationalen Gerichtshof Juan del Olmo und die Guardia Civil lesen. Es greift auf knappen 33 Seiten und in einer klaren Sprache den Ermittler und die Zivilgarden schwer an. "Die vorläufige Schließung der Euskaldunon Egunkaria, die einzige Tageszeitung die baskischer Sprache, ist von der Verfassung nicht gedeckt und entbehrt einer speziellen Rechtsnorm die sie autorisieren könnte", heißt es im Urteil.

 

Diesmal wurde die absurde Anklage nicht mehr kleinlaut verworfen, wie es noch im vergangenen Jahr im Fall der Zeitung Egin (Machen) in der zweiten Instanz vom Obersten Gerichtshof geschah, mit der der umstrittene Ermittlungsrichter Baltasar Garzón abgestraft wurde, der nun selbst auf der Anklagebank  Platz nehmen muss. Dieses Urteil pocht auf demokratische Grundsätze. Das Gesetz, das vorläufige Schließungen von Firmen ermöglicht, sei auf Kommunikationsmedien nicht anwendbar. Ohne es zu sagen, verwirft das Urteil damit alle vorherigen Schließungen. Man dürfe Zeitungen, Radios und Zeitschriften eben nicht wie gewöhnliche Firmen behandeln. Es müsse zwischen der "Pressefreiheit" und einer kriminellen Handlung abwogen werden, die so Verfassungsrechtler, ohnehin stets von einzelnen Personen und nicht von einer Medium begangen werden. In Fall der Egunkaria sei die Pressefreiheit "geopfert" worden, heißt es im Urteil, wobei es "keinerlei kriminelle Aktivität" gab, wird festgestellt.

Der vorsitzende Richter Javier Gómez Bermúdez führte aus, die Anklage beruhe auf einer "verbreiteten und falschen Vorstellung", alles im Umfeld der baskischen Sprache und Kultur werde von der "ETA gesteuert und/oder gefördert". Das führe zur "fehlerhaften Bewertung von Vorgängen und Daten und einer haltlosen Anklage". Wie im Prozess Zivilgardisten erklärten, ging das Verfahren allein von der Guardia Civil aus, die praktisch alle Firmen durchleuchtete, die mit der baskischen Sprache und Kultur zu tun haben. Sie ordnete die Schließung und die Verhaftungen an, was vom Ermittlungsrichter wohl lediglich abgesegnet wurde.

 

Das Urteil erkennt auch die Vorwürfe der Angeklagten an, in den vier Tagen der Kontaktsperre von der Guardia Civil gefoltert worden zu sein. Damit werden ihre selbstbelastenden Aussagen entkräftet, die in dieser Zeit gemacht haben. "Die Anklagen über Misshandlungen und Folter in der Kontaktsperre, die detailliert im Verfahren und zuvor vor dem Ermittlungsrichter beschrieben wurden und Gegenstand von Anzeigen vor Gerichten sind, sind kompatibel mit den Gutachten von forensischen Ärzten, die bei der Aufnahme im Gefängnis erstellt wurden". Das Urteil stellt fest, dass es keine "ausreichende und effiziente" richterliche Kontrolle in den vier Tagen gab, in der Angeklagte nach dem Anti-Terrorgesetz nicht einmal Kontakt zu ihrem Anwalt. Damit wird auch das vom Tisch gewischt, was gerne als "Beweis" für eine ETA-Mitgliedschaft angeführt wird. Weil es, entgegen der Anklagen von Menschenrechtsorganisationen, Folter in Spanien nicht geben soll, seien die ETA-Mitglieder, die nach der Verhaftung Folter anzeigen, weil die ETA angeblich ihre Mitglieder dazu anhalten.

 

Ohne in die juristischen Details einzusteigen, stellten auch die Angeklagten in der Pressekonferenz diese Punkte als außergewöhnlich für das Sondergericht heraus. Allerdings, ein Urteil erster Klasse wollen sie nicht sehen, schließlich ist da auch noch das Verfahren wegen angeblicher ökonomischer Vergehen. Sie fragen auch: "Wo sind die Maßnahmen zur Wiedergutmachung der angerichteten Schäden, wegen der Schließung der Zeitung, die Schäden an den Lesern. Werden die Verantwortlichen dafür auf die Anklagebank gesetzt?" Der Schaden sei angerichtet und man habe es im besten Fall geschafft, "das Rad der Ungerechtigkeit provisorisch zum Stillstand zu bringen". Sie erinnerten auch daran, dass im "beschleunigten" Nebenverfahren Haftstrafen sogar bis zu 26 Jahre Haft für acht Angeklagte gefordert wird. Die Strafen gehen noch deutlich über die hinaus, die im Hauptverfahren gefordert worden waren. Gefordert wird, dieses Verfahren nun das zuständige Provinzgericht abzugeben.

 

Die fünf wollten aber auch die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen, um an all die zu erinnern, die unter der gleichen Anklage mit einer ähnlichen Ausgangslage verurteilt wurden. An Journalisten des Egin, bei denen man zwar keine Verbindung der Zeitung zur ETA feststellen konnte, aber Teresa Toda und Xabier Salutregi zu angeblichen Mitgliedern der ETA stempelte. Beweise wurden dafür nie vorgelegt, sondern man führte wie in vielen anderen Fällen an, dass sie für die gleichen Ziele eintreten, also für ein unabhängiges, sozialistisches und vereintes Baskenland. "Sie möchten wir grüßen und ihnen eine solidarische Umarmung schicken".

 

Egunkaria-Führungsmitglieder erinnerten auch daran, dass demnächst weitere Verfahren beginnen, wie gegen Mitglieder der baskischen Gemeindeversammlung (Udalbiltza) beginnt. Sie bedankten sich bei allen, die sie unterstützt haben. Ganz besonders hoben sie die Solidarität in Katalonien hervor, aber auch die der "Freunde in Madrid", die sich "gegen die Strömung" für uns eingesetzt haben, "denen Demonstrationen verboten wurden, die auch beschuldigt und beleidigt wurden… und trotzdem mit einer warmen Solidarität an unserer Seite blieben". Doch der große Protagonist sei die baskische Gesellschaft. "Die baskische Solidarität hat den politischen Antrieb, der hinter diesem Verfahren stand bloß gestellt". Ein "exemplarisches Verhalten", das dem perversen Vorgehen der politischen Verantwortlichen strotzte. "Für uns brachte es Freisprüche, der Sieg gebührt den Basken… die Freude haben alle… TAUSEND DANK an alle, die uns geholfen haben", schloss Torrealdai die Stellungnahme im Namen der fünf Ex-Angeklagten.

 

© Ralf Streck, den 12.04.2010