[29/9] Krisengroßdemo und Polizeirepression in Brüssel

Prügeleinsatz der Zivilpolizei

Für Mittwoch, den 29. September 2010, rief der europäische Gewerkschaftsbund ETUC zu einer Großdemo gegen die „Krisensymptome“ Kürzungen, Lohnzurückhaltungen und Pensionen in Europa auf. Bis zu 100.000 Menschen, aus teilweise sehr fragwürdigen Organisationen, beteiligten sich an dem Protest-Event. Nach zwei Stunden Auftaktbeiträgen stellte sich die Demo in Richtung EU-Viertel auf.Auch in anderen europäischen Großstädten gab es Streiks und Demonstrationen.

Auch das kritische Bündnis „Precarious united“ hatte zu einer radikalen Beteiligung aufgerufen. Zahlreiche TeilnehmerInnen des NoBorder -Camps schlossen sich unter anderem mit einer Sambaband dem „kritischen Block“ an. Bereits am späten Vormittag gab es im EU-Viertel eine Blockade des SDA-Sicherheitstreffens. Die am Morgen begonnenen Massenverhaftungen sollten sich über den gesamten Tag hinstrecken...

Fotobericht|Radio Dreyeckland|IMC Bruxelles|Special

 

In der Nacht auf den 29. September wurden in Bruxelles die Büros von Serco mit Hammern, Steinen und Farbe attackiert. Dazu wurde das Graffito 'Fuck Serco: Death to Detention Centers' gesprüht. Kein Mensch wurde erwischt.

Kurzfristig wurde ebenfalls bekannt, dass gegen Mittag ein Treffen des Think-Tanks "Security Defense Agenda" mit dem Titel "Fine-tuning EU border security" im Park-Leopold stattfinden würde. Dessen nahmen sich über 100 AktivistInnen an und organisierten eine Blockade des Treffens. Es kam auch zu direkten Aktionen gegen die Veranstaltungsgebäude. Die Polizei reagierte mit Härte gegen die antiautoritären Aktionen und nahm alle Menschen fest, die sie zu fassen bekam. Die Protestaktion im Leopold-Park wurde von diesem Zeitpunkt an als Legitimationsgrund für weitere präventive Festnahme im Umfeld des NoBorder-Camps vorgeschoben.

 

Auch im Vorfeld der international besuchten ETUC-Großdemonstration gab es erneute Präventiv-Verhaftungen von DemonstrantInnen. Zehntausende GewerkschaftlerInnen kamen nach und nach am Auftaktkundgebungsort zusammen. Die Demo startete etwa gegen 14 Uhr und zog kunterbunt – in Blöcken getrennt – in einem Kilometerlangen Aufzug durch die EU-Hauptstadt. Zahlreiche pyrotechnische Gegenstände wurden entlang der Demo eingesetzt, was vermutlich über das wenig kämpferische Gesamtbild hinwegtäuschen sollte. Immerhin beteiligten sich nach Gewerkschaftsangaben 100.000 Menschen an der „großen Krisendemo“ zu den EU-Institutionen. Der Lautsprecherwagen des „kritischen Blocks“ wurde derweil von der Polizei blockiert und abgewiesen. Erste ZivilpolizistInnen erschienen am Rande der Demo.

 

Nach einer guten Stunde formierte sich, trotz zahlreicher Präventiv-Festnahmen, der Block von „Precarious-United“ mit etwa 200 Menschen, direkt vor der polnischen Solidarnosc-Gewerkschaft. Bei trockenem Wetter war die Stimmung vorerst locker, die Rythms-of-Resistance-Band trommelte energisch vor sich hin. Die Dichte der under-cover PolizistInnen erhöhte sich rasant, als sich der Block in Bewegung setzte - auf Abstand fuhren Polizeibusse und ein Wasserwerfer. Auf Höhe der Waterloo-Straße griffen dann, nach einer guten halben Stunde, etwa 50 behelmte Einheiten grundlos die Demo an. Dabei versuchten sie sämtliche „Autonom“-aussehende Menschen festzusetzen, was Aufgrund der spontanen Solidarisierung aus den Gewerkschaftsblöcken misslang.

 

Nach etwas Gerangel, Pfeffer- und Schlagstockeinsatz kamen weitere Einheiten dazu, um die Kollegen zu unterstützen. Schließlich gelang es etwa 50 angebliche Störenfriede in die Waterloo-Straße abzudrängen und ein Spalier an der Kreuzung zu ziehen. Die Gewerkschaften verhielten sich sehr unterschiedlich. Während die einen sich solidarisierten und teilweise auch die Polizei angriffen, zogen andere bei schallender Popmusik an den eingeschlossenen GenossInnen vorbei.

 

Eine knappe halbe Stunde nach dem ursprünglichen Kesseleinsatz kam es zu einer zweiten Verhaftungswelle. Rund um die Kreuzung an der Porte de Hal begannen dutzende ZivilpolizistInnen eine DemonstrantInnen-Jagd mit Stahl-Teleskopschlagstöcken. Dabei gab es zahlreiche Festnahmen und Verletzte. Insgesamt wurden am 29. September über 300 Menschen verhaftet. Einige sitzen nach wie vor im Polizeigewahrsam, andere liegen noch immer im Krankenhaus.

 

Am folgenden Tag dominierte das Thema Repression die Debatten auf dem NoBorder-Camp. In zahlreichen Workshops und Treffen wird sich für die kommenden Tage vorbereitet. Für den 1. Oktober ist eine anarchistische Demonstration gegen Staat und Knäste geplant. Am Samstag soll es dann die große NoBorder-Demonstration geben.


L'Europe en crise? Un Etat de police!