Aktionen gegen das Gelöbnis unter den Erwartungen

Gewaltsame Räumung der friedlichen Sitzblockade vor der Kirche St. Eberhard
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Gestern fanden gerade mal an die 1.000 FriedensaktivistInnen den Weg nach Stuttgart, um gegen das öffentliche Gelöbnis der Bundeswehr zu demonstrieren. Das Vorhaben, die wichtigsten Zugangswege zum Neuen Schloss zu blockieren, gingen ordentlich in die Hose. Nicht ein Blockadepunkt konnte effektiv die Soldaten daran hindern, sich in der Stuttgarter Innenstadt zu vereidigen. Es waren schlicht zu wenig Leute am gestrigen Vormittag da, um die Strategie zur Praxis zu führen. Zumal 8 Uhr für viele wahrscheinlich zu früh gewesen ist, um eine derartige Aktion durchzuziehen.

 

Der Blockadepunkt am Palast der Republik löste sich relativ schnell auf und bewegt sich in Richtung Charlottenplatz, wo der Versuch die Kreuzung zu blockieren – zwei Stunden nach dem die Busse voller Bundeswehrsoldaten am Neuen Schloss schon angekommen waren – von der Polizei verhindert wurde. Dabei kam es wohl zu zwei Verhaftungen.

 

Entschlossener dann die Blockade vor der St. Eberhards Kirche in der Stuttgarter Fußgängerzone, wo sich ca. 200 Demonstrierende vorfanden: die Polizei ging rabiat gegen die BlockiererInnen vor, in dem sie einen Teil erstmal in die Marschallstraße drängte und dann dort für ca. eine halbe Stunde einkesselte. Die Blockade vor der Kirche blieb zwar vorerst noch standhaft, wurde aber dann komplett abgeführt und festgenommen.

 

Eine Sambagruppe, die die Aktionen der FriedensaktivistInnen mit Trommelschlägen begleitete, wurde ebenso festgenommen, wie weitere ca. 70 Personen, von denen der Großteil allerdings noch am selben Abend frei gelassen wurde. Die Polizei veranstaltete rund um das militaristische Spektakel Personenkontrollen bei „verdächtig aussehenden“ Menschen. Einige AktivistInnen bekamen Verwarnungen, weil sie in Richtung der vereidigten Soldaten „Mörder“-Rufe skandierten. Neben den Schickanen der Polizei gab es viele kreative Aktion rund um das abgeschirmte Gelände. Eine autonome Gruppe veranstaltete wohl auf der Marienstraße eine Spontandemonstration mit bengalischen Feuern.

 

Am Rande der Proteste machte die Mövenpick-Partei (auch FDP genannt) auf sich aufmerksam. Die national-liberale Bonzenpartei zeigte mit Schildern mit der Aufschrift „Danke Soldaten“ ihre Solidarität mit den Kriegern. Bald schon waren sie umringt von diskussionsfreundigen FriedensaktivstInnen, so dass es den Lakaien des Kapitals zu heikel wurde und die Polizei zu ihrem Schutz anrücken musste.

 

Eins muss man allerdings als Erfolg verbuchen: für die angehenden Soldaten ist ihr Schwur aufs Vaterland keineswegs ruhig verlaufen. Um das gesamte Areal der Festlichkeiten, bei dem Größen aus Politik und Militär zugegen waren, bekundeten die Gelöbnis-GegnerInnen lautstark ihren Protest. Ob mit Trommeln, Trillerpfeiffen, Vuvuzelas, Megaphonen oder durch die Kraft ihrer Stimmbänder – für die Krieger und ihre befehlshabenden Vorgesetzten ein Tag, an denen ihnen gezeigt wurde, dass sie von der Bevölkerung keine Bewunderung für ihre Taten ernten, sondern Spott, Kritik und Ablehnung.

 

Der DFG-KV spricht von etwa 1000 TeilnehmerInnen, was sicherlich unbefriedigend für die VeranstalterInnen ist. Die Widerstandsaktionen wiesen zudem ein ziemlich verstreutes Bild auf, da viele Aktionen nicht zentral, sondern auf einer großen Fläche rund um das Neue Schloss stattfanden. Daher war es auch nicht so einfach die genaue TeilnehmerInnenzahl zu ermitteln. Einige PassantInnen schlossen sich den Protesten an und viele LadenbetreiberInnen in der Stuttgarter Innenstadt schimpften gegen das Spektakel der Bundeswehr, das solch ein Chaos in den Straßen verursachte. Verständlich, denn an die drei Stunden lang war die Königgstraße von Schloss bis zur Marschallstraße gesperrt und die Konsummöglichkeiten dementsprechend eingeschränkt.

 

Eine genauere Analyse der Vorbereitungen und Mobilisierung ist dringend erforderlich. Dass zwei Bündnisse parallel arbeiteten und mobilisierten, dass in Stuttgart derzeit alles vom Thema Stuttgart 21 überlagert wird, dass bei den Vorbereitungen zum Teil Professionalität fehlte und gegenseitige Abgrenzungsreflexe innerhalb und zwischen den beiden Bündnissen die Arbeitsatmosphäre teilweise vergifteten, mögen einige Punkte sein, die Ursache der unbefriedigenden Beteiligung sein könnten. Eine selbstkritische Analyse ist daher von erhöhter Wichtigkeit, da der Aspekt der Militarisierung nach Innen und Außen weiterhin ein brandaktuelles Thema sein wird für alle emanzipatorischen Bewegungen und der Widerstand dagegen unbedingt effektiviert und professionalisiert werden muss.

 

 

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Es ist wirklich schön, dass du die Proteste kritisierst. Allerdings scheinst du jeden Überblick über die bestehenden Zustände verloren haben. Erstens muss festgestellt werden, dass die "Friedensbewegung" am Aussterben ist und die radikale/revolutionäre Linke mehr und mehr zur stärksten Kraft im antimilitaristischen Widerstand wird. Zweitens ist es leider so, dass Antimilitarismus ein allgemein sehr schwach bearbeitetes Thema ist.

Was gestern in Stuttgart ging, war das Beste was innerhalb der vergangenen fünf Jahre in der BRD an Widerstand gegen die zunehmende Militarisierung geleistet wurde. Mir würde - selbst von der Anzahl der Teilnehmer ausgehend - ausser ein paar öder "Ostermärsche" nichts vergleichbares einfallen.

Natürlich hatte das Konzept Schwächen und war in sich beschränkt, dein "Dissartikel" entbehrt dennoch jeder Grundlage. Gründe Strukturen und mache es besser. Ich meine das nicht als Totschlagargument sondern als direkte Anregung...

"Was gestern in Stuttgart ging, war das Beste was innerhalb der vergangenen fünf Jahre in der BRD an Widerstand gegen die zunehmende Militarisierung geleistet wurde. Mir würde - selbst von der Anzahl der Teilnehmer ausgehend - ausser ein paar öder "Ostermärsche" nichts vergleichbares einfallen"

 

"Am 30.03.2009 demonstrierten in Freiburg knapp eine Woche vor dem 60. NATO-Gipfel in Strasbourg, Baden-Baden und Kehl über 2.000 Menschen unangemeldet und zum Teil vermummt gegen die NATO und für Versammlungsfreiheit." - vollständiger Artikel

Ich finde nicht, dass das ein "Dissartikel ist. Er benennt nur, was aus Sicht des Autors schief gelaufen ist. Man muss nicht jede selbstkritische Stellungnahme als Angriff auf die Veranstalter werten, im Gegenteil. Dem Autor ist doch eher daran gelegen, wie man diese Kämpfe noch effektiver machen kann. Und was wäre eine fortschrittliche Bewegung, wenn sie nicht das wichtige Instrument der Selbstkritik in ihrer Hand hätte.

Der Kritik jede Grundlage abzusprechen, ist dann doch etwas vermessen...

Offenbar wurde außer dem am mittag angegriffenen CDU-Büro, am Freitag abend auch naoch das Kreiswehrersatzamt im Stuttgarter Norden eingefärbt.

Außerdem kam es in Nürnberg zu einer Soliaktion bei der ebenfalls das Kreiswehrersatzamt leiden musste!

http://de.indymedia.org/2010/07/287074.shtml

Rainer Arnolds Büro beschmiert

 

Artikel aus der Filder-Zeitung vom 31.07.2010
Nürtingen. Unbekannte prangern "Kriegspolitik" des SPD-Politikers an. Von Jürgen Veit

Das Büro des SPD-Bundestagsabgeordneten Rainer Arnold in Nürtingen (Landkreis Esslingen) ist in dieser Woche das Ziel eines Farbanschlags gewesen. Unbekannte haben sein Büro mit mehreren Farbbeuteln beworfen. Durch die Verschmutzung mit roter Farbe ist an dem Gebäude laut der Polizei ein Schaden in Höhe von 750 Euro entstanden.

Gestern ist bei unserer Zeitung per E-Mail ein anonymes Bekennerschreiben eingegangen. Der oder die Täter teilen mit, sie hätten mit der Farbschmiererei gegen die "Kriegspolitik" des verteidigungspolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion und Präsidiumsmitglieds der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik protestiert. Unter anderem werfen die Täter Arnold vor, er sei "vielseitig damit beschäftigt, Kriege und die damit verbundenen Kriegsgeräte und deren Lobby zu unterstützen". Außerdem riefen sie dazu auf, das Bundeswehr-Gelöbnis, das gestern am Neuen Schloss in Stuttgart abgehalten worden ist, "mit allen Mitteln zu verhindern".

In einem Gespräch mit unserer Zeitung reagierte der Politiker "unaufgeregt" auf den Farbanschlag und die Vorwürfe der Aktivisten. Schließlich sei es bekannt, "dass es in jeder demokratischen Gesellschaft Wirrköpfe gibt". Nur so könne er sich auch erklären, weshalb die unbekannten Täter zu einer Störung des gestrigen feierlichen Gelöbnisses in der Landeshauptstadt aufgerufen hätten. Die Verschmutzung seines Büros habe er nur auf Fotos gesehen, weil er auf während des Anschlags auf Dienstreise im Kosovo gewesen sei. Die Fassade sei bereits von der Stadt gereinigt worden. Die Polizei hofft, den Tätern über das Schreiben auf die Spur zu kommen.