Die katastrophen - spekulationsgesteuerte Reaktion und ihr Denkfehler

"Sustentabilidade"

„Wir haben unsere Kraftwerke nur vom ideellen Gesamtkapitalisten geborgt“ – so ließe sich die gekränkte Reaktion der Monopolkonzerne auf die scharfe Kritik an der Stromfresser-Fütterung übersetzen. Die Kampagne fiel buchstäblich aus dem Rahmen – und zeigt damit dass über Nacht eine Umwertung von Investitionen zu Altlasten stattgefunden hat. Waren die Atomkraftwerke einst der ganze Stolz der Stromkonzerne, so möchten sie sie jetzt auf einmal am liebsten im U-Laden abgeben.

 

Doch diese Sichtweise ist bereits eine irreführende Vermenschlichung abstrakter Strukturen – eine „juristische Person“ ist ein Ding und kein Wesen, auch wenn das falsche Bewusstsein des Kapitalismus Gegenteiliges suggerieren mag. Angemessen ist vielmehr ein anderes Bild: Wenn die Atomreaktoren die Wirtschaftswunder-Kadaver im Keller der Regierung wären, dann gliche der Versuch sie aus ihren Konzernen auszugliedern dem Vorhaben diese ohne Särge zu bestatten weil jemand da lieber Lebensmittel drin lagern mag. Ein monströser Vorschlag, stattdessen sollten vielmehr alle Grabbeigaben aus diesen Gebilden herausgenommen werden bevor es zur Liquidierung der Atommafia kommt.

Zur Abwicklung der größten Falschinvestition seit Gründung der sog. „Bundeswehr“ ist es erforderlich alle Komponenten aus den Giftmüllkonzernen auszusortieren die selbst kein Giftmüll sind. Besitzt ein Atomkonzern etwa eine Windmühle, so ist die an eine kleinteilige Trägerstruktur abzutreten welche nachweislich von dem zu liquidierenden Gebilde unabhängig ist. Hier müssen zivile und militärische Entwicklung so parallel laufen wie beim Einstieg in die Atomspaltung: Wenn das Militär bspw. über Werkzeug verfügt welches auch gegen eine Naturkatastrophe verwendet werden kann, so ist dieses an die Zivilgesellschaft abzugeben. Abwegig und makaber wäre jedoch das Vorhaben, die Atombomben aus dem Militär auszugliedern und die Struktur in ein ziviles Geschäftsfeld überführen zu wollen. Die sogenannte „Körperschaftsidentität“ ist unabtrennbar mit ihrem tödlichen Inhalt verbunden und per Definition zu keinem anderen Zweck geeignet. Dies ergibt sich schon aus der zugrundeliegenden Physik: Das Reaktordruckgehäuse eines entladenen Kraftwerks ist nicht für eine Folgenutzung als Kindergarten geschaffen, nicht nur aus technischen Gründen sondern vor allem deswegen weil nicht das falsche Bild des Todes die Zukunft prägen darf.

Für die katastrophenspekulationsgesteuerte Reaktion der letzten Tage gibt es also mehr Präzedenzfälle als lediglich die grotesken Gesten mit denen die Atomkonzerne seinerzeit dem „Atomrenaissance“-Fetischisten Wulff „drohten“ die Reaktoren abzuschalten falls sie nicht bekämen was sie wollten. Bekanntlich wollte sich dieser aus seiner verstrahlten Gesellschaftsvorstellung auch vom besten Willen der Opposition nicht heraushelfen lassen und war damit der Drohkulisse der Krisenkonzerne hilflos ausgeliefert. Wulff als Umweltminister, das wäre gegangen, dann hätte er sich zu den realen Erfordernissen bekennen oder mit wehenden Fahnen untergehen müssen, doch als Präsident war er dadurch so erpressbar dass sein eigener Staatsapparat schließlich verzweifelt darauf setzte ihn mit juristischen Blindgängern abzusägen.

Diese ungeklärten Altlasten der Atompolitik sind jedoch nur ein oberflächliches Beispiel – worin die tieferen Risiken dabei liegen zeigt ein anderer Fall: Als sich im ersten Irakkrieg NSA und BND gegenseitig bloßstellten und es dadurch zu den damals noch nicht so genannten „Leaks“ kam (die deutsche Sprache hat dafür keinen treffenden Begriff, Bloßstellungen enthält lediglich eine schwache Implikation des Vorgangs) aus denen hervorging dass der Preussag-Konzern das irakische Giftgasprojekt installiert hatte, sowie andere deutsche Betriebe mehr oder weniger offen zum Völkermord an den Kurden in der Türkei beitrugen, bedeutete dies das Ende für den Konzern. Doch dieser wurde nicht sachgerecht liquidiert und der Nachlass nach Ausgliederung der harmlosen Bestandteile und Abbau des tödlichen Potentials der öffentlichen Aufarbeitung preisgegeben, sondern in einer professionell unbeholfenen Salamitaktik schrittweise umgebaut und umbenannt, bis um die giftige Altlast herum die Fassade eines Pauschalurlaubsvermarkters aufgebaut war. Zum Frieden in den davon betroffenen Krisengebieten hat das bekanntlich nicht beitragen können, dort wird bis heute  um die Wahrheit gekämpft. Die Einfliegung von Bundeswehr-Soldaten im türkisch besetzten Teil Kurdistans unter dem Vorwand der Spekulation auf ein Mitmischen im Syrien-Krieg beweist jedoch dass diese seitdem beschädigte Verbindung zwischen den beiden selbstzerstörerischen Bespitzelungs-Apparaten nach wie vor eine bilaterale imperialistische Reibungsfläche darstellt.

Die Problemschleppen die durch derartige autoritäre Kompromisse ausgelöst werden sind derart weitreichend, dass die Abschätzung welche Schäden eine Ausgliederung der Reaktoren – sowie der überfüllten Abklingbecken vor ihren Türen – aus dem gewerblichen Zweckbetrieb anrichten könnte sich jegliches Optimismus enthalten muss. Die historische Wahrheit ist dass militärisch-industrielle Gier dazu geführt hat dass die Atomreaktoren existieren, dieselbe Gier die in den 1960er Jahren hinter dem massenmedialen Rauchvorhang der Augstein-Affäre vergeblich versuchte ihren nordamerikanischen Fremdbesatzern eigene Atombomben abzutrotzen und dafür als Trostpreis die zur großen Schande aller Wahlversprecher bis heute andauernde „nukleare Teilhabe“ bekam. Die historische Notwendigkeit ist dass der Atommüll – das ist das sprichwörtliche Körnchen Wahrheit in der Lüge, alle Atomanlagen sind Müll – solange es auf dem davon betroffenen Territorium, und das ist im Grenzfall der gesamte Planet, eine Währung gibt Bestandteil des gewerblichen Sektors bleiben muss. Denn nur dann ist eine Rechtsgrundlage gegeben die es ermöglicht dass bei einem persönlichen Versagen des Krisenmanagements – das Szenario lässt sich nicht mit Absolutheit ausschließen – im Rahmen freiwilliger Nothilfe die Angelegenheiten des Unternehmens von außen aus geordnet werden können – ohne Auftrag. Nähme der Atommüll eine nichtkommerzielle Rechtsform an wäre dies nicht der Fall.

Der kapitalistische Staat ist zwar selbst eine kommerzielle und keine nichtkommerzielle Struktur, wie das Giftgas-Beispiel eindringlich belegt, doch solange dessen darin benannte Repressionsapparate nicht „abgeschaltet“ sind zum Zweck einer solchen Abwicklung nicht geeignet, wie sein total entspanntes Klammern am „Milliardengrab“ Gorleben langwierig verdeutlicht. Sonst blieben die Anrainer Gefangene irregulärer Schattenspiele wie Chelsea Manning im völkerrechtswidrigen Militärknast und könnten, wie es eine Punk-Kapelle einmal treffend textete, ihre traurigen Lieder nehmen und in den Mülleimer schmeißen. Die Früchte des Schwindels, die die Atomkonzerne sind, sind auch entkernt ungenießbar. Die Taktik der Verstaatlichung von Konzernen hat nur dann einen Sinn wenn damit ein positiver Gebrauchswert umverteilt wird, andernfalls handelt es sich dabei um nicht mehr als ein Deckmäntelchen für eine Vergesellschaftung von Lasten. Das ist nicht der Atomausstieg, ruft es dagegen von allerorten, aber wenn es um die Wahrheit geht will das Regime nicht hören, denn es ist mitsamt seiner Bespitzelungsapparate selbst Müll, so wie die Konzerne mit ihren Reaktoren. Und Gewerbemüll muss um jeden Preis im gewerblichen Sektor der Gesellschaft bleiben, unter keinen Umständen darf er irgendwo in der Natur abgeladen werden – einen Achtlosigkeitsverdacht wie beim Privatmüll gibt es hier nicht.

An dieser „größtmöglichen anzunehmenden Umverteilung von oben nach unten“ haben also nicht allein die Monopolkonzerne ein Interesse, sondern wie schon im Fall Preussag auch die dahinterstehenden Bespitzelungsapparate. Die vergiftete Allianz von materiellem und digitalem Müll ergibt sich bereits aus den komplementären Rollen welche die beiden Strukturen im Lobbyismus der Demokratie einnehmen: Die Bedürfnisse der jeweils einen Seite werden von der jeweils anderen als ideologische Krücke benutzt – angebliche radiologische Sabotagerisiken dienen als Vorwand für Bespitzelung, und deren „Stabilitätsdrang“ wiederum als Rechtfertigungsideologie einer verfehlten Energiepolitik. Dieser Teufelskreis von Sicherheit und Risiko könnte auch der Ursprung des aktuellen „Entsargungsvorschlags“ sein – die Bespitzelungsapparate wedeln mit ihrer atomaren Krücke, um ein Regime das ihnen nicht mehr in dem Maße gehorcht wie sie es davon erwarten mit der Perspektive zu bedrohen es mit der gemeinsamen Altlast alleine zu lassen – wie schon bei Wulff, nur jetzt nach Fukushima mit umgekehrtem Vorzeichen. (Mit umgekehrten Rollen ist auch von einer „Wurzelbehandlung“ der Bespitzelungsapparate durch ihre Regimes aus Gründen der Langzeitentlastung abzuraten.)

Das stellt freilich eine eindeutig infantile Geste dar, die sich auf demselben unterirdischen Poker-Niveau abspielt wie nordamerikanische Androhungen ihre europäischen Marionettenregierungen militärisch alleinzulassen. Ausgelöst worden sein könnte sie aber in der derzeitigen politischen Konstellation dennoch, etwa durch ein Imitationsverhalten welches auf externe Rivalen zielt – womöglich ist die katastrophenspekulationsgesteuerte Reaktion des deutschen militärisch-industriellen Komplexes nur das Echo einer ähnlichen Bankrotterklärung eines anderen Regimes, so wie der Militärputsch in Mali nachdem Wulff von seinen falschen Verbündeten zurückgetreten worden war. Doch das ist „Spekulation über die Spekulation“ welche erst mit einer Aufdeckung aller kriminellen Machenschaften an den Schnittstellen von Staats- und Wirtschaftsmacht einen Sinn ergeben könnte  (indymedia-Suchbegriff: Bundessicherheitsrat+Normalverbraucher+NSU).

Ebenso kompliziert ist es darüber zu mutmaßen wie die radioaktiven Spaltelemente, die sich nach ihrer Entfernung aus dem Kühlwasser und fristgemäßen Einführung in die Luftkühler allen Berechnungen zufolge auf einem höheren Temperaturniveau stabilisieren sollen, bei späterer Herausnahme aus dem „Castor“-Behälter beschaffen sein werden. Mit Sicherheit lässt sich lediglich sagen dass die grenzwertige Materialbelastung und die dahinterstehende Mentalität „das Problem die Straße entlang kullern zu lassen“ alle Erkennungszeichen organisierter Unverantwortlichkeit tragen. Wer erinnert sich noch an die BND-Machenschaften in Sachen Spaltstoffschmuggel im Inlandsflug zu der Zeit als „Propaganda-Merkel“ noch „Russen-Kohls“ sogenanntes „Mädchen“ war und die schwarzen Köfferchen der Apparatschik-Schmierung zirkulierten wie heutzutage die Raubdatenpakete aus der „Vorratsdatenspeicherung“? Damals ging es dem völkerrechtswidrigen Bespitzelungsapparat darum die Öffentlichkeit zu narren um der Regierung eine angstgesteuerte Reaktion abzuringen – könnte es jetzt ähnlich sein? Es müsste freilich erst ein chaostheoretischer Libellen-Effekt zum Tragen kommen um ein derartiges Komplott transparent zu machen.

Mit ungespaltener Gewissheit lässt sich feststellen: Würde der „Entsargungsvorschlag“ umgesetzt, käme dabei nur eine riskante Tarnorganisation des Repressionsapparats heraus, keine authentische Nichtregierungsorganisation. Auf der anderen Seite hätten Nichtregierungsorganisationen sowie natürliche Personen sehr viel weniger Spielräume die Geschäfte des Atommülls nicht nur ohne Auftrag sondern auch ohne wirtschaftliche Eigeninteressen zu führen als dies derzeit der Fall ist. Ihn zurückzuweisen kann jedoch nicht bedeuten im Gegenzug die dadurch als Opfer funktionalisierte Fassade des Apparats zu affirmieren. Der Staat der totalitären Demokratie stapelt sich selbst die Müllreaktoren vor die Tür, so wie es die Reaktor-Betreiber mit den Müll-Spaltelementen tun. Daran ist nichts Vorwärtsweisendes, es handelt sich dabei um nichts weiter als ein Symptom der Tatsache dass die gesamte Angelegenheit ihrer bzw. seiner Abwicklung bereits viel zu lange hinausgezögert wurde. Wenn die Mafia auf diese Weise gegen sich selbst demonstriert dann können ihre Aussichten nicht menschlich gefestigt sein.

Nachbemerkung: Nach Fertigstellung des Textes erreicht den Verfasser die Nachricht dass das deutsche Militär inzwischen von einer invertierten Umwertung heimgesucht wird: Dort wird jetzt die schlimmste Altlast - der Scharping/Fischer-Feldzug - als Erfolg deklariert. Den Putschisten in Kiew dürfte das sicher nicht schmecken - der endlose Schlamassel im Kosovo lehrt sie wohin es führen würde sich mit Nato-Kriegsverbrechern an einen Tisch zu setzten, wenn sich das Kartell nicht mittlerweile als ineffizient verreißen lassen müsste. Der  verstrahlte Haufen von "Comical Uschi" ist eben nichts als die "neue Heimat" der Riefenstahl/Goebbels-Propaganda. QED.

* * *

Archiv: Der militärisch-industrielle Komplex, die Stromfresser-Fütterung und das Bilder-Wunder von Bern (9.5.) | Der Zwei-Päpste-Schwindel von 2014 (4.5.) | Bismarck als Führer, Hitler als Vermittler – der Fall Schäuble als Geschichtsstunde (8.4.) | Die absurd-infantile Ego-Opferung des Ulrich H. (21.3.) | Knastuniformen und Räubermasken (15.3.) | Die Dürener Hakenkrallenaffäre - Kurzschluss im Repressionsapparat! (5.3.) | Das Münchner Justizversagen im Flughafenkonflikt und die Folgen (25.2.) | Grausamkeit und Sexualität als Symptom(e) der kapitalistischen Krise (21.2.) | Sind "Die Grünen" utopiefähige Wegbegleiter der Umweltschutzbewegung? (12.2.) | Ich vermeide Steuern und das ist definitiv besser so. (7.2.) | Euthanasie und Export – sozialkonservative Aufbruchssimulation in Berlin (31.1.) | Der Troll der aus dem Schiffsbau kam (25.1.) | Vorfahrt durch Lügen – das blaue Wunder der gelben Bengel (23.1.) | Menschliche Schutzschilde für den Restadel? (14.1.) | Die Kanzleramtsaffäre und die Deutschen (7.1.) | Das große Debakel der sozialkonservativen Kollision (15.12.)

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert