Der Streit in der deutschen Burschenschaftsszene
Spätestens seit den 90er-Jahren werden Burschenschaften von Rechtsextremisten unterwandert. Kritiker befürchten, dass diese weitgehend unbeobachtet und ungehindert Kaderbildung für die neue Rechte betreiben können.
Von Manfred Götzke
"Mensur: Achtung, eins, zwei, drei!"
Der
Paukboden der Bonner Burschenschaft Marchia. Im großen Saal der
herrschaftlichen Villa an der Poppelsdorfer Allee riecht es nach
Schweiß. An den Wänden hängen altertümliche Säbel, über einem Stuhl ein
Kettenhemd und eine eiserne Halskrause. Die beiden Männer, die hier
trainieren, tragen T-Shirt und Jeans. Beide stehen völlig still, nur
ihre rechten Arme bewegen sich blitzschnell. Mit ihren Säbeln in der
Hand traktieren sie Kopf und Waffe des Gegners. Heute kann nichts
passieren: Verbindungsstudent Wang und der Alte Herr Peter Gelbach
trainieren mit Visier; die Klingen ihrer Säbel sind stumpf.
"Das
sieht schon sehr gut aus. Was dir fehlt, ist, dass es flüssiger wird.
Da braucht man mehr Erfahrung: üben, üben, üben. Noch mal."
Denn
bei der Mensur, dem traditionellen Eintrittsritual der schlagenden
Burschenschaften, sind die Klingen scharf, der Gesichtsschutz fehlt. Für
den Chemiestudenten Wang, der seinen vollen Namen nicht nennen will,
steht die Mensur in zwei Monaten an. Erst wenn er sie - ob mit oder ohne
Schmiss im Gesicht - überstanden hat, wird er vom Fux -
Burschenschaftsslang für Anwärter - zum vollwertigen Mitglied des
Männerbundes.
"Wirkliche Angst habe
ich nicht, aber ich werde schon sehr nervös, wenn ich daran denke. Aber
ich denke aber auch, du wirst besser sein."
Dass der
19-jährige Wang überhaupt vollwertiges Mitglied einer deutschen
Burschenschaft werden kann, ist alles andere als selbstverständlich.
Wang ist zwar in Deutschland geboren und aufgewachsen, spricht fließend
Deutsch und hat einen deutschen Pass. Vielen Burschenschaften, die im
traditionsreichen Dachverband der Studentenverbindungen - der "Deutschen
Burschenschaft" - organisiert sind, ist das allerdings nicht Deutsch
genug. Denn Wang hat einen chinesischen Namen und asiatische
Gesichtszüge. Im Dachverband aber legt man Wert auf Deutschstämmigkeit.
Der Sprecher des Verbands, Walter Tributsch, beschreibt die
Aufnahmekriterien seiner Organisation so:
"Man muss ein männlicher, studierender, dem deutschen Kulturkreis angehörender, junger Mann sein."
Wang
haben die rigiden Aufnahmekriterien vieler Burschenschaften jedenfalls
nicht davon abgehalten, es mal bei der Bonner Marchia zu versuchen.
"Ich
hab auch diverse Geschichten dazugehört. Ich wusste auch nicht, ob es
hier auch so wäre. Wenn es hier auch so wäre, dann wäre ich halt
abgewiesen worden, aber so war es ja nicht."
Wenn die
Deutsche Burschenschaft an diesem Wochenende zum traditionellen
Burschentag auf die Wartburg in Eisenach lädt, wird Wangs Verbindung
nicht dabei sein. Die Bonner Burschenschaft Marchia ist - wie
mittlerweile 23 weitere Bünde - aus dem Dachverband ausgetreten. Der
Verband - mit seinen knapp 100 Studentenverbindungen noch immer der
größte Zusammenschluss von Burschenschaften - er sei ihnen zu weit nach
rechts gerückt, erklärt Henning Roeder. Er ist Alter Herr der Alemannia
Stuttgart, auch ein liberaler Bund.
"Das
Fass ist eben immer voller geworden mit Provokationen, die so gerade am
Rande der Legalität sich abgespielt haben und dann eben irgendwann
darüber hinausgehen."
Sehnsüchte nach einem "großdeutschen
Reich" sind damit gemeint, aber auch krude völkische Thesen. Darüber
streiten sich extrem rechte mit konservativ-liberalen Burschenschafter
wie die Bonner Marchia oder die Stuttgarter Alemannia zwar schon seit
Jahrzehnten - allerdings hinter verschlossen Türen. Auf dem Burschentag
2011 ist der Machtkampf innerhalb des Dachverbands der Deutschen
Burschenschaft dann offen eskaliert: Damals wollte Kai Ming Au,
Burschenschafter mit chinesischen Wurzeln, für ein Vorstandsamt im
Dachverband kandidieren. Die Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks
zu Bonn war damit nicht einverstanden. Sie wollte Au und dessen
Verbindung Hansea zu Mannheim sogar aus dem Dachverband ausschließen. In
dem Antrag der Bonner hieß es wörtlich: "Es ist besonders in Zeiten
fortschreitender Überfremdung nicht hinnehmbar, dass Menschen, welche
nicht vom deutschen Stamm sind, in die Deutsche Burschenschaft
aufgenommen werden." Kai Ming Au war entsetzt:
"Klar war ich verärgert, ich hab gedacht: In welchem Jahrhundert lebe ich, so was kann eigentlich gar nicht passieren."
Unter massiven öffentlichen Druck wurde der "Arier-Nachweis" - wie Kritiker ihn nannten - damals zwar wieder zurückgezogen. Auf dem diesjährigen Burschentag wird allerdings wieder darüber diskutiert. 2012 erfolgte die nächste offene Provokation: Norbert Weidner, ebenfalls Mitglied der Bonner Raczeks, hatte das Todesurteil gegen den evangelischen Theologen und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer durch ein NS-Gericht als - Zitat - "rein juristisch gerechtfertigt" bezeichnet. Weidner war damals sogenannter "Schriftleiter" der Burschenschaftliche Blätter, also Chefredakteur der Verbandszeitschrift, und damit auch für die politische Positionierung des Dachverbandes verantwortlich. Seine Äußerung blieb nicht ohne juristische Folge: Das Bonner Landgericht verurteilte Weidner wegen der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu 40 Tagessätzen, konkret zu 1.200 Euro. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Weidner bemüht eine weitere Instanz. Für liberale Burschenschafter aber war eine rote Linie überschritten.
Die bislang 24 aus der "Deutsche Burschenschaft"
ausgetretenen Verbindungen diskutieren derzeit die Gründung eines
eigenen Verbandes. Der bestehende Dachverband dagegen sei kleiner und
rechter geworden, meint Alexandra Kurth. Sie ist Politologin und
Rechtsextremismusexpertin an der Universität Gießen:
"Meines
Erachtens ist die Deutsche Burschenschaft nach dem Austritt einer
ganzen Reihe von konservativen Bünden und einzelnen Mitgliedern
mittlerweile als Verband politisch so zu charakterisieren, dass er Teil
der extremen Rechten ist."
Ein Vorwurf, den der Sprecher der Deutschen Burschenschaft, Walter Tributsch, zurückweist.
"Durch
kaum eine Aktivität, die der Verband gesetzt hat, kann diese
Anschuldigung in irgendeiner Form eine Rechtfertigung erlangen."
Doch
Tributschs Burschenschaft, die Teutonia Wien, die dem Dachverband seit
Anfang des Jahres vorsitzt, macht aus ihrem nationalistischen Credo
keinen Hehl: Denn erst im Januar verbreiteten die Wiener ein Flugblatt
mit dem Titel "91 Jahre Schandverträge", in dem sie die Besetzung
Südtirols, Südkärntens und Ostdeutschlands durch die - Zitat -
"Siegermächte und ihre Vasallen" beklagen.
Der Rechtsruck in der
Deutschen Burschenschaft schmälert mittlerweile auch die viel
beschworene karrierefördernde Wirkung der Burschenschaften. Die
Mitgliedschaft wird mehr und mehr zum Makel. Bisher spektakulärste
Personalie: Berlins Sozialstaatssekretär Michael Büge (CDU). Er musste
vergangene Woche seinen Hut nehmen. Der Senat beschloss die Entlassung
des Politikers, weil er seine Burschenschaft Gothia, ein Mitglied der
Deutschen Burschenschaft, nicht verlassen wollte.
Auch Christian
Becker musste seinen Hut nehmen - als Mitglied bei den Bonner Raczeks.
Seine Bundesbrüder haben ihn im vergangenen Jahr rausgeschmissen. Der
Grund - Zitat: "burschenschädigendes Verhalten". Becker betreibt seit
knapp zwei Jahren einen Blog mit dem Titel: Burschenschafter gegen
Neonazis. Dort schreibt er über die rechtsextremen Umtriebe in
Studentenverbindungen:
"Wenn die
Entwicklung jetzt so weitergeht, wie es sich abzeichnet, dann ist
eigentlich das eingetreten, wovor Experten vor vielen Jahren schon
gewarnt haben. Nämlich, dass die äußere Rechte in Deutschland zum ersten
Mal dann eine verfestigte Struktur an deutschen Hochschulen hat. Weil
dann haben sie ja in dem Verband keine sozusagen Störenfriede mehr,
nämlich liberale Burschenschaften, sondern dann haben die ganz rechten
Burschenschaften einfach eine Struktur für sich alleine."
Er
meint damit: Während andere rechtsextreme Gruppierungen wie die NPD in
der Vergangenheit immer wieder vergeblich versucht haben, Immobilien für
Tagungs- und Schulungszentren zu erwerben, besitzen rechtsextreme
Burschenschaften Villen in bester Lage in fast allen Universitätsstädten
Deutschlands.
"Wichtig, weil Rechte
dort sich auf deren Häusern treffen und versammeln können, ohne dass die
Behörden ein Auge darauf haben. Und das ist ja genau der Punkt, warum
Rechte und Rechtsaußen versuchen, Hotels und Burgen zu kaufen, damit sie
sich dort ungestört treffen können. Genau dafür dienen auch die
Burschenschaften."
Rechtsextremes Gedankengut, völkische
Ideologie, Revisionismus: Neu sind diese Strömungen unter den
Mitgliedsbünden der Deutschen Burschenschaft keineswegs. Schon in den
1960er-Jahren formierte sich im Dachverband eine ultrarechte
Untergruppierung: Die "Burschenschaftliche Gemeinschaft". Sie wurde von
42 deutschen und österreichischen Burschenschaften mit dem Ziel
gegründet, österreichische Verbände wie die Teutonia Wien in den
Dachverband aufzunehmen, schließlich sei das Nachbarland ein deutscher
Staat. Das Gründungsprotokoll der BG beginnt mit dem Worten:
"Die
Burschenschaften der Burschenschaftlichen Gemeinschaft bekennen sich
zum volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff als dem historischen
Vaterlandsbegriff der Urburschenschaft."
Heute sieht sich
die Burschenschaftliche Gemeinschaft als Verteidigerin "wahrer
burschenschaftlicher Werte" - gegen die "politische Korrektheit", wie es
wörtlich in einem neuen internen Strategiepapier heißt, das dem
Deutschlandfunk vorliegt.
"Innerhalb
der Deutschen Burschenschaft war die Burschenschaftliche Gemeinschaft
immer Garant dafür, dass burschenschaftliche Ideale und Werte nicht
zugunsten einer Anbiederung an deutschfeindliche Multikulti-Fanatiker in
den Medieninstituten geopfert werden. Hinzu kommen die kaum mehr
lösbaren Probleme, die sich aus der negativen demografischen Entwicklung
und der massiven Überfremdung ergeben."
Welchen
Stellenwert völkisches Denken bis heute im gesamten Dachverband
einnimmt, kann man im - noch immer aktuellen - "Handbuch der Deutschen
Burschenschaft" aus dem Jahr 2005 nachlesen. Diese etwa 500 Seiten
umfassende Aufsatzsammlung liegt in vielen Verbindungshäusern aus. Sie
konkretisiert die knappgehaltene Verfassung der Deutschen
Burschenschaft. Im Kapitel mit dem Titel "Vaterland" wird erläutert, was
aus dem volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff resultiert.
"Unter
Deutschland verstehen wir den von Deutschen bewohnten Raum in
Mitteleuropa einschließlich der Gebiete, aus denen Deutsche
widerrechtlich vertrieben worden sind."
Noch deutlicher wird das Handbuch im Kapitel "Von den Grenzen des Vaterlandes":
"Das
deutsche Vaterland schließt somit zum Beispiel das Kanaltal und
Südtirol in Italien, die von Deutschen bewohnten Teile Ostbelgiens oder
Teile Nordschleswigs in Dänemark mit ein. Diese Gebiete gehören genauso
zur geistig-kulturellen Heimat des Deutschen Volkes wie das Sudetenland
und die deutschen Gebiete östlich von Oder und Neiße."
"Also
in denen, die jetzt in der DB sind, dürfte das mehr oder minder Konsens
sein. Es mag den einen oder anderen geben, der das nicht teilt. Es ist
zumindest Mehrheitsposition."
Sagt die Politologin
Alexandra Kurth von der Uni Gießen. Konkrete territoriale Ansprüche
erhebe man allerdings nicht, wiegelt der Sprecher der Deutschen
Burschenschaft, Tributsch, ab. Es gehe eher um die Pflege des deutschen
Volkstums im Ausland.
"Wir wollen
also die Interessen des deutschen Kulturvolkes, wozu wir auch in
kultureller Hinsicht die Österreicher zählen, aber auch die Minderheiten
in Rumänien beispielsweise oder in Ungarn, für die wollen wir eine
entsprechende Pflege und auch eine entsprechende Interessenausrichtung
bieten."
Ein geistiger Nährboden, der auch für andere
extrem rechte Gruppierungen attraktiv ist. Mitte der 90er-Jahre etwa
rief der damalige Chefideologe der NPD, Jürgen Schwab, in einem Artikel
der inzwischen eingestellten Zeitschrift "Staatsbriefe" indirekt zur
Unterwanderung der Burschenschaften durch NPD-Mitglieder auf.
"Den
burschenschaftlichen Abenden auf den Verbindungshäusern kommt in
politischer Hinsicht eine Schlüsselfunktion zu. So sind in nahezu allen
DB-Verbindungen Verbandsbrüder anzutreffen, die in irgendeiner Form
national-oppositionell sind."
"Man
hat sich ja mal gewundert: Wie kommt eigentlich dieser Rechtsruck, der
tatsächlich sich zehn, 15 Jahren bei den Burschenschaften vollzieht, wie
kommt der eigentlich zustande? Und der ist nach einem Masterplan
erfolgt. Hintergrund war damals, dass Anfang der 90er viele
rechtsextreme Gruppierungen nach Anschlägen in Rostock-Lichtenhagen,
Hoyerswerda verboten wurden. Und dann waren sozusagen viele frei und
suchten neue Strukturen."
Sagt der Ex-Burschenafter
Becker. Er hat Belege dafür, dass der NPD-Funktionär Schwab Erfolg hatte
mit seinem Aufruf, die Burschenschaften zu unterwandern: Denn seit Ende
der 1990er-Jahre würden auch sogenannte Straßen-Nazis, also
Rechtsextreme aus der NPD-nahen, oft gewaltbereiten Kameradschaftsszene,
Burschenband und -Mütze tragen.
"Es
gibt mittlerweile ganz viele Burschenschaften, verbrieft, in denen
Straßen-Nazis Mitglied sind. Und das macht eben auch die Bedeutung von
Burschenschaften außerhalb des relativ kleinen Kreises deutlich, nämlich
dass sie Scharnierstelle von Straßen-Nazis hin zu Rechtsextremen in den
Parlamenten - und in der Mitte sitzen eben die akademischen
Rechtsextremisten."
Wie viele Anhänger, Unterstützer oder
Mitglieder der rechtsextremen NPD in der Deutschen Burschenschaft aktiv
sind, ist kaum zu ermitteln. Einige ranghohe NPD'ler aber brüsten sich
öffentlich mit der Mitgliedschaft in einer ehrwürdigen
Studentenverbindung:
- Der Rechtsanwalt Andreas Wölfel, NPD-Aktivist aus dem bayerischen Wunsiedel und Burschenschafter der Thessalia Bayreuth. Er organisierte am 2. Mai 2011 einen Aufmarsch von rund 800 Neonazis aus gewaltbereiten Kameradschaften in Heilbronn mit.
- Der promovierte Mediziner Rigolf Hennig. Er zählt sich zu den Unterstützern von Ex-NPD-Chef Udo Voigt. Er ist Mitglied der NPD und der Burschenschaft Rugia Greifswald.
- Arne Schimmer und Jürgen Gansel, beide sind Abgeordnete der NPD im sächsischen Landtag. Schimmer wurde kürzlich in den Bundesvorstand der NPD gewählt. Beide sind Alte Herren der Burschenschaft Dresdensia-Rugia zu Gießen.
Der
Sprecher der Deutschen Burschenschaft, Walter Tributsch, sieht in der
NPD-Mitgliedschaft von Bundesbrüdern kein Problem. Solange die NPD nicht
verboten ist, sei das Privatsache der Burschen:
"Es
gibt Dinge, mit denen man, was die NPD betrifft, überhaupt nicht
einverstanden sein kann. Auf der anderen Seite, ich betrachte es
gewissermaßen als Gesinnungsschnüffelei, wenn man jemanden fragt, was er
in seiner Privatzeit tut. Wenn aber eine Organisation als rechtens
anerkannt wird, und jemand will als Privatperson dort Mitglied sein -
wenn das rechtlich abgesichert ist, dann kann ich ihm das nicht
verwehren."
Der Boden der Legalität wird allerdings
verlassen, wenn sich Verbindungen zum Nationalsozialistischen
Untergrund, dem NSU, nachweisen lassen. Nach Erkenntnissen des Thüringer
Innenministeriums hatten Mitglieder der Jenaer Burschenschaft Normannia
jahrelang Kontakte zum Umfeld des NSU-Trios unterhalten. Der in München
neben Beate Zschäpe angeklagte Ex-NPD-Funktionär und Neonazi Ralf
Wohlleben etwa hatte persönliche Kontakte zur Normannia gepflegt und an
Veranstaltungen der Studentenverbindung teilgenommen. Das geht aus einer
Antwort des Ministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der linken
Landtagsabgeordneten Katarina König hervor. Diese Jenaer Verbindung ist
zwar nicht Mitglied der Deutschen Burschenschaft, sagt Christian Becker.
Aber in ihren Reihen seien Mitglieder, die zeitgleich in
Burschenschaften des Dachverbandes aktiv seien - sogenannte
Doppelbandträger.
"Interessant wird
es, weil nämlich auch Burschenschafter von DB-Burschenschaften
Doppelbandträger, also es gibt ja Burschenschafter, die in mehreren
Verbindungen Mitglied sind. Und da gibt es auch Doppelbandträger mit
Normannia Jena, also das ist auch von der Thüringer Landtagsabgeordnete
Katarina König veröffentlicht worden."
Der Sprecher der
Deutschen Burschenschaft, Walter Tributsch, will von Verbindungen der
Deutschen Burschenschaft zum NSU nichts wissen. Die erwähnte
Burschenschaft Normannia in Jena, behauptet er, gar nicht zu kennen.
Trotz
allem: In den Verfassungsschutzberichten von Bund und Ländern aus den
Jahren 2011 und 2012 tauchen Burschenschaften nur in den Kapiteln über
Linksextremismus auf; und zwar im Zusammenhang mit Protesten
antifaschistischer Gruppen gegen sie. Einzige Ausnahme: die Danubia
München. Diese Verbindung wird im bayerischen Verfassungsschutzbericht
2012 explizit erwähnt.
"In der etwa
zehn Personen umfassenden Aktivitas der Burschenschaft Danubia München
engagieren sich einzelne Personen, die Beziehungen zur
rechtsextremistischen Szene unterhalten. Insbesondere der bis zu seinem
Ausschluss im Juni in der Danubia aktive Pierre Pauly hat enge Kontakte
in die rechtsextremistische Szene, vor allem zur neonazistischen
Kameradschaft München."
Die Rechtsextremismusexpertin
Alexandra Kurth findet es nicht in Ordnung, dass nur die Danubia München
in den Verfassungsschutzberichten aufgeführt wird. Ihrer Ansicht nach
gibt es in fast jedem Bundesland Burschenschaften, die zumindest
beobachtet werden müssten.
"Es ist ja
auffällig, dass ganz offenkundig mit unterschiedlichem Maß gemessen
wird. Also wenn man sich anguckt, was da für Positionen vertreten
werden, da stellt man sich natürlich schon die Frage, ist es so, dass
die Behörden davon gar nichts gewusst haben? Das wäre ja erschreckend,
wenn das so wäre. Oder ist es nicht so, dass die Behörden davon gewusst
haben, aber das letztlich nicht öffentlich gemacht haben."
Ein
konkretes Beispiel, das der Politikwissenschaftlerin Kopfzerbrechen
bereitet: die Dresdensia Rugia zu Gießen, die bis zum Jahr 2006 wegen
ihrer Nähe zur NPD immer wieder in hessischen Verfassungsschutzberichten
aufgetaucht war. Nachdem sich die Burschenschaft von den Zielen der
rechtsextremen Partei distanziert hatte, was auch im
Verfassungsschutzbericht zu lesen war, endete die Beobachtung - obwohl
die beiden sächsischen NPD-Abgeordneten Schimmer und Gansel bis heute zu
deren "Alten Herren" zählen. In der Mitgliedszeitschrift der Gießener
Verbindung habe sich der Vorsitzende des Altherrenverbandes damit
gebrüstet, dass es Gespräche mit dem hessischen Verfassungsschutz
gegeben hätte, erzählt Kurth:
"Und
dass in der Folge dieser Gespräche, die Burschenschaft Dresdensia Rugia
nicht mehr im Verfassungsschutzbericht aufgeführt worden ist. Obwohl der
hessische Verfassungsschutz ja dieser Burschenschaft attestiert hatte,
dass sie Kaderschmiede für die NPD darstellt. Der hessische
Verfassungsschutzbericht bestreitet diesen relativ ausführlichen Bericht
des alten Herren, das heißt: Da steht Aussage gegen Aussage.
Gleichzeitig sagt aber der hessische Verfassungsschutz, man habe die
Dresdensia Rugia trotzdem weiter beobachtet. Das sind für mich relativ
merkwürdige Vorgänge."
Christian Becker ist dagegen
überzeugt, dass die Verfassungsschützer den "akademischen
Rechtsextremismus" - wie er ihn nennt - schlicht noch nicht ausreichend
auf dem Schirm haben. Er will deshalb mit seinem Blog "Burschenschafter
gegen Neonazis" Aufklärungsarbeit leisten.
"Es
gibt relativ wenig andere, die da sich für das Thema einsetzen. Und wir
stemmen uns eben gegen diesen akademischen Rechtsextremismus."
Ungefährlich
ist seine Arbeit nicht. Vor zwei Monaten hat der Ex-Burschenschafter
eigenen Angaben nach erstmals eine Morddrohung erhalten. Und kürzlich
wurde Becker im Forum seines Blogs zum Selbstmord aufgefordert.
"Ich
habe mit einigen Verbandsbrüdern darüber gesprochen: Wir wären bereit,
ihnen einen Strick zu schenken, wenn sie uns versprechen, sich zeitnah
daran aufzuhängen."
Austrittswelle
Laut Artikel sind es 24 Bünde, die bisher wegen dieser Vorgänge aus der Deutschen Burschenschaft ausgetreten sind. Andere Zählungen kommen bereits auf 29, und weitere werden noch folgen.