[ME] Neonazi-Provokation zum Jahrestag der Reichspogromnacht am 9. November 2012

Neonazis am 30. Juli 2012 vor der Lounge Deluxe in Mettmann

Am nächsten Freitag, den 9. November 2012, findet zum 74. Jahrestag der Reichspogromnacht eine überregionale Demonstration unter dem Motto „Die Erinnerung zur Mahnung- Für eine Welt in der Antisemitismus, Faschismus und Rassismus keinen Platz haben sollen“ in Mettmann statt. Wir möchten den Opfern der Reichspogromnacht erinnern, auf gegenwärtige Neonaziaktivitäten in Mettmann aufmerksam machen und mit vielen Menschen gemeinsam ein Zeichen gegen Rechts setzen.

 

Mit Bekanntwerden der Demonstration, gab es erste Anzeichen, dass sich Neonazis an jenem Tag erneut in der einschlägig als Neonazi-Treffpunkt bekannten Gaststätte „Lounge Deluxe“ in der Elberfelder Straße 53 treffen möchten. Diese Vermutung hat sich bestätigt. Ein Neonazi aus Wuppertal möchte am Jahrestag der Reichspogromnacht und parallel zu unserer Demonstration seinen „Geburtstag“ in der Lounge Deluxe feiern.
Dabei haben Neonazis in der Vergangenheit schon öfters durch solche Aktionen auf sich aufmerksam machen wollen und versucht Proteste gegen Rechts zu stören.

Wir sehen die Geburtstagsfeier der Neonazis an diesem Tag als Provokation an. Es ist von Neonazis nicht nur geschmacklos ausgerechnet an einem solchen Tag eine Geburtstagsfeier zu veranstalten, sondern stellt auch keinen Zufall dar, dies ausgerechnet am Jahrestag der Reichspogromnacht und parallel zur Demonstration stattfinden zu lassen. Diese Ankündigung der Neonazis ist eine Reaktion auf die am Freitag stattfindende Demonstration gegen Rechts und kann daher nur als Provokation gewertet werden.

Bei der letzten Sitzung vom „Bündnis für Toleranz & Zivilcourage“ am 25. Oktober in Mettmann wurde nach einem Informationsvortrag unsere Initiative von über 30 Anwesenden gelobt, wenngleich auch von einigen Skepsis ausgesprochen wurde, welche wir an dieser Stelle aus dem Weg räumen möchten.

Im Großen und Ganzen lassen sich die Einwände ( www.wz-newsline.de/lokales/kreis-mettmann/mettmann/wirbel-um-kundgebung-... )auf den Teil der Demonstration beschränken, der sich mit dem Neonazi-Treffpunkt „Lounge Deluxe“ beschäftigen wird. Der Ablauf der Demonstration sieht eine Zwischenkundgebung an jener Gaststätte, welche seit über 3 Jahren von Neonazis genutzt wird,  vor.

Dass man diesen Schritt als Provokation sieht, ist nicht nachzuvollziehen. Klar ist, dass sie Neonazis als Reaktion auf die Demonstration gegen Rechts, eine Geburtstagsfeier in der „Lounge Deluxe“ veranstalten wollen. Dies ist erneut ein Beweis dafür, dass die Gaststätte ein Rückzugsort für Neonazis ist und ein wesentlicher Bestandteil des eigentlichen Problems darstellt. Aus diesem Grund ist es wichtig und notwendig genau an diesem Ort seinen Protest zu zeigen und mit einem Redebeitrag auf dort stattgefundene Ereignisse einzugehen. Den Neonazis auszuweichen und fernab lediglich eine Kundgebung oder eine veränderte Route zu laufen, würde bedeuten, dass man die Augen verschließt. Wenn wir auf Neonaziaktivitäten aufmerksam machen möchten, ist es unausweichlich jene Orte aufzusuchen, die für die Neonazis mittlerweile zu einem wichtigen Rückzugsort geworden sind.

Wir möchten ebenfalls kurz auf ein mögliches räumliches Problem eingehen. Die Zwischenkundgebung wird, wie mit der Polizei beim Kooperationsgespräch vereinbart, etwa 30 Meter in Hör- und Sichtweite zur „Lounge Deluxe“ auf der zweispurigen Fahrbahn der Elberfelder Straße, welche ab Leyer Kopf vollständgig bis Mettmann-Zentrum zur Verfügung steht,  stattfinden. Ein mögliches Platzproblem kann somit ausgeschlossen werden. Des Weiteren ließ die Polizei verlauten, dass sie mit „ausreichenden“ und „qualitativen“ Einsatzkräften vor Ort sein wird und sich für einen „störungsfreien Verlauf einsetzen wird“.

Für uns ist es nicht hinnehmbar und gleichsam unergründbar, dass eine angemeldete Demonstration zum Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht und Proteste gegen rechtes Gedankengut eine Provokation gegenüber Neonazis darstellen sollte, wenn diese als Reaktion darauf einen Geburtstag in einem bekannten Neonazi-Treff organisieren. Vielmehr sollte dies zu erkennen geben, dass Mettmann ein Neonazi-Problem hat und dass man es nicht dadurch lösen kann, in dem man wegschaut. Am 9. November 2012 haben wir die Möglichkeit mit vielen Menschen unseren Protest gegen Neonazis Ausdruck zu verleihen.

Wir möchten außerdem auf eine im letzten Sommer vom Rat der Stadt Mettmann verfasste Resolution eingehen. Im Wortlaut heißt es dort: „Wir wollen nicht zulassen, dass unsere Stadt von fremden- und ausländerfeindlichen Organisationen und Personen wiederkehrend als Veranstaltungsort missbraucht wird und auf diese Weise für Aktivitäten genutzt wird, die gegen die Demokratie und Menschenwürde gerichtet sind. Der Rat der Stadt Mettmann spricht sich gegen Rassismus, Antisemitismus und Extremismus sowie gegen die Verbreitung ihrer Ideologien aus und unterstützt die Aktivitäten gesellschaftlicher Gruppen gegen Rechtsextremismus in unserer Stadt.“
Des Weiteren werden alle Menschen dazu aufgerufen sich an „friedlichen Protesten und Aktivitäten gegen das Auftreten von Rechtsextremisten und Neonazis“ zu beteiligen. Abschließend appelliert der Rat der Stadt Mettmann an alle, die Augen nicht zu verschließen und diesen Gruppen keine Räumlichkeiten oder Plätze für deren Zwecke zur Verfügung zu stellen.

Soviel zur Theorie. Und wie sieht es mit der Praxis aus? Seit dem Beschluss hat sich in Mettmann nichts verändert. Nach wie vor treiben Neonazis ihr Unwesen in der Stadt, verbreiten neonazistische Propaganda und greifen Menschen an. Nach über 3 Jahren Neonazi-Spuk in Mettmann, ist es an der Zeit ein klares Zeichen gegen Rechts zu setzen. Die Resolution mag ein Anfang sein. Jedoch muss sie auch in der Praxis Bestand haben. Während „BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN“ und „DIE LINKE.“ die Demonstration am 9. November unterstützen, gab es von der „CDU“ eine klare Absage, von der „SPD“ bis heute immer noch Überlegungen und von der „FDP“ und „UBWG“ erst gar keine Antwort.

Wenn der Rat der Stadt Mettmann an alle Menschen appelliert sich an Protesten gegen Rechts zu beteiligen, dann sollte man erwarten, dass von jenen Politikern, die hinter dieser Resolution stehen, gleiches zu erwarten sei. Wir rufen alle Mitglieder des Stadtrates auf, ihrer eigens beschlossenen Resolution nachzukommen, die Augen nicht zu verschließen und sich ebenfalls an Protesten gegen Rechts zu beteiligen.

Möglichkeit hierzu gibt es bereits am nächsten Freitag. Neben Parteien rufen auch der „DGB-Ortsverband Mettmann“ , viele weitere politische und sozialen Gruppen, sowie die „Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz e.V.“ und das „Wuppertaler Bündnis gegen Rechts“ zur Teilnahme an der Demonstration auf.

Wir wollen der Opfer der Reichspogromnacht gedenken und unseren Unmut über gegenwärtige Neonaziaktivitäten zum Ausdruck bringen.

Wir sind es allen Opfern des Nationalsozialismus schuldig, die Augen nicht zu verschließen.
Wenn wir den Opfern der Reichspogromnacht gedenken, müssen wir uns auch dafür einsetzen, dass solch entsetzlichen Ereignisse nie wieder stattfinden dürfen.
Wir haben keinen Platz für Neonazis!


Überregionale Demonstration gegen Rechts am Jahrestag der Reichspogromnacht
Freitag, 9. November 2012 - 19 Uhr – Mettmann Zentrum
Mehr Infos unter: www.9november.blogsport.de

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[W] 9. November 2012 - Erinnern heißt handeln!
Veranstaltungen in Wuppertal und Mettmann

11.00 Uhr Jüdischer Friedhof am Weinberg, Wuppertal-Elberfeld:
Gedenken an die Pogromnacht 1938

16:30 Uhr vor der Schwebebahnstation Loher Brücke:
Antifaschistischer Gedenkrundgang in Erinnerung an die Wuppertaler Pogromnacht vor 74 Jahren und an Karl-Hans Rohn.
Stationen sind u.a. der Tatort des Mordes,die neue Synagoge und die Gedenktafel an der zerstörten Synagoge am Scheuren.

19:00 Uhr Mettmann Zentrum
Überregionale Demonstration zum 74. Jahrestag der Reichspogromnacht unter dem Motto „Die Erinnerung zur Mahnung“


Nichts und niemand ist vergessen! Vor 20 Jahren-Nazis ermorden Karl-Hans Rohn.

Wir wollen anlässlich unseres Gedenkrundganges am 9.November 2012 auch an Karl-Hans Rohn vor der ehemaligen Gaststätte am Hohenstein erinnern. Weitere Stationen sind die neue Synagoge und die Gedenktafel für die zerstörte Barmer Synagoge am Scheuren.
Anschließend fahren wir gemeinsam zur überregionalen 9.November-Demo nach Mettmann“

Nahezu flächendeckend wird das wiedervereinigte Deutschland nach 1990 von Pogromen und nationalen Gewaltexzessen erschüttert; jede*r der/die nicht in das Weltbild der Neo-Nazis passt gerät ins Visier und wird um Leib und Leben bedroht. Hoyerswerda, Mölln und Solingen sind die Symbole für diese Jahre des ungezügelten Naziterrors. Über 180 Menschen wurden nach der Wiedervereinigung von Nazis in Deutschland ermordet. Karl-Hans Rohn war einer von ihnen. Er ist in Wuppertal fast vergessen – es gibt kein Erinnerungszeichen, nichts erinnert an das erste Wuppertaler Naziopfer seit dem 2. Weltkrieg.

Was genau sich in der Nacht vom 12. auf den 13.11.1992 in der kleinen Kneipe „Laternchen“ zugetragen hat, ist nicht in Gänze geklärt. Aussagen zum Tathergang gibt es nur von den faschistischen Tätern. So betrat Karl-Hans Rohn (53) am Abend des 12.11.1992 die schlecht besuchte Kneipe am Hohenstein in Wuppertal Unterbarmen / Loh und nahm am Tresen Platz, wo auch seine späteren Mörder saßen. Andreas Wember (26) und Michael Senf (19), beide in der Nationalistischen Front (NF) organisiert, treten als Skinheads martialisch auf und machen auch keinen Hehl aus ihrem Menschenbild, in ihrer Umgebung fühlen sie sich sicher und erfahren viel Anerkennung und wenig Gegenwind. Die drei Männer trinken gemeinsam große Mengen an Alkohol, die Stimmung scheint ausgelassen in der nun leeren Kneipe. Neben den Männern am Tresen ist nur der Wirt, Marian Glensk (32), anwesend. Die Aussagen zu den folgenden Stunden sind z.T. recht widersprüchlich. Unumstritten ist,
dass Rohn mehrfach mit antisemitischen Beleidigungen und „Späßen“ traktiert wurde, da angenommen wurde er sei  Jude. Laut Staatsanwaltschaft habe der Wirt die beiden jüngeren Männer immer wieder angestachelt und ermutigt Rohn auch körperlich zu attackieren. Durch sich gegenseitiges aufputschen, gebündelt mit Gewaltfantasien und von einem gnadenlosen Welt und Menschenbild geleitet, stürzt sich der bullige Wember auf Rohn und schlägt ihn vom Barhocker. Der nun am Boden liegende Rohn wird nach diesem ersten Schlag, von zwei Seiten mit Springerstiefeln getreten bis er sich kaum rührt. Unter „…Juden müssen brennen!“ Rufe von Marian G. überschütten sie Rohn mit hochprozentigem Schnaps und zünden ihn an.
Aufgrund der Rauchentwicklung löschen die drei das Feuer bevor Rohn stirbt, jedoch war zu diesem Zeitpunkt schon klar, dass es für den alleinstehenden Mann keine Rettung mehr geben würde. Die beiden NF`ler schlagen vor, Rohn ins benachbarte Venlo zu schaffen und sich dort dem Sterbenden zu „entledigen“. Marian Glensk lässt sich überreden sein Fahrzeug dafür zu nutzen und das Trio fährt mit Rohn nach Holland, wo sie ihn an einer Autobahn aus dem Wagen werfen, ob Rohn zu diesem Zeitpunkt noch lebt bleibt unklar. Wenn ja wäre dies eher Zufall als ein Teil des tödlichen Plans. Mit welcher Brutalität die Mörder vorgegangen sind lässt sich im Obduktionsbefund erahnen; …dem Opfer wurden nahezu alle Rippen gebrochen und Verbrennungen zweiten Grades zugeführt….“. Der Leichnam wird am nächsten Tag gefunden und über die Reifenspuren sind die Mörder auch recht schnell ermittelt.
Der antisemitische Mord an Karl-Hans Rohn in Wuppertal sorgt weltweit für Schlagzeilen. Nur die Wuppertaler Polizei und Staatsanwaltschaft üben sich in Ignoranz und wollen die internationale Öffentlichkeit beschwichtigen. Für die Wuppertaler Polizei ist die Tat eine „Kneipenschlägerei mit dramatischen Folge.“ Oberstaatsanwalt Rosenbaum wollte die internationale Öffentlichkeit mit der Feststellung beruhigen, dass Karl-Hans Rohn ja kein Jude sei. Er habe eine katholische Mutter und einen evangelischen Vater und sei in der Jüdischen Gemeinde in Wuppertal nicht bekannt.
Erst viele Monate später beim Prozess erkannten die Richter den nazistischen und antisemitischen Hintergrund der Tat an. In der Urteilsbegründung hieß es u.a.: Die Täter seien „so mit rechtsradikalem Gedankengut vollgesaugt, dass sie in einem entscheidenden Moment nach rechtsradikalem Muster handelten.“ Andreas Wember  und Michael Senf werden als Haupttäter zu 14 bzw. 8 Jahren (Jugendstrafrecht), und Marian Glensk zu 10 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.


Die Pogrome vom 9. bis zum 11. November 1938 in Wuppertal

Wie überall im Deutschen Reich wurden zwischen dem 9. und 11. November 1938 auch in Wuppertal neben der Zerstörung der Synagogen und Betsäle, zahlreiche jüdische Geschäfte und Privatwohnungen teilweise am helligten Tag verwüstet und geplündert.
Die Täter brauchten nicht den Schutz der Nacht. Wenn die jüdischen Einrichtungen nicht restlos abbrannten, kamen sie bis zu dreimal an den Tatort wieder. Am 10. November um 4:00 Uhr brannte die Synagoge an der Genügsamkeitsstraße, um 8:00 Uhr wurde die Barmer Synagoge angezündet. Um 18:00 Uhr kamen die Brandstifter wieder in Genügsamkeitsstrasse und legten erneut Feuer. Die Friedhofskapellen am Weinberg und an der Hugostrasse brannten schließlich um 20:00 Uhr. Das Bettengeschäft Sigismund Alsberg in der Berliner Straße wurde dreimal angesteckt. Kissenbezüge und Betten wurden geraubt. Die Herzogstraße und die Königstraße in Elberfeld waren mit Waren und mit zertrümmerten Gegenständen aus jüdischen Geschäften übersät, auch die Textilhandlung Wolf und Heimann wurde geplündert.
In der Grünstraße waren ganze Wohnungseinrichtungen aus dem Haus geworfen worden, in der Elberfelder Wortmannstraße wurde ein Auto in Brand gesetzt.
Die Täter, unter ihnen der SS-Mann und Versteigerer Bruno Koepchen, fuhren mit der Kraftdroschke vor. In der Herzogstraße warfen sie beim Schuhhaus Tack und anderen jüdischen Geschäften mit Flaschen die Schaufensterscheiben ein. Der Fahrer brachte sie nach kurzem Zwischenstopp in der Kreisleitung der NSDAP zur Synagoge in die Elberfelder Genügsamkeitstraße. „Die Herren stiegen aus und begaben sich zur Synagoge. Da sie durch das Hauptportal nicht in die Synagoge hinein konnten, gingen sie von der Seite aus, durch den dort befindlichen Eingang in die Synagoge. Nach einiger Zeit sah ich dann, dass die Synagoge brannte.“
Die Zerstörungen mussten die Juden per „Sühneabgabe“ selber zahlen. Insgesamt 1 Milliarde Reichsmark mussten reichsweit für die „Judenvermögensabgabe“ zum Ausgleich der Schäden aufgebracht werden. Die Finanzämter „gewährten“ Ratenzahlungen, die in fünf Raten eingezogen wurden. Wer jetzt noch auswandern konnte, musste auch den Rest seines Vermögens den deutschen Finanzämtern überlassen. Nach der Pogromnacht wurden 125 jüdische Männer aus Wuppertal in die Konzentrationslager Dachau und Sachsenhausen verschleppt. Die Bilanz des Pogroms, das am 10. November offiziell für beendet erklärt wurde, war erschreckend: Über tausend Synagogen waren abgebrannt, mindestens 8000 jüdische Geschäfte zerstört sowie zahllose Wohnungen verwüstet. Zwischen 90 und 100 Juden waren erschlagen, niedergestochen oder zu Tode geprügelt worden. Hinzu kamen Millionenschäden an zerstörten Geschäftseinrichtungen und Schaufensterscheiben. Das alles
wurde im Volksmund bald mit dem Begriff „Reichskristallnacht“ verharmlost.

Antifaschistische Initiative Wuppertal

Antifacafé Wuppertal

http://antifacafewuppertal.blogsport.eu/