Seit dem 20. August 2012 fand vor der 6. Strafkammer des Landgerichtes Osnabrück ein Prozess gegen vier Männer und eine Frau aus Bünde, Kirchlengern und Minden wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung statt. Sie sollen während eines Konzerts am 1. August 2010 in Markendorf bei Melle (Landkreis Osnabrück), einen Mann lebensbedrohlich verletzt haben. Am 4. September 2012 wurden die Angeklagten freigesprochen. Berichte zum Prozess siehe: www.hiergeblieben.de.
Die Osnabrücker Lokalpresse – Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) – hebt "Konfusion", "Erinnerungslücken" und "Aggressionen" in ihren bisherigen Berichten hervor, die während den Befragungen in den Verhandlungen zu Tage getreten seien. Das Landgericht selbst gibt keine Erklärungen zum Prozess. Die Verlesung der Anklageschrift durch die Staatsanwaltschaft war im Gerichtssaal kaum vernehmbar.
Dass es sich bei den Angeklagten um Neonazis und ein Rechtsrockkonzert handelt – auf beides weist eine autonome antifaschistische Gruppe aus Bielefeld in einer Erklärung und die westfälische Lokalpresse aus Bünde und Minden hin –, bleiben in der NOZ unerwähnt. Anscheinend soll hier die Öffentlichkeit vom Bedrohungspotential der Nazis nichts erfahren, soll die trügerische Idylle der 'Friedensstadt' nicht gestört werden.
Die überregionale TAZ wiederum hat sich dem bekannten Mindener Neonazi und Mitangeklagten Marcus Winter gewidmet. Dort erregt sein "tödliches Potential" das Interesse. Winter hat sich nicht nur als Organisator der "Nationalen Offensive Schaumburg" und der jährlichen geschichtsrevisionistischen Aufmärsche in Bad Nenndorf hervorgetan. Der Neonazi-"Kameradschaftskader" hält enge Verbindungen zu den, für die Nazi-Propaganda und ihre Finanzierung wichtigen, internationalen Rechtsrock- und Skinhead-Netzwerken. Diese organisieren meist konspirativ, als private Feier ausgegeben, in ländlichen Orten, geduldet von Stadtverwaltungen, Polizei und Verfassungsschutz, rechte Skinhead- und Nazirock-Konzerte. Auf ihnen vereinen sich gewaltbereite Fußball-Hooligans, rechte Hardcore-Fans, überzeugte Neonazis und Mitläufer, jenseits unmittelbarer politischer Propaganda, im Feld rechter Subkultur und zur Freizeitgestaltung. Es wird viel getrunken und das rassistische, antisemitische und homophob-sexistische nazistische Weltbild gepflegt, die nächsten Konzerte und Überfälle auf vermeintliche Gegner_innen geplant, sowie Nachwuchs rekrutiert.
Die Kontinuität der Neonaziaktivitäten lassen sich auch im aktuellen Osnabrücker Prozess verfolgen und dokumentieren. Sie belegen die von antifaschistischen Initiativen immer wieder erhobene Kritik an der gesellschaftlichen Toleranz gegenüber der menschenverachtenden, rassistischen und antisemitischen Neonazi-Propaganda und den tödlichen Angriffen auf ihre Gegner und Gegnerinnen. Die Ignoranz illustriert die immer wieder geleugnete Akzeptanz und Normalisierung der Neonazischläger_innen und ihrer politischen Ziele durch die Tolerierung der bürgerlichen Gesellschaft. Hieran ändern auch Verbote von Neonazi-Organisationen oder die Verurteilung ihrer Kader und Mitläufer wenig, da die Schnittstellen und die Übereinstimmung zwischen Mehrheitsgesellschaft, Neonazis und Umfeld unangetastet bleiben.
Ein Beispiel für die Akzeptanz von Neonazis im bürgerlichen Alltagsbetrieb sitzt ebenfalls auf der Anklagebank in Osnabrück: der Hauptangeklagte Michael Rose aus Bünde. Er startet seine Nazikarriere in den 1990er Jahren in Bielefeld. Dort greift er andersdenkende Jugendliche an und wird wegen ihrer Misshandlung angeklagt. Zu seinem 30. Geburtstag spielen am 12. Mai 2001 die Nazi-Bands "Sleipnir" (Gütersloh), "Oidoxie" (Dortmund) und "Nordfront'' (Hannover) – vom Staatsschutz geduldet – zur Feier des Tages auf. Michael Rose heißt zu dieser Zeit noch Michael Stephan und wird in der Neonazi-Szene schon damals "Niete" genannt. Dank seiner IT- und Grafikkenntnisse ist er an der Produktion des Skinhead-Fanzines 'Unsere Welt' beteiligt. Er firmiert heute als Werbegestalter mit der Firma "Rose Grafik" (http://www.rose-grafik.de/ , 0172 - 527 89 45, Inselweg 25, 32257 Bünde) und verweist auf zahlreiche regionale Firmenreferenzen, wie HappyBaby (Bielefeld), VES Voigt & Erdbrügger Steuerberatungsgesellschaft (Bünde), B.W.D. Sanierungs GmbH (Bünde).
Während einer antifaschistischen Info-Rundfahrt zu Nazi-Aktivist_innen Ende 2003 versucht er als Anti-Antifa-Fotograf vergeblich die Besucher_innen zu fotografieren.
Gleichzeitig ist Stephan als Kampfsportler zu dieser Zeit noch im "Bodychecks e.V." in Bünde aktiv, der auch Mitglied im nordrhein-westfälischen JU-JUTSU-Verband ist.
Der mehrmalige Vizeweltmeister im Kickboxen nutzt auch das Vereinsleben zum Aufbau kameradschaftlicher Verbindungen. Mittlerweile ist Stephan in der Bündener Dapema Sportschule aktiv. Er unterzeichnet namentlich die Internetpräsenz des Vereins, der sich auch um den jugendlichen Nachwuchs ab sechs Jahren kümmert und gleichzeitig Sitz des WKA-Landesleistungszentrums Nord ist. Die Trainer werden nach eigener Aussage vom Deutschen Sportbund ausgebildet. Bundestrainer Harald Rögner nimmt dort Gürtelprüfungen ab. Anfang November 2007 ist er mit dem Sportkarate-Nationalteam in Melle zu Gast. Die NOZ hebt in ihrem Artikel den weltmeisterlichen Kickboxer Michael Stephan namentlich hervor.
Stephans Kampfsportkünste nützen natürlich auch bei der Organisierung der Neonazi-Konzerte und finden dort ihre direkte, manchmal blutige Anwendung. Bei dem Konzert der Nazi-Hooligan-Band "Kategorie C", das am 17.07.2010 vor 400 Besuchern in Salzkotten bei Paderborn stattfand , das Marcus Winter und Maurice Quackennack aus Bad Salzuflen organisieren, ist Stephan für den Sicherheitsdienst zuständig. Zwei Wochen später kommt es zu den Ereignissen während des Konzertes am "Grünen See", die jetzt Gegenstand des Osnabrücker Gerichtsverfahrens sind.
Michael Stephan, heute Rose, hat mittlerweile aus seinem Grafikladen im selben Haus ein Tattoostudio gemacht (Tattoo Insel 25, http://insel25.de/#).
Im Gästebuch schließt ein Sven am 24.05.2011 seinen Eintrag mit einem "kameradschaftlichen Gruß". Zur Zeit zieht Rose mit Unterstützung seiner Schwiegermutter in ein neues Domizil in die Bündener Innenstadt: auf der einen Seite werden Versicherungen von Frau Rose feil geboten, während nebenan Schwiegersohn Rose seine Klientel tätowiert (Neue Westfälische 17.07.2012), dort kann er seinen bürgerlichen Aktivitäten ungehindert nachgehen.
Nicht mehr Bodycheks...
Michael Rose ist nicht mehr bei Bodychecks e.V. tätig, weil der Verein meines Wissen nicht mehr existiert, sondern trainiert inzwischen zusammen mit Sandra Baruth hier: http://www.budo-fitness-gesundheit.de/ - ebenfalls in Kirchlengern.