Schwarz. Rot. Gold. Ab Samstag kommt wohl kaum einer mehr an diesen Farben vorbei. Denn ab dann spielt die deutsche Fußballnationalmannschaft um die Europameisterschaft. fudder-Autorin Heng geht das auf die Nerven. Sie findet Party-Nationalismus total eklig.
Die EM ist momentan in aller Munde, die Verabredungen zum Public
Viewing laufen bereits und die Vorfreude des Fußballfandoms wächst ins
Unermessliche. Selbst, wenn ich diesen Sport nicht leiden kann, muss ich
sagen: Jeder solle das tun, was er liebt. Die einen
sehen gern Musikern beim Rumturnen auf der Bühne zu, die anderen haben
Spaß daran, 20 Männern einem Ball hinterherrennen zu sehen.
Wofür
ich aber überhaupt kein Verständnis habe, ist der immens steigende
Nationalstolz. Der brave Deutsche fährt sein Fähnchen hoch, die Schminke
liegt einsatzbereit und in den Geschäften wird so ziemlich alles in schwarz-rot-gold
angeboten. Wer kein Fußball guckt, wird entweder mitgeschleppt oder
ausgeschlossen. Wer allerdings gegen Deutschland ist, wird gedisst.
„Man
darf ja auch mal ein bisschen stolz auf sein Land sein“, wütet man
empört. „In anderen Ländern ist das doch auch so!“ Wen will man mit
solchen Floskeln überzeugen?
Erstens ist es nicht wichtig, was
andere Länder so treiben: Man muss nicht bei jedem Scheiß mitmachen.
Zweitens ist Patriotismus im Allgemeinen und Party-Nationalismus im
Speziellen total eklig.
Das Wir-Gefühl
Was viele an Fußballmeisterschaften so super finden, ist das Wir-Gefühl.
Endlich sind mal alle gut gelaunt, helfen einander, das friedliche
Miteinander wird gestärkt, die sonst so kühlen Deutschen wärmen auf – so
erzählt man.
In Wirklichkeit wird ein Pseudo-Gruppengefühl erzeugt, eine Euphorie, die so stark verblendet und verdummt,
dass die Leute nicht mehr richtig denken können. Gemischt mit dem
üblichen Alkoholkonsum und dem entstehenden Übermut wird die Macht der
Masse stark unterschätzt. Es heißt zum Beispiel „Wer nicht springt, der
ist kein Deutscher“, und plötzlich tobt die Menge. Allerdings kann man
diesen Pluralismus auch in eine aggressive, sehr gefährliche Richtung
lenken.
Mir kann keiner erzählen, dass die ausländerfeindlichen Tendenzen innerhalb
dieser Zeit nicht steigen, erinnern wir uns allein an die Zwischenfälle
während des Spiels Türkei gegen Deutschland bei der letzten
Europameisterschaft. Es wurde gepöbelt und geprügelt bis zum
Gehtnichtmehr.
Jetzt mal ehrlich: Welchen Grund gibt es, stolz auf sein Land
– oder auf gerade dieses – zu sein? Die Geschichte kann es ja schon mal
nicht sein, die Politik fällt eher mager aus, von einer kollegialen und
von Zivilcourage geprägten Öffentlichkeit kann man nicht wirklich
sprechen und trainiert habt ihr die Nationalmannschaft auch nicht
persönlich. Warum seid ihr denn so stolz auf euch und „eure Jungs“?
Raven gegen Deutschland
Was für mich dann die Spitze des Eisberges ist, sind jene sogenannten Fußballfans, die noch vor zwei Monaten auf Konzerten von Egotronic oder Frittenbude
– zwei Bands, deren politischer Gehalt gerne von ignoranten
Jugendlichen übergrölt wird, weil sie denken, es sei reine Partymusik –
gegen Deutschland geraved haben.
Ohne Gewissen, nur den Spaß und die Richtung des Stroms vor Augen, geht es den Leuten nur darum, keine Sauf-Möglichkeit zu verpassen, in allem ganz vorne mit dabei zu sein und einen auf hart zu machen, auch wenn Widersprüche entstehen.
Gleichzeitig
Frittenbude und CDU auf Facebook zu liken, vom Egotronic-Konzert zum
Public Viewing für Deutschland zu stolpern, so tun, als lebe man für den
Staat und gleichzeitig für Audiolith-Musik (Anmerkung:
ich möchte das Label nicht auf diese beiden Bands reduzieren, aber
leider sind es fast die einzigen, die diese Partyfans kennen) – das
alles geht nicht. Es ist heuchlerisch, es ist inkonsequent, es zeigt
fast schon: „Hey Leute, ratet mal wer keine Ideale hat?“ (Nein, ich
übertreibe nicht, ihr müsst euch mal anschauen, mit was für einer
Überzeugung diese beiden Gegensätze verfolgt werden.)
Um noch ein
letztes Wort zur Geschichte zu schreiben: Alle beschweren sich darüber,
dass man so langsam mal vom Nationalsozialismus absehen könnte und
nicht wegen jedem Kleinkram den Zeigefinger hebt. Doch solange es noch
Überfälle von Neo-Nazis gibt, so lange Piraten von „dem Juden an sich“
twittern, sprich so lange das faschistische Gedankengut
nicht ein für alle mal aus den Köpfen gewaschen wurde, darf man ruhig
kritisch gegenüber dem Patriotismus stehen. Und anstatt das Geld für
Fanartikel aus dem Fenster zu werfen, kann man sein Umfeld und sich
selbst über die lokale Fascho-Szene informieren. Dazu gibt es zwar nicht
das passende Dosenbier, doch haben wenigstens alle etwas davon.
als ob!
als ob der weg vom egotronic konzert zur fanmeile so weit wär... sie sollte sich das puplikum das da so gern gegen deutschland ravt mal genauer anschauen: genau die gleiche mentalität und nationalität, nur ohne schwarz rot gold.