Rechter Terror: Die mögliche Verbindung der Täter zum Geheimdienst

Foto: dapd/DAPD Die Neonazis Uwe Mundlos (li
Erstveröffentlicht: 
15.11.2011

Rechter Terror

 

Bei den Ermittlungen gegen die rechte Terrorgruppe werden Zweifel an den Thüringer Sicherheitsbehörden laut. Ausweispapiere weisen auf eine Verbindung zum Geheimdienst hin.

 

Beate Zschäpe wollte ihr bisheriges Leben verbrennen. Nichts sollte mehr von ihrer rechtsextremistischen Vergangenheit mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in der Gruppierung Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) zeugen. Nichts von den von ihnen eiskalt geplanten und durchgeführten sogenannten „Dönermorden“ an acht türkischstämmigen Männern und einem Griechen in den Jahren 2000 bis 2006 und all den brutalen Banküberfällen.

Alles sollte in den Flammen ihrer Wohnung an der Zwickauer Frühlingsstraße aufgehen. Doch ihr Plan geht schief.

 

Die Flammen verschonen wichtige Beweisstücke wie die DVD mit dem Geständnis ihres blutigen Terrors und der Androhung weiterer Attentate. Wie durch ein Wunder bleiben auch jene Papiere unversehrt, die das Trio nun möglicherweise gar mit dem Verfassungsschutz in Verbindung bringen könnten.

Haftbefehl gegen Beate Zschäpe

Inzwischen hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) Haftbefehl gegen die 36-jährige Thüringerin wegen des dringenden Verdachts der Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) erlassen. Damit gab der BGH-Richter einem Antrag der Bundesanwaltschaft statt

 

Die Flammen werfen ein grelles Licht auf eines der dunkelsten Kapitel der Thüringer Sicherheitsbehörden, die in den 90er-Jahren von einem Skandal zum nächsten taumelten.

Es geht um die zweite Hälfte des Jahrzehnts, jene Zeit also, in der die Rechtsextremisten Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt zur Gewalt übergingen. Sie gehören zur Gruppe Thüringer Heimatschutz, deren führender Kopf, Tino Brandt, ein Verbindungsmann (V-Mann) des Verfassungsschutzes ist.

Außer Brandt versucht der Geheimdienst weitere „Heimatschützer“ für Spionagezwecke anzuwerben. Unklar ist, ob die Verfassungsschützer auch auf Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt zugingen.

"Legale illegale Papiere" sichergestellt

Bis heute bestreitet der Verfassungsschutz die drei angeworben zu haben. Die jetzt in dem vom Terror-Trio gemeinsam bewohnten Haus in Zwickau gefundenen Papiere erhärten allerdings den Verdacht, dass es doch eine Verbindung gegeben haben könnte.

Nach Informationen der „Bild“-Zeitung stellten Sicherheitsbeamte in den Trümmern des Hauses sogenannte „legale illegale Papiere“ sicher. So werden von Geheimdiensten für Spionagezwecke ausgestellte Ausweispapiere bezeichnet.

„Solche Papiere erhalten im Regelfall nur verdeckte Ermittler, die im Auftrag des Nachrichtendienstes arbeiten und vom Nachrichtendienst geführt werden. Das heißt: die in enger Zusammenarbeit mit dem Nachrichtendienst agieren“, sagt der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl.

Waren die drei also zugleich Terroristen und V-Leute des Geheimdienstes? Ein ungeheuerlicher Verdacht, der, sollte er sich bestätigen, den Thüringer Sicherheitsapparat in seinen Grundfesten erschüttern würde.

Innenminister Geibert – "Ich habe meine Zweifel"

Der Innenminister des Landes, Jörg Geibert (CDU), jedenfalls hat nun „eine Reihe von Fragen“ an den Geheimdienst, aber auch an die Polizei. Es sei kaum nachvollziehbar, wie das Trio 1998 untertauchen und flüchten konnte.

Auf die Frage, ob die Behörden damals einwandfrei gehandelt hätten, sagt er: „Ich habe meine Zweifel.“ Aus diesem Grund will er am morgigen Dienstag eine Kommission einsetzen, die die Vorgänge von damals durchleuchten soll. An ihrer Spitze werde ein ehemaliger Verfassungsrichter stehen, heißt es in Erfurt.

Untergetaucht ist das Trio Anfang 1998. Im Januar durchsuchte die Polizei mehrere Wohnungen nach Bomben und Sprengstoff, da die drei in Jena mehrere Bomben bzw. Bombenattrappen deponiert und als Brief versandt hatten. Die Beamten stellten rechtsextremistisches Propagandamaterial, vier Rohrbomben und 1392 Gramm TNT-Sprengstoff sicher.

Einer der beiden Männer soll bei einer Durchsuchung sogar anwesend gewesen sein. Festgenommen wurde er allerdings nicht, denn der dafür nötige Haftbefehl wurde erst Tage später ausgestellt, am 28. Januar. Doch da war das Trio bereits abgetaucht.

Wie es zu dieser Panne kommen konnte, wird ebenso Gegenstand der Arbeit der Untersuchungskommission sein wie der Umstand, dass erst 14 Tage später Zielfahnder des Landeskriminalamtes die Ermittlungen aufnahmen. Warum diese Verzögerung?

Direkter Draht zum selbst ernannten "Heimatschutz"

Vollkommen unklar ist zurzeit auch noch, warum der Verfassungsschutz die Spur der beiden Männer und der Frau anschließend verloren haben. Immerhin besaß der Geheimdienst mit Tino Brandt einen direkten Draht zum selbst ernannten „Heimatschutz“.

Fabian Wichmann, Experte für Rechtsextremismus bei der Neonazi-Aussteigerorganisation Exit, wirft den Verfassungsschützern vor, versagt zu haben. „Ich halte es für ein Versagen der deutschen Sicherheitsbehörden, dass so etwas angesichts des großen Sicherheitsapparates möglich ist“, sagte Wichmann der „Welt Online“.

Zudem sei es nur schwer vorstellbar, dass die Terroristen in den vergangenen Jahren keine Kontakte in die rechtsextreme Szene hatten. „Es ist kaum zu glauben, dass das Trio völlig losgelöst von den Neonazi-Strukturen agierte“, so Wichmann.

Den Verfassungsschützern von der Flucht berichtet

Der „Spiegel“ schreibt, Brandt habe den Verfassungsschützern sogar von der Flucht berichtet. Angeblich habe ein „Ralf L.“ sein Auto zur Verfügung gestellt. Ein anderer habe falsche Pässe besorgt. Noch sechs Monate nach ihrem Untertauchen sollen die Rechtsextremisten Kontakt zu ihren Kameraden gehalten haben.

Brandt habe zudem von einem Telefonat mit Mundlos und Böhnhardt berichtet, in dem diese ihre Flucht nach Südafrika angekündigt hätten.

Angeblich soll es in den Akten der Sicherheitsbehörden auch ein zu Beginn des Jahres 2000 aufgenommenes Foto geben. Es zeige, wie die drei in Sachsen-Anhalt unterwegs seien, schreibt der „Spiegel“ weiter. Aber die Observanten seien sich zunächst nicht sicher gewesen. Und als die Identität sicher geklärt war, hatten sie die Spur bereits wieder verloren. Wie konnte es dazu kommen? Was war damals los im Thüringer Verfassungsschutz?

In jenen Jahren fiel der Geheimdienst vor allem durch eigene Affären auf. Im Mittelpunkt stand der damalige Thüringer Behörden-Präsident Helmut Roewer, der den Verfassungsschutz 1994 übernommen hatte. Ihm wurden zahlreiche Fälle von Veruntreuung und teils schwerem Betrug vorgeworfen.

Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft hatte Roewer mehrere dubiose Geschäfte und Firmenneugründungen abgewickelt. Finanziert worden sei dies aus dem Etat des Verfassungsschutzes Thüringen. Außerdem soll er V-Leute, auch in der rechtsextremen Szene, auf eigene Rechnung geführt haben. Beklagt wurde ein undurchsichtiges Netz aus Informanten und Spitzeln.

25.000 D-Mark vom Verfassungsschutz erhalten

Besonders prominent ist der Fall des V-Mannes Thomas Dienel. Neonazi Dienel soll in der Zeit von 1996 bis 1997 insgesamt 25.000 D-Mark vom Verfassungsschutz des Landes erhalten haben. Im Gegenzug lieferte er Informationen über 80 Personen aus der rechtsextremen Szene. Dienel selbst gab an, das Geld in rechtsextremistische Propaganda investiert zu haben. Dieser Skandal führte schließlich zur Roewers Suspendierung im Juni 2000.

Zu einer Verurteilung reichten diese Vorwürfe allerdings nicht. Trotz langjähriger Ermittlungen endete eine Anklage aus dem Jahr 2005 schließlich mit der Einstellung des Verfahrens im März des vergangenen Jahres. Roewer willigte ein, 3000 Euro an gemeinnützige Einrichtungen zu spenden.

Auch die Polizei in Thüringen war damals sehr mit sich selbst beschäftigt. Eine Rotlicht-Affäre im Jahr 1997 kostete den damaligen Präsidenten des Landeskriminalamtes (LKA), Uwe Kranz, und seinen Stellvertreter, Wolfgang Göbel, den Job. LKA und Kripo waren durch Zeugenaussagen ins Zwielicht geraten.

Angeblich hatten Beamte Geld dafür kassiert, dass sie Bordellbetreiber rechtzeitig vor Razzien warnten. Zu allem Überfluss wurde dann auch noch ein Mann zur eingesetzten Sonderkommission gemacht, der offenbar Steuerschulden hatte.

Außerdem soll er zuvor seinen Kripo-Job an den Nagel gehängt und als Geschäftsführer eines Friseursalons gearbeitet haben. Wegen dieser Affäre geriet sogar der damalige Innenminister Richard Dewes (SPD) unter Druck.

"Die Situation ist schon schlimm genug"

All diese Dinge rücken heute wieder unter das Brennglas öffentlichen Interesses. „Die Situation, wie wir sie jetzt haben, ist schon schlimm genug – dass Menschen durchs Land laufen und wahllos morden“, sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU).

Zusätzlich zu der Arbeitgruppe in Thüringen ordnete er eine weitere mit dem Bundesverfassungsschutz an, um die Geschehnisse aufzuarbeiten. Es gehe darum, „eine enge Verzahnung der Erkenntnisse zu gewährleisten“. Friedrich sagte weiter: „Ich gehe davon aus, dass die Generalbundesanwaltschaft sehr zügig die Ermittlungen führen wird.“

Bereits in dieser Woche erwarte er Erkenntnisse über den Sachverhalt, „der sehr untypisch ist für terroristisches Verhalten, weil es ja kein Bekennerschreiben gab, auch kein Berühmen der Täter, der Verdächtigen in der Szene“.

Es sei ungewöhnlich, „dass die Verdächtigen in 13 Jahren nicht ein einziges Mal aufgetaucht sind und als Personen identifiziert werden konnten“. Er will herausfinden, ob es hinter den vier Verdächtigen weitere Personen gibt, vielleicht sogar ein Netzwerk – und wie viele Taten sie wirklich begangen haben.

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