Im Juni 2017 veröffentlichten die “Identitären” einen kurzen Text über ihre sogenannte “patriotische Gegenkultur”. Während zu den Hintergründen der darin erwähnten Zentren in Linz und Graz bereits mehrere antifaschistische Recherchen veröffentlicht wurden, blieben die restlichen Strukturen der NeofaschistInnen bislang in weiten Teilen im Dunklen. Aus diesem Grund wollen wir im Folgenden einen gerafften Einblick in die personelle sowie strukturelle Entwicklung des Wirtschafts- und Propagandaapparats der IB Österreich geben.
Einleitung: Neofaschistische “Gegenkultur” zwischen Versteckspiel und Transparenz- PHALANX EUROPA – Mode von und für NeofaschistInnen
- Publizistik: „Aurea Aetas“, „Identitäre Generation“ und „Megazine“
- Neofaschistische Bilderwelten: Aktions-Fotografie und „Studio.ID“
- IT & Grafikdesign: „KONTRAST WERBEDESIGN“, „MOSAIKWERBEDESIGN“ und
- FAMA LABS
Neofaschistische “Gegenkultur” zwischen Versteckspiel und Transparenz.
Seit einem halben Jahrzehnt ist die neofaschistische „Identitäre Bewegung“ in Österreich aktiv und setzt dabei nicht nur auf politische Aktionen, sondern betont in ihrem Aktivismus auch den gemeinschaftsfördernden Aspekt. Solche gemeinschaftsstiftende Aktivitäten, die vor allem jugendliche Rechtsextreme ansprechen, unterscheiden sich allerdings kaum vom Angebot weiterer oder früherer MitbewerberInnen des außerparlamentarischen Rechtsextremismus: Stammtische, militärisch organisierte Sommerlager, Schulungen, Kampfsport – in Summe bei den „Identitären“ verklärt zum wehrhaften „Ibster-Lifestyle“. Dass bei politischen Aktionen ein gemeinschaftstiftender Aspekt adressiert wird, ist somit kein ausschließliches Merkmal der IB.
Vergleichsweise neu hingegen ist der postmoderne Zugang der „Identitären“ zur politischen Aktion: Nicht die Tat selbst stellt die Intervention in den politischen Diskurs dar, sondern erst dessen mediale Rezeption. Um diese Präsenz zu gewährleisten, wurde ein verhältnismäßig professioneller Propgandaapparat aufgebaut, dessen Bilder und Texte auch außerhalb der rechtsextremen Filterblase von unkritischen Medien reproduziert werden. Dabei macht sich die IB jenen Denkfehler der bürgerlichen Logik zunutze, der ‚Öffentlichkeit‘ mit ‚Rechtmäßigkeit‘ verwechselt und versucht so über scheinbare Transparenz, ihre menschenfeindlichen Agenden zu legitimieren und in legale Strukturen zu verpacken. Dementsprechend wurde die kategorische Verschlossenheit außerparlamentarischer rechtsextremer und neonazistischer Gruppen, in denen viele „identitäre“ Führungskader ihre politischen Wurzeln haben, in eine penetrante Offenheit gekehrt und dabei gleichzeitig die Sprache verklausuliert: So können die Inhalte der ideologischen Ziehväter und –mütter zwar im modernisierten Format, aber ohne wesentliche Abstriche in aalglatten geschönten Phrasen und mit dem Habitus autoritärer RebellInnen in den Mainstream transportiert werden.
Wie der im Juni veröffentlichte Beitrag der IB zeigt, hat diese demonstrierte Transparenz jedoch sehr schnell ihre Grenzen: Da es trotz der guten Netzwerke in der österreichischen und europäischen bzw. eurasischen extremen Rechten den „Identitären“ bisher nicht möglich war, verlässliche ökonomische Strukturen innerhalb des eigenen ideologischen Spektrums aufzubauen, sind sie immer wieder auf unkritische oder unwissende GeschäftspartnerInnen angewiesen, die aus Imagegründen ungern öffentlich mit der IB in Verbindung gebracht werden möchten. In diesem Bereich sind die „Identitären“ daher gezwungen, auf Etikettenschwindel und Verschleierungstaktiken zu setzen – somit das genaue Gegenteil ihrer sonstigen Outing-Manöver, mit denen sie sich an die Öffentlichkeit wenden -, um die Verbindung von Finanzquellen zur IB zu vertuschen.
Dass genau die Zusammenarbeit der „Identitären“ mit nicht einschlägigen Finanzunternehmen ihren vulnerablen Punkt bildet, zeigt eine Reihe von Kontokündigungen durch Paypal oder die Steiermärkische Sparkasse, die sowohl dem „Verein für nachhaltige Völkerverständigung und Jugendarbeit“ das Spendenkonto der IBÖ und als auch dem „Defend-Europe“-Projektkonto mit dem Kontowortlaut „VzEuFdkI“ den Saft abdrehten. Die letztere kryptisch wirkende Kontobezeichnung ist ein Anagram des „Vereins zur Erhaltung und Förderung der kulturellen Identität“, dem bereits in den vergangenen Jahren mehrere Konten durch diverse österreichische Bankinstitute gekündigt wurden. Nach Selbstauskunft Lenarts ist es der IB nun bei „keiner einzigen österreichischen Bank mehr möglich ein Konto zu führen“i – abgesehen allerdings von den bisher unbeachteten Guthaben bei inländischen Finanzunternehmen, die wir in diesem Artikel noch dokumentieren werden. Zusätzlich beendete der Webhost „Domainfactory“ die Zusammenarbeit mit der IB, wodurch ihre Website im Juli 2017 mehrere Wochen offline war – eine „digitale Vernichtung“ii, wie Martin Sellner eingestand. Für die Finanzierung der „Defend Europe-Kampagne“iii konnte die IB zwar auf die einschlägige Fundraising-Plattform „wesearchr“ ausweichen, musste dabei allerdings 15% ihrer Spenden an die BetreiberInnen abgeben.iv Es zahlt sich somit durchaus aus, hinter die Fassade der angebliche „Gegenkultur“ der NeofaschistInnen zu blicken und Licht in die organisatorischen und personellen Strukturen des „identitären“ Propagandaapparats und der damit verbundenen Netzwerke zu bringen.
PHALANX EUROPA – Mode von und für NeofaschistInnen
Das bekannteste und vermutlich erfolgreichste Projekt aus den IB-Stukturen ist „Phalanx Europa“. PHXE Creative OG, wie die dahinterstehende Firma korrekt heißt, wurde 2013 von Patrick Lenart (Akad. F! Wielandstaufen) als Geschäftsführer und Martin Sellner (Univ. S! Barden zu Wien) in der Funktion des Gesellschafters, als Merchendise und Modelabel für AktivistInnen und SympathisantInnen der IB gegründet. Durch Lenarts Umzug aus der Steiermark nach Oberösterreich verlagerte sich auch der Firmensitz von der Hilgergasse 1, 8010 Graz, in den Ansgerweg 4, 4209 Engwitzdorf, das Firmenkonto besteht jedoch weiterhin unter der Bezeichnung PHXE (IBAN: AT05 1952 0002 0050 2029) bei der Kretschker-Privatbank in Graz.
Vertrieben werden die Produkte von Phalanx Europa hauptsächlich über die eigene Hompepage sowie jene der IBÖ und bei einschlägigen Veranstaltungen wie z.B. Kongressen der extremen Rechten. Kern der Firma ist die selbstdesignte Modelinie, die neben dem gemeinschaftsstiftenden Charakter auch zur Popkulturalisierung der neofaschistischen Ideologie beitragen soll. Gleichzeitig finanziert sie die politische Arbeit von Martin Sellner und Patrick Lenart als Bundesleiter der IB und festigt deren führende Position innerhalb der rechtsextremen Gruppe. Eine zentrale Rolle in der Produktionskette nimmt die ungarische Firma PROFILOGO ein (Mária utca 32/2, Miskolc, Inhaber: Balázs „Balla“ József), welche die Kleidung im Auftrag von PHXE Creative OG herstellt.
„Phalanx Europa“ fungiert zudem als Reseller der IB-KooperationspartnerInnen wie des Linzer Magazins „Info direkt“ v oder von Literatur aus dem Netzwerk um den Verlag “Antaios” von Götz Kubitschek und bietet in geringem Ausmaß auch Tonträger von diversen Bands aus dem Neofolk-Spektrum an. Weitere Kooperationspartner sind einschlägige Musiker aus dem militanten Rechtsextremismus bis Neonazismus wie Sascha Korn (Brandenburg), über den die Antifa Recherche Wien bereits berichtete, oder „Chris Ares“ alias Christoph Zloch aus Ebersberg (Oberbayern). Zloch selbst ist Teil des „Bündnis deutscher Patrioten“ und kooperiert seit längerem mit der IB bzw. „Kontrakultur Halle“ sowie der AfD. Erst im September 2016 wurde Zloch fotografiert, als er im Rahmen einer AfD-Wahlparty in München mehrere AntifaschistInnen und JournalistInnen mit Schlägen und Tritten attackierte. Während für seine Musik auf das Spendenkonto von Philipp Steins (B! Germania Marburg) „Initiative EinProzent“ verwiesen wird, werden T-Shirts und Pullover momentan exklusiv von „Phalanx Europa“ produziert und vertrieben. Ein weiterer Kooperationspartner von „Phalanx“ ist die 2017 gegründere Marke „Radical Esthétique“ bzw. der dahinter agierende Franz Reißner (IB Zwickau/Sachsen). Reißners Illustrationen, die auch für Buchcover von Steins „Jungeuropa Verlag“ Verwendung finden, beziehen sich symbolisch direkt auf den historischen Faschismus in Italien und Spanien. Dabei scheint er um besondere Deutlichkeit bemüht zu sein und markiert seine Darstellungen der spanischen Falanage und Fasces mit Hashtags wie „#fascism“ bzw „#fascisme“ oder „#fascismo“, um keine Zweifel über den bewussten Kontext seiner ideolgogischen Bezüge zu lassen.
Publizistik: „Aurea Aetas“, „Identitäre Generation“ und „Megazine“
Relativ zeitgleich mit PHXE Creative OG baute Alexander Markovic (B! Olympia) im Herbst 2013 den „Aurea Aetas“-Verlag als Medienunternehmen der IBÖ auf, welcher der erste identitäre Verlag im deutschsprachigen Raum werden sollte. Als Ziel wurde – gewohnt großspurig – gleich die „Identitäre Revolution“ verlautbart. Was nach Sturm klang, stellte sich jedoch als Lüftchen heraus und das Projekt wurde nach wenigen Monaten wieder eingestellt. Innerhalb des kurzen Bestehens verlegte das Unternehmen lediglich eine Übersetzung des russischen Neofaschisten Alexander Dugin, ein Werk der rechtsextremen Publizisten Philipp Stein (B! Germania Marburg) und des „Blaue Narzisse“-Chefredakteurs Felix Menzel (p.B! Theodor Körner zu Chemnitz), sowie die einzige Printnummer des von der „Identitären Generation“ (IG) herausgegebenen Magazins „Aufbruch“.
Die „Identitäre Generation“ war ein ebenfalls 2013 gegründetes Online-Magazin und stellte, abgesehen von den Auftritten in sozialen Medien und der Homepage, das zentrale publizistische Organ der IB dar. Die redaktionelle Leitung und mit ihr der Sitz der „Identitären Generation“ verlagerte sich im Frühjahr 2015 von Patrick Lenart (damals Hilgergasse 1, 8010 Graz) zu Alexander Markovic (Schelleingasse 26/1/6/19, 1040 Wien). Damit einhergehend wechselte Markovic vom Obmann des identitären Vereins zum Leiter und Sprecher der „Theoriegruppe der IBÖ“, auch „AG Theorie“ genannt, deren zentrale Aufgabe in der Produktion von Beiträgen für das Online-Magazin zu bestehen schien.
Nach dem Ausscheiden von Markovic aus der IBÖ und der Verlagerung seiner politischen Tätigkeiten zum „Ring Freiheitlicher Studenten“ (RFS) Wien, verschwand die AG-Theorie von der Website der IBÖ und die Seite der IG befindet sich seit Frühjahr 2017 im komatösen Wartungsmodus, aus dem sie nie wieder erwachen wird. Stattdessen soll die IG durch ein neues Projekt, das „MEGAzine“, ersetzt werden. So wurde etwa der Twitter-Account der IG bereits auf „MEGAzineEuropa“ umbenannt.
Bestätigt
ist bisher die führende Beteiligung von Julian Utz an dem sog.
„patriotischen Lifestyle-Magazin“, einem bekannten Kader der IB und der
AG-Theorie, der die Website der neuen Publikation registriert hat und
als Administrator eingetragen ist. Allerdings bleibt abzuwarten, in
welchem Ausmaß „MEGAzine“ als Folgeprojekt der IG weitergeführt werden
kann, zeichnete sich doch vor allem Markovic für die Textproduktion
verantwortlich. Obwohl 27 AutorInnen im Zeitraum von Mai 2015 bis
Frühjahr 2017 für die IG tätig waren, stammen rund 30% der uns bekannten
120 Beiträge von Markovic.vi Erst mit großem Abstand folgen in der Rangliste Siegfried Waschnig
(ehem. Vorstandsmitglied des IB-Vereins und parlamentarischer
Mitarbeiter des freiheitlichen NR-Abgeordneten Axel Kassegger aus der B!
Germania zu Graz) und Daniel Fiß mit jeweils 9 Artikeln; der
Durchschnitt liegt pro AutorIn bei gerade mal 4,4 Beiträgen – also etwa
einem Zehntel der Textproduktion von Markovic. Da bekannte Kader der
IB/IG wie Alina Wychera (alias „von Rauheneck“), Stefan Juritz (B!
Marko-Germania Graz), Patrick Lenart und eben Siegfried Waschnig
inzwischen als regelmäßige (Gast)AutorInnen im ideologisch den
„Identitären“ nahestehenden Magazin „Info Direkt“v
tätig sind, ist es fraglich, ob durch das „MEGAzine“-Projekt neue
Ressourcen erschlossen oder bloß innerhalb rechtsextremer Medien
verschoben werden.
Neofaschistische Bilderwelten: Aktions-Fotografie und „Studio.ID“
Eine wesentliche Rolle spielen in der Medienarbeit der „Identitären“ die von ihnen produzierten Bilder: Die Veröffentlichung interner Unterlagen, die AntifaschistInnen in Memmingen (Deutschland) in die Hände gefallen waren, zeigt, dass die angebliche Spontanität identitären Aktionismus bereits Teil ihrer Propaganda ist. Tatsächlich dienen die genau und von oben geplanten Aktionen in erster Linie dazu, die Bilder zu schaffen, mit denen die neofaschistischen Inhalte in die Medien transportiert werden sollen. Selbst die Motive der Bilder müssen den zentral vorgegebenen Stereotypen – „Macht“, „Trotz“ und „Zuneigung“ – entsprechen.vii
Während kleinere Aktionen meist mit Bodycams durch beteiligte AktivistInnen selbst fotografisch festgehalten werden, sind bei Aktionen, von denen ein größerer Nachrichtenwert erhofft wird, professionelle Medienteams im Einsatz. In der Steiermark konnte vor allem Simon Grubmüller wiederholt beim Versuch beobachtet werden, den identitären Aktionismus ins sprichwörtlich rechte Licht zu rücken. Der bislang eher unbekannte Grubmüller ist seit spätestens Februar 2014 in der IB Steiermark aktiv, sein aktionistisches Reportoire reicht dabei von Störaktionen von Buchpräsentationen und der Teilnahme an Demonstrationen bis zum erwähnten Medienaktivismus, wobei er auch als als Anti-Antifa Fotograf aktiv ist.
Der wohl bekannteste und aktivste Fotograf der IB-Strukturen ist jedoch der Wiener Fabian Rusnjak (US! Barden zu Wien). Das ehemalige Vorstandsmitglied des IB-Vereins beteiligte sich mit Philipp Huemer (Leiter IB-Wien), Dominic Hacker und Oliver Göltl im Januar 2016 in Graz bei einem bewaffneten Angriff auf Antifaschist*innen, wobei zuvor beobachtet wurde, wie Hacker, Göltl und Grubmüller gemeinsam jene AktivistInnen ausspähten, die später attackiert wurden. Sowohl Huemer als auch Rusnjak sind maßgeblich in den Aufbau des identitären Medienprojekts „Studio.ID“ involviert: Dabei soll in einem Altbau im (angeblich) zweiten Wiener Gemeindebezirk ein Filmstudio zur weiteren Professionalisierung der Propagandavideos entstehen, wobei fraglich ist, ob die Struktur nicht zusätzlich für kommerzielle Zwecke genutzt werden soll, um zur Finanzierung der neofaschistischen Gruppe beizutragen.
Entsprechende Netzwerke zu potentiellen KundInnen bestehen bereits: So bewegen sich Rusnjak und Grubmüller als Fotografen nicht nur im einschlägigen, sondern auch im zahlungskräftigen Umfeld der „Identitären“. Rusnjak war etwa 2017 als Wahlkampfbegleiter der FPÖ, konkret des Grazer Vizebürgermeisters Mario Eustacchio (B! Stiria) und des Gemeinderats Armin Sippel (B! Marko-Germania) aktiv.viii Grubmüller war als Fotograf beim 120. Stiftungsfest der Grazer B! Marko-Germania im Juni 2017 engagiert. Zu den Höhepunkten dieses Stiftungsfestes zählte übrigens eine Rede des Grazer Verlegers Wolfgang Dvorak-Stockers über „Nationale Identität heute und morgen“, in der er in deutschnational-völkischer Diktion über die „Bedrohung des deutschen Volkes in seiner physischen Existenz“ referierte. Eine weitere Rede stammte vom identitären Aktivisten und ehemaligen RFJ- Bezirksleiter Stefan Juritz, im Publikum waren u.a. Luca Kerbl, ehemaliger freiheitlicher Bezirksobmann und Leiter der IB Steiermark, sowie der bereits erwähnte FPÖ-Gemeinderat Armin Sippel anzutreffen.
IT & Grafikdesign: „KONTRAST WERBEDESIGN“, „MOSAIK WERBEDESIGN“ und „FAMA LABS“
Dass Strukturen der „Identitären“ zugleich der eigenen Propagandatätigkeit und einer kommerziellen Nutzung dienen, scheint sich innerhalb der rechtsextremen Organisation immer mehr zu etablieren, wie ein Blick nach Halle/Saale zeigt, wo die ökonomischen Projekte von Andreas Lichert auffällige Verbindungen zu Martin Sellner aufweisen.
Lichert entwickelte sich in Deutschland zu einer der zentralen Personen an der Schnittstelle zwischen AfD Hessen (als Beisitzer im Landesvorstand und Kandidat auf Listenplatz 7 für die Bundestagswahlen), dem „Institut für Staatspolitik“ (als Vorsitzender des Vereins für Staatspolitik e.V., dem Träger des IfS) und außerparlamentarisch organisierten Gruppen wie der IB, die sich in der von Lichert betriebenen „Projektwerkstatt Karben“ trafen. Zusätzlich zu dieser offenen politischen Arbeit ist Lichert als Unternehmer tätig und gründete im Dezember 2016 die „Lichert Gmbh“ (Ringstraße 26, 61231 Bad Neunheim, Hessen) für „Beratungs- und Dienstleistungen für Unternehmen im EDV-Bereich“.
Neben Marken wie „ECOfaktum“ und „Kellerkraftwerk“, die im Energiesektor tätig sind, gehört auch die Marketingfirma „Mosaik Kommunikation“ zur Lichert-Gruppe, die einen fixen Teil der rechtsextremen Infrastruktur bildet: Sitz von Mosaik Kommunikation ist das Haus Adam-Kuckhoff Straße 16 in Halle/Saale. Wie Recherchen des Projekts SACHSEN-ANHALT RECHTSAUSSEN zeigen, wurde das Haus im Januar von der Titurel-Stiftung, als dessen Ansprechpartner Andreas Lichert fungiert, gekauft und dient Kadern der militanten identitären Gruppe „Kontrakultur Halle“ als Wohn- und Kulturprojekt. Unter diesen AktivistInnen befindet sich Simon Kaupert (Aktivist der Initiative EinProzent, Gründer des Pegida-Abelegers „WÜGIDA“ und 2015 Teilnehmer des Pfingstlagers der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“), der bereits 2016 gemeinsam mit Martin Sellner ein Video für die AFD-Abgeordnete Sarah Sauermann produzierte und nun als Domaininhaber der Firmenwebsite von Licherts „Mosaik Kommunikation“ fungiert.
Interessanterweise wurden mehrere Dateien der Webseite über die österreichische Domain „kontrast-werbedesign.at“ hochgeladen, welche seit 2017 auf Martin Sellner registriert ist. Ebenfalls auf Sellner registriert ist die österreichische Website „mosaik-werbedesign.at“, welche den Untertitel „Werbung für alle – Werbung nach Maß“ trägt. Obwohl bislang offiziell keine Firmen in Zusammenhang mit diesen beiden Domains eingetragen sind, deuten die Domainregistrierungen und Querverweise im Quelltext von Mosaik-Kommunikation auf kommerzielle Aktivitäten im Grafik-Sektor hin. Zudem gab es bereits – abgesehen von PHXE Creative – eine Firmengründung durch Sellner im IT/Grafik-Bereich:
FAMA LABS OG ist oder vielmehr war eine Mitte Januar 2017 von Martin Sellner (Eigentümer) und Michael Matthias Wagner
als Gesellschafter (EDV-Beauftragter am Institut für
Politikwissenschaften der Uni Wien mit Verbindungen zum C! Hansea)
gegründete IT-Firma, die in den Bereichen Softwareentwicklung,
Grafik-Design und IT-Sicherheit arbeitet(e). Zentrales Projekt der Firma
war bzw. ist die Entwicklung der App „Patriot Peer“, einer
Vernetzungsapp für SympathisantInnen der IB und anderer AkteurInnen der
internationalen extremen Rechten. So informiert ein veröffentlichter
Screenshot des Terminkalenders der App über die identitären Stammtische,
Veranstaltungen der FPÖ, der AfD, des französischen „Front National“
sowie über den US-amerikanischen konservativen CPAC-Kongress, welcher
sich zunehmend für die extreme Rechte öffnete. Kündigte Sellner noch bei
der Jahreskonferenz der IBÖ Ende Januar 2017 im Hotel Weizer in Graz
an, dass die App in wenigen Wochen fertiggestellt und zum Download
angeboten würde, entpuppte sich dies ein halbes Jahr später als klare
Fehleinschätzung, da nach wie vor kein Datum der Markteinführung bekannt
gegeben wurde. Einem Bericht der Recherche Wien,
folgend wurde FAMA LABS OG überhaupt Mitte 2017 bereits wieder aus dem
Handelsregister gelöscht. Dennoch spiegelt sich gerade in Projekten wie
Patriot Peer bzw. FAMA LABS die aktuelle Tendenz der „Identitären“
wieder, vermehrt auf langfristige Projekte durch SpezialistInnen mit
vergleichsweise hohem finanziellen Aufwand im fünfstelligen Bereich zu
setzen.ix
Ob die von Sellner im Jahr 2017 registrierte Domain „rechte-fakten.com“
ebenfalls mit einem weiteren Großprojekt verbunden werden soll, bleibt
abzuwarten.
Das medienträchtige Bild der „Identitären“ als einer patriotischen jugendlichen, aktionistischen Gemeinschaft entpuppt sich jedenfalls immer als virtuelle Inszenierung, hinter der ein ökonomisch potenter und inhaltlich autoritär agierender Propagandaapparat steht, dessen alleiniger Zweck es ist, die rechtsextreme Agenda als Medienevent in der breiten Öffentlichkeit zu verankern.
i info-direkt.eu/2017/08/01/der-start-von-defendeurope-die-ganze-geschichte/ [05.07.2017]
ii Martin Sellner in einem Facebook-Live Video vom 10.7.2017 um 22.51 Uhr
iii Defend Europe wird als Gemeinschaftsprojekt identitärer Stukturen und Kader aus Österreich, Deutschland (insb. Kontrakultur Halle), Italien (Generazione Identitaria) und Frankreich (Génération Identitaire) inszeniert, um gemeinsam gegen humanitäre Hilfsschiffe und NGO‘s an der sizilianischen Küste zu kampagnieren und aktiv vorzugehen.
iv Vgl. http://www.cnbc.com/ [05.07.2017]
v Das Linzer Zweimonats-Magazin und Online-Medium „Info direkt“ gilt als Nachfolgeprojekt des neonazistischen „Bundes freier Jugend“ (BfJ) in Kooperation mit der rechtsextremen „Österreichischen Landsmannschaft“ (ÖLM), deren Vierkanthof der Sitz des Herausgebervereins (Verein für Meinungsfreiheit und unabhängige Publizistik, Ellbognerstraße 60, 4020 Linz) ist. Wenngleich „Info direkt, welche auch – für den österreichischen Rechtsextremismus typisch – enge Kontakte zur FPÖ unterhält, nicht als unmittelbares „identitäres“ Projekt zu betrachten ist, gilt es als verlässliche Kooperationspartnerin der IBÖ und als Werbeträger für „Phalanx Europa“.
vi Zusätzlich zu den 39 namentlich gekennzeichneten Artikeln von Markovic sind drei weitere mit „Redaktion“ gezeichnete Beiträge vermutlich ebenfalls ihm als Chefredakteur zuzurechnen.
vii Laut identitären Vorgaben wird „Macht“ durch „Massen und Fahnen“, „Trotz“ durch “wenige Aktivisten, die sich mutig einer Masse von Feinden widersetzen“ und „Zuneigung“ durch „Bilder von kulturellen Veranstaltungen mit jungen Menschen (Frauen), die eine positive Ausstrahlung haben“ umgesetzt.
viii vgl. http://derstandard.at/
ix Eine ausführliche Einschätzung veröffentlichte die Antifa Recherche Wien. Eine kritische Beschreibung der App sowie ihrer Funktionen (wenn auch mit einer politisch ungenauen Kategorisierung) findet sich unter http://belltower.news/
Sagittarius
Die Naziband im Schaubild "Phalanx Europa", Unterpunkt "Wiederverkauf Musik" sollte "Sagittarius" heißen.