Grünes Prestigeprojekt gescheitert: Polizisten bleiben inkognito

Erstveröffentlicht: 
26.11.2015

Die Kennzeichnungspflicht für Polizisten ist ein Prestigeprojekt der Grünen in Baden-Württemberg. Doch bis zur Wahl wird daraus nichts mehr - was alle anderen Parteien im Landtag freut.

 

Reinhold Gall (SPD) hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass die Kennzeichnungspflicht für baden-württembergische Polizisten keine Herzensangelegenheit von ihm ist. Nun hat er sich durchgesetzt - in dieser Legislaturperiode wird es kein entsprechendes Gesetz geben. Stattdessen haben sich SPD und Grüne darauf verständigt, einen unabhängigen Bürger-und Polizeibeauftragten einzusetzen. Bei diesem können sich die Bürger beschweren, wenn sie sich von Behörden und Polizei ungerecht behandelt fühlen.

 

Für die Grüne Jugend ist das ein fauler Kompromiss. Landessprecherin Lena Schwelling griff Gall hart an, weil er das im Koalitionsvertrag Vereinbarte nicht umsetze: "Solche Wortbrüche machen die SPD langfristig zu einer 15-Prozent-Partei." Die Grüne Jugend will die Landtagsfraktion ihrer Mutterpartei nun auffordern, einen eigenen Gesetzentwurf zur Kennzeichnungspflicht vorzulegen. Für den Fall, dass Grün-Rot nach der Landtagswahl im kommenden Jahr weiterregieren kann, mahnte sie: "Wir müssen nach 2016 darauf achten, dass das Innenministerium grün geführt wird." Gall seien die grünen Projekte im Koalitionsvertrag egal.

 

Widerstand auch bei der Polizei

 

Etwas zurückhaltender bewerten grüne Landtagsabgeordnete den Fall. Innenexperte Uli Sckerl sagte, die Polizei sei in seltener Geschlossenheit dagegen: "Das müssen wir einfach zur Kenntnis nehmen." Sein SPD-Kollege Nikolaos Sakellariou sagte im SWR, er persönlich sei der Überzeugung, dass eine Kennzeichnung von Polizisten nicht mehr in die Zeit passe. Angesichts aktueller Herausforderungen bräuchten die Beamten "kein Misstrauen, sondern unsere volle Unterstützung", sagte der SPD-Innenpolitiker.

 

Damit liegt er ganz auf Linie der FDP: Auch der liberale Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke begrüßt das Aus der Kennzeichnungspflicht. In diesen Zeiten brauche die Polizei kein Misstrauensvotum der Politik, sondern einen Vertrauensbeweis. Für CDU-Fraktionschef Guido Wolf ist die Entscheidung gegen die Kennzeichnungspflicht ein weiterer Beleg dafür, dass aus der einstigen gün-roten Liebesheirat eine zerrüttete Beziehung geworden sei.

 

Auslöser für die Debatte war der "Schwarze Donnerstag"

 

Ursprünglich hatten Grüne und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, Polizisten auf den Uniformen mit individuellen Kennzeichen zu versehen. Auf diese Weise sollen sich nach möglichen Übergriffen von Beamten die Täter leicht ermitteln lassen. Anlass für diese Überlegungen war der Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner im Stuttgarter Schlossgarten am 30. September 2010, bei dem über hundert Menschen durch Wasserwerfer und Pfefferspray verletzt wurden.

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Stuttgart – Kennzeichnungspflicht für Polizisten kommt zunächst nicht

 

Die eigentlich geplante Kennzeichnungspflicht für Polizisten kommt in dieser Legislaturperiode nicht mehr. Damit können die Grünen eines ihrer wichtigsten Projekte zunächst nicht umsetzen. Vor allem die Grüne Jugend ist sauer und drischt auf den SPD-Innenminister ein.

 

"Solche Wortbrüche machen die SPD langfristig zu einer 15-Prozent-Partei." Grüne und SPD hatten in ihrem Koalitionsvertrag von 2011 eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten vereinbart. In der Regierungskoalition glaubt allerdings niemand mehr daran, dass sie bis zur Landtagswahl im März 2016 noch umgesetzt wird.

Gall hatte wiederholt erklärt, dass das Projekt für ihn keine Herzensangelegenheit sei. Große Widerstände gibt es auch in der Polizei. Statt der Kennzeichnungspflicht soll nun ein Bürger- und Polizeibeauftragter kommen. Ihn könnten Bürger bei Übergriffen durch Einsatzkräfte anrufen, um interne Ermittlungen anzustoßen.

Die Grüne Jugend gibt die Hoffnung aber nicht auf. Sie will die grüne Landtagsfraktion nun auffordern, einen eigenen Gesetzentwurf zur Kennzeichnungspflicht vorzulegen. "Das werden wir mit Nachdruck fordern", sagte Schwelling. Für den Fall, dass Grün-Rot weiterregieren kann, mahnte sie: "Wir müssen nach 2016 darauf achten, dass das Innenministerium grün geführt wird." Gall seien die grünen Projekte im Koalitionsvertrag egal. "Wer auf den Koalitionsvertrag pfeift, verhält sich nicht, wie man das als Minister sollte."


Südwestpresse/dpa, 26.10.2015