In Berlin gibt’s mal wieder Brot und Spiele. Anlässlich der „Wiedervereinigung“ Deutschlands gibt’s u.a. ein großes Volksfest am Brandenburger Tor. Und unter dem Motto „Grenzen überwinden“ feiert Deutschland zeitgleich seinen Nationalismus. Wie sehr dieser Nationalismus die reale Überwindung von Grenzen behindert, zeigt u.a. die politische Debatte um die aktuelle Verschärfung des Asylrechtes.
Hilfsbereitschaft nur mit Nationalismus
Nachdem nach Europa flüchtende Menschen mit Protestmärschen auf ungarischen Autobahnen im Alleingang die bestehenden rassistischen Grenzkontroll- und Abschiebemechanismen vorläufig außer Kraft setzten, schlägt den hier Ankommenden eine ungeahnte Welle der Hilfsbereitschaft entgegen. Doch nicht einmal Menschlichkeit bekommen Deutsche ohne Nationalismus gebacken. Das sieht man daran, dass die Notwendigkeit der humanitären Hilfe regelmäßig mit Nationalismus begründet wird. So sagte Angela Merkel am 31.8.2015 anlässlich der Aufnahme von Refugees aus Ungarn: „Deutschland ist ein starkes Land (…). Das Motiv, mit dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft, wir schaffen das. Wir schaffen das, und wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden.“
Gewalt ist nur schlimm, wenn die Nation leidet?
Dank nationalistischer Denkmuster sind auch brandstiftende Nazimobs in Deutschland kein Problem an sich. So spricht der Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) angesichts der gerade stattfindenden Welle von Brandanschlägen auf AsylbewerberInnenunterkünfte von einer „Schande (…)“ die „peinlich für unser Land“ sei. Das es für die Betroffenen auch einfach unangenehm sein könnte, angezündet zu werden, ist für Deutsche offensichtlich kein Problem. Problematisch ist das Anzünden von Menschen nur, weil es international das Image der deutschen Nation versauen bzw. ins richtige Licht setzen könnte.
Nationalistische Hilfe hilft nicht
Doch wie schnell mit Nationalismus begründete Humanität kippen kann, sieht man an der aktuellen Debatte um die erneute Verschärfung des Asylrechtes. Parteienübergreifend gibt es einen Konsens, die ohnehin schon geringen Leistungen im Asylverfahren zu kürzen und diese zudem in stigmatisierende Gutscheinen auszuzahlen. Darüber hinaus soll mit der Wiedereinführung der Residenzpflicht für nicht zum deutschen Volkskörper gehörende Menschen ausgerechnet die mit der Wiedervereinigung erkämpfte Freizügigkeit abgeschafft werden. Und Abschiebungen sollen „beschleunigt“ werden: U.a. dadurch, dass sie den Betroffenen nicht angekündigt werden. Und die Sphäre der angeblich „sicheren Drittstaaten“ wird auf die halbe Welt ausgeweitet. Und auch hier ist die Argumentation wieder explizit nationalistisch. „(...) wir“ (sind) „gezwungen, zu unterscheiden zwischen denen, die vor Krieg fliehen und um ihr Leben fürchten, und denen, die bei uns ein besseres Leben suchen. Wir können die Aslystandards nicht halten“ sagt z.B. der Tübinger Bürgermeister Boris Palmer (Grüne). „Jetzt müssen wir uns aber eingestehen, dass auch die deutsche Gesellschaft an eine Belastungsgrenze kommt (…) Die Schmerzgrenze der ganzen deutschen Gesellschaft wird sich bald zeigen.“
Zugehörigkeit über Ausschluss
Die Beispiele zeigen deutlich, wie Politik und Gesellschaft in D-Land ticken. Ohne Nationalismus geht hier gar nichts. Nicht einmal nett sein. Im Gegenteil. Nationalismus eine Ideologie ist, die eine Zugehörigkeit zur Gesellschaft über den Ausschluss anderer definiert. Welche Folgen das hat, kann man am 3. Oktober besichtigen. An dem Tag wird auf der einen Seite die Öffnung der deutschen Grenzen und die mit der Einverleibung der DDR dazugekommenen Menschen gefeiert. Und im selben Atemzug wird daran gearbeitet, die gerade erst geöffneten Schengen-Grenzen wieder zu schließen und die gerade erst neu dazugekommenen Menschen wieder abzuschieben. Und den wenigsten kommt diese Absurdität absurd vor. Das Beispiel zeigt deutlich, was für einen Quatsch Menschen reden, in deren Köpfen sich die unsägliche Ideologie des Nationalismus erst einmal festgesetzt hat.
Kein Protest?
Auch wenn es dieses Jahr in Berlin keine Mobilisierung gegen den Einheits-Quarl zwischen Brandenburger Tor und Reichstag gibt, gibts zum Glück in der Hauptstadt genug anderes Programm. Reinfeiern kann man bei der Soli-Party "Vater.Land.Verrat." am Fr. 2.10. im Lauschangriff. Und wer dann am 3.10. frische Luft beim Auskatern braucht, ist ab 14h an der U Märkisches Museum zum Antimilitaristischen Stadtspaziergang eingeladen. Unter dem Motto ""Vom 3. Oktober bis zum Kosovo" wird die seit 1990 stattgefundene Militarisierung thematisiert, die aktuellen Einsatzorte der Bundeswehr in Erinnerung gerufen und von der Geschichte des antimilitaristischen Widerstands erzählt.
Mehr Infos:
Protest-Mobi gegen die zentrale Einheitsfeier in Frankfurt/Main:
http://www.grenzenueberwinden.de/
Die aktuellen Änderungen des Asyl-Unrechts im Detail:
https://www.tagesschau.de/inland/asylrecht-abschiebungen-101.html
Aus Protest gegen Asylrechtsverschärfung Bühne bei der SPD gekapert:
http://maqui.blogsport.eu/2015/06/30/refugees-welcome-veranstaltungs-kaperung-bei-der-spd/
Kritik an Nationalismus:
https://linksunten.indymedia.org/de/node/153362
Mehr aktuelle Analysen:
http://maqui.blogsport.eu/theoretisches-praktisch/
Militarisierung auf Wunsch
Die Liste der aktuellen Auslandseinsätze der Bw kann man sogar ganz bequem und mit Hochglanz-Werbung auf deren Webseite anschauen, kein Link hier dazu. Schaut mensch die an, stellt mensch fest, dass die allermeisten durch ein UN-Mandat erwünscht sind. Einige wenige durch ein EU-Mandat, und insbesondere der Einsatz im Autonomen Gebiet Kurdistand auf Wunsch der kurdischen Peschmerga.
Mehrheit gut?
Mal abgesehen von der Frage, ob es methodisch angemessen ist, Desinteresse als stille Zustimmung zu werten, stellt sich die frage, ob politische Entwicklungen gut sind, nur weil eine Mehrheit sie wollen würde. Vielleicht fällt dir da selber ein Gegenbeispiel ein, wenn du mal an den bekanntesten Ex-Politiker von D-Land denkst...