Gegen den „Christlichen Gesundheitskongress“ in Bielefeld!
Vom 27. bis zum 29. März 2014 soll in der Bielefelder Stadthalle gegenüber vom Hauptbahnhof der „4. Christliche Gesundheitskongress“ stattfinden. Hier vernetzt sich ein bürgerliches Spektrum von Christ*innen verschiedener Konfessionen mit reaktionären, patriarchalen und sexistischen Fundamentalist*innen. Anlass genug, auf den folgenden Seiten einige Hintergrundinformationen und Kritik am Kongress und dessen Inhalten zu liefern. Dieser erste und sicher nicht abschließende Einblick in Strukturen und Ideologien der Organisationen hinter Veranstaltung soll zum Nachdenken und Handeln anregen.
Was ist der „Christliche Gesundheitskongress“?
Als Veranstalter des Gesundheitskongresses tritt der Verein Christen im Gesundheitswesen e.V. aus Aumühle in Schleswig-Holtstein auf. Über-konfessionell wollen dessen Mitglieder „einander fördern, unseren Glauben im Beruf zu leben; biblische Werte im Gesundheitswesen neu beleben; Patienten und Kollegen die heilende Liebe Jesu Christi erfahrbar zu machen; in Einheit mit Kirchen und Gemeinden den biblischen Auftrag von Diakonie und Heilungsdienst in unserem Land wahrnehmen“1. Der Verein ist ein Berufs- und Lobbyverband und bietet seinen Mitgliedern Austausch, Fortbildungen, eine Stellenbörse, usw.. In der konkreten Kongressorganisation sind eine Vielzahl von Personen und Organisationen in Vorstand, Kuratorum, Trägerkreis etc. involviert.
Während des Kongresses wird sich in Großplena, Seminaren und einer Fachausstellung zu Gesundheitsthemen ausgetauscht und vernetzt. Die Bandbreite reicht von medizinischen über theologische Themen, wobei die Vermittlung christlicher Moral an Patient*innen und die Integration religiöser Praxis in alle Bereiche gesundheitlicher Behandlung, Beratung und Therapie im Zentrum steht.Der Kongress richtet sich an ein christlich orientiertes Fachpublikum. Für die Teilnahme muss sich angemeldet und über 200€ Teilnahmebeitrag gezahlt werden (Ausgenommen ist die Fachausstellung: hierfür können von allen Interessierten über die Homepage kostenlose Gutscheine für einen zweistündigen Aufenthalt bestellt werden).
Durch die Vergabe von Fortbildungspunkten an teilnehmende Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen und Pflegekräfte, die bei den jeweiligen Berufsverbänden anerkannt werden, wird suggeriert, es handle sich um eine professionelle fachliche Weiterbildung. Tatsächlich jedoch finden sich im Programm der Großplena und der Seminare so gut wie keine wissenschaftlich fundierten Fachthemen, sondern mehrheitlich religiös-moralische Fragestellungen und Ideologien.
Erklärtes Ziel des Kongresses ist es, eine Brücke zwischen religiösen Gruppen und Institutionen im Gesundheitswesen zu schlagen. Im Sinne eines „fruchtbaren Zusammenwirkens von Gemeinde und geistlichen Gemeinschaften mit dem modernen Gesundheitswesen“2 sollen so die ohnehin maroden Grenzen zwischen Kirche bzw. religiösen Institutionen und Gesundheitswesen weiter verwischt werden. Scheinbar mit Erfolg: Ein Blick auf das Programm der vergangenen Kongresse 2008, 2010 und 2012 in Kassel (einsehbar auf der offiziellen Homepage www.christlicher-gesundheitskongress.de) lässt darauf schließen, dass die Menge der Organisatior*innen und Teilnehmer*innen stetig anwächst. Auf der Liste der organisierenden und teilnehmenden Institutionen finden sich heute nicht nur evangelikale und fundamentalistische Gruppierungen, auch Caritas- und Diakonieverbände oder die Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel sind involviert.
Evangelikale und die Absolutheit der Bibel
Angesichts der inhaltlichen Ausrichtung mit den zentralen Bezügen auf den christlichen Glauben und der Bibel ist es wenig verwunderlich, dass sich in unterschiedlichen Bereichen dieser Veranstaltung christliche Fundamentalist*innen vor allem aus dem Spektrum der Evangelikalen wiederfinden.
Ein wichtiger Strang innerhalb dieses Spektrums stellt die Deutsche Evangelische Allianz (DEA) dar. Sie ist ein eher informelles Netzwerk, in dem viele Mitglieder unterschiedlicher Kirchen und Freikirchen eingebunden sind, in Deutschland nach eigenen Angaben 1,3 Millionen Menschen. Wer der Glaubensbasis zustimmt, gehört, zumindest informell zur DEA.
Die Bibel wird in allen Fragen des Glaubens und der Lebensführung als absolut unfehlbar angesehen und vor jeder historischen Relativierung wie auch Kritik in Schutz genommen. Aus diesem ideologischen Ansatz heraus vertritt die DEA ein (u.a.) ausgeprägt homophobes, patriarchales und heterosexistisches Weltbild. Praktizierte Homosexualität wird als unvereinbar mit der für den christlichen Glauben maßgeblichen biblischen Ethik betrachtet. Außerdem gäbe es eine vom Schöpfer gewollte geschlechtliche nterschiedlichkeit von Mann und Frau und darauf aufbauend eine unterschiedliche in einem hierarchischen Verhältnis stehende Zuordnung in Ehe, Familie und Gesellschaft.
Die DEA wird, wie zumindest auch bei den Kongressen 2012 und 2010, auf der Fachausstellung mit einem Stand vertreten sein. Ihr Geschäftsführer, Hartmut Steeb, 2012 in seiner Funktion als Vorsitzender des Treffens Christlicher Lebensrecht-Gruppen (TCLG) bereits als Referent aufgetreten, gab 2008 der völkischnationalistischen Wochenzeitschrift Junge Freiheit ein Interview. Darin nahm er den evangelikalen Jugendkongress Christival in Bremen in Schutz, der u.a. wegen homophober Veranstaltungsteile in die öffentliche Kritik geraten war. Im Vorfeld des 9. „Marschs für das Leben“ 2013, einem Aufmarsch von entschiedenen Gegner_innen von Schwangerschaftsabbrüchen in Berlin, bezeichnete er diese Veranstaltung als ein Zeichen gegen „das erneute Aufkommen der Euthanasie“ und gegen „Tötung durch Selektion“, setzte damit Schwangerschaftsabbrüche mit der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik gleich und betrieb eine Relativierung der Shoah.
Von 2007 bis 2011 hieß der Vorsitzende der DEA Jürgen Werth, der nach wie vor im Vorstand ist. Werth ist gleichzeitig der Vorstandsvorsitzende der ERF Medien Deutschland e.V. Zu ERF gehören zwei Radioprogramme, ein Fernsehprogramm und mehrere Internetauftritte. ERF bekennt sich zur Glaubensbasis der Deutschen Evangelischen Allianz und verbindet nach eigenen Angaben eine besondere Medienpartnerschaft zur Aktion ProChrist und zur Stiftung Christliche Medien (SCM). ProChrist stellt eine mehrtätige Evangelisationsveranstaltung mit evangelikaler Ausrichtung dar, die 2012 auch in Bielefeld stattfand. Mitglied des Vorstandes ist auch hier Jürgen Werth. Jahrelanger Leiter von ProChrist war Ulrich Parzany, u.a. von 1987 bis 2005 im Hauptvorstand der DEA. Seine Bücher wiederum werden verlegt vom Verlag der Stiftung Christlicher Medien. ERF ist Medienpartner des Bielefelder Kongresses und wird, wie auch auf den Kongressen zuvor, mit einem Stand auf der achausstellung vertreten sein. Der SCM Bundesverlag ist aktueller Werbepartner und hatte auf den Fachausstellungen 2012 und 2010 einen Stand.
Zu erwähnen ist außerdem der 1971 gegründete Informationsdienst der evangelischen Allianz (Idea), der auf der Fachausstellung wie als Berichterstatter seinen Platz sicher hat. Er stellt wohl das wichtigste Medium der evangelikalen Bewegung dar und richtet sich an sämtliche Fraktionen. Als Wochenzeitschrift dient ideaSpektrum. Presserechtlich Verantwortlicher ist seit Jahren Helmut Matthies, der beispielhaft für die berschneidungen mit der bereits erwähnten völkisch-nationalistischen Wochenzeitung Junge Freiheit gesehen werden kann, für die er seit Jahren als Autor und Interviewpartner fungiert und die auch gelegentlich Meldungen von idea abdruckt.
Heterosexismus und Homophobie als Heilmittel?
Mitglied des Kongressvorstandes und Referent bei allen bisherigen Kongressen ist Martin Grabe, Vorsitzender der Akademie für Psychotherapie und Seelsorge (APS), die entsprechend regelmäßig auf den Fachausstellungen des Kongresses anzutreffen ist. Die Mitgliedschaft in der APS ist an eine Glaubensüberzeugung im Sinne der DEA gebunden. Die APS war 2009 Veranstalterin des „Kongress für Psychotherapie und Seelsorge“ in Marburg, bei dem Seminare zur Heilung von Homosexualität angeboten wurden. Dabei wurde Homosexualität nicht als legitime sexuelle Präferenz oder Lebensweise, sondern als psychische Störung behandelt. Als wissenschaftlicher Leiter des aktuellen Gesundheitskongresses in Bielefeld ist Grabe für die Vergabe der Fortbildungspunkte zuständig. An seiner Personalie zeigt sich, dass Fortbildungspunkte nicht für wissenschaftlich fundierte Fortbildung, sondern für Teilnahme an ideologisch-religiösen Veranstaltungen vergeben werden.
Beim 2013 in Würzburg veranstalteten Folgekongress der APS finden sich neben Martin Grabe weitere Überschneidungen mit dem in Bielefeld stattfindenden Gesundheitskongress. Dazu gehört z.B. Rolf Senst, stellvertretender Vorsitzender des Kongressvorstandes der APS und in Bielefeld als Teilnehmer eines Plenums von „Fachleuten“ zum Thema „Unaufhaltsame Ökonomisierung? Weichenstellung für die Zukunft“ geplant. Senst ist Chefarzt der im Schwarzwald gelegenen De’ignis-Fachklinik. In der Beschreibung des Menschenbildes der Klinik findet sich u.a. folgender Satz: „Grundstörung des Menschen ist aus biblischer Sicht eine Trennung von Gott, die mit ihren Auswirkungen die gesamte Existenz des Menschen bestimmt“3. Zu den aus ihrer Sicht daraus resultierenden „Störungen“ gehört auch Homosexualität, für die sie laut ihrem hauseigenen Werkstattblatt „beispielhaft Wege zur Überwindung“ anbieten. Leitender Psychologe bei De’ignis ist Rainer Oberbillig, der beim aktuellen Gesundheitskongress zum Thema „Perspektiven der therapeutischen Beziehung in ärztlicher Behandlung und Psychotherapie“ referiert. An der heilsamen Wirkung einer solchen Beziehung darf nicht nur in Bezug auf die homophoben Betätigungen des Referenten gezweifelt werden.
Geschlechterrollen und Sexualmoral
Auch bereits erkämpfte Rechte für Frauen* müssen heute immer wieder gegen Angriffe reaktionärer Christ*innen verteidigt werden. In ihrem Bezug auf die Bibel propagieren sie von Gott gegebene Geschlechterrollen, die für Frauen* die Rolle der sorgenden Mutter und für Männer* die des patriarchalen Ernährers vorgesehen ist. Für Trans*- oder Intergeschlechtlichkeit ist in diesem Weltbild kein Platz.
Im Programm des Gesundheitskongresses 2014 sticht besonders ein Seminar ins Auge: „Frau sein – Sexualität mit Leib und Seele“, geleitet von Dr. med Ute Buth, Fachärztin für Frauenheilkunde und „Fachberaterin“ des Vereins Weißes Kreuz. Das Weiße Kreuz begreift sich als „Fachverband für Sexualethik und Seelsorge“ und berät zu den Themen Internetsexsucht, Pornographie, Pädophilie und Homosexualität, die allesamt als „Identitätsstörung“ angesehen werden. Das Weiße Kreuz hat enge Verbindungen zur Paulusgemeinde in Bielefeld. Im Ankündigungstext ihres Seminars schreibt Buth: „Konkret sprechen wir über die Besonderheiten weiblicher Geschlechtlichkeit und um die Frage, wie die Brücke hin zur Sexualität im Sinne des Erfinders gebaut werden kann“. Sinn und Zweck des Seminares liegen damit auf der Hand: Frauen* sind in Buths Ideologie nicht nur körperlich, sondern auch geistig von Männern* grundverschieden. Sexualität „im Sinne des Erfinders“ zu leben heißt nichts anderes, als dass diese nur mit dem eigenen Ehemann zum Zweck der Fortpflanzung stattfinden soll. Frauen* wird die Selbstbestimmung über den eigenen Körper und lustvolle Sexualität durch biblische Moralvorstellungen abgesprochen.
Lobby für Abtreibungsgegner*innen
Mindestens seit 2010 ist der Kongress ein Sammelbecken entschiedener Abtreibungsgegner*innen. Unter dem Deckmantel des Schutzes ungeborenen Lebens wird erbittert gegen das Recht von Schwangeren, selbst über die Fortführung oder den Abbruch einer Schwangerschaft zu entscheiden, gekämpft. Bereits einer befruchteten Eizelle wird ein Subjektstatus zuerkannt, der für schützenswerter als der der schwangeren Person erachtet wird. In pseudo-aufklärerischer Manier werden Menschenrechte für einen Embryo gefordert, bevor Menschenrechte für Schwangere verwirklicht sind.
Solche Moralvorstellungen sind weder beim Gesundheitskongress noch in der Gesellschaft politische Randerscheinungen. Im Bezug auf den Kongress muss von einem gemeinsamen Konsens ausgegangen werden. Anders sind die Mitgliedschaften zweier expliziter Abtreibungsgegner*innen in zentralen Organen des Gesundheitskongresses (namentlich Gerda-Dorothea Dietze von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Mediziner im smd4 im Kuratorium, und Reinhard Klein, Vorsitzender des Vereins Hilfe zum Leben Pforzheim e.V. im Trägerkreis), nicht zu erklären.
Der Verein Hilfe zum Leben Pforzheim, entstanden aus der Aktion "Helfen statt Töten“5, in der Schwangerschaftsabbrüche mit gezielter Tötung eines Menschen gleichgesetzt werden, betreibt die Beratungsstelle Aus-WEG. Hier werden ungewollt Schwangere unter dem Vorwand, ihnen würde mit „Rat und Hilfe“ zur Seite gestanden, von einer Fortführung der Schwangerschaft zu überzeugen versucht. „Beraten“ wird nicht im Sinne der Bedürfnisse der schwangeren Person, sondern auf Grundlage der eigenen moralisch-religiösen Überzeugungen. Zusammen mit der „Beraterin“ und Sozialarbeiterin Dorothee Erlbruch referierte Reinhard Klein bereits beim Kongress 2010 über die psychischen Leiden, die ein Abbruch bei Schwangeren und ihrem Umfeld angeblich hervorrufe. Auch 2014 halten sie ein Seminar zum Thema: „Vom Schwangerschaftskonflikt zum Trauma – Wege zum Leben“. Entgegen aller wissenschaftlichen Erkenntnisse und anders lautender Erfahrungen von Personen, die sich für einen Abbruch entschieden und dies nicht bereut haben, wird ein Abbruch als Auslöser von Traumata und psychischen Erkrankungen dargestellt. Was Erlbruch und Klein als „Post Abortion Syndrom“ beschreiben, ist letztlich eine moralisch Verurteilung von chwangerschaftsabbrüchen und Personen, die sich selbstbestimmt hierfür entscheiden (müssen).
Mit Pro Femina e.V. aus Heidelberg ist ein weiterer Verein vertreten, der ungewollt Schwangeren eine zweifelhafte Beratung zukommen lassen will. Der Theologe Markus Arnold hält ein Seminar zum Thema Schwangerschaftskonfliktberatung im Internetzeitalter. Als Betreiberin der „Beratungs“-Seite www.vorabtreibung.net, und der Kampagnenhomepage www.1000plus.de bemüht sich Pro Femina um die Verbreitung der christlichen Lebensschutz“-Moral im Internet. Seit 2011 tauchen auch in Bielefeld optisch an Anti-Atom-Symbolik erinnernde Aufkleber der Kampagne 1000plus mit der Aufschrift „Abtreibung – nein Danke“ auf. Mit 1000 von der Babyartikelfirma Hipp gesponserten Babyflaschen6 sollen Unterstützer*innen der Kampagne Spenden sammeln – die Babyflaschen dienen hier nicht nur symbolisch als Spendendosen.
Neben den Seminarveranstaltungen wurden Abtreibungsgegner*innen insbesondere auf der Fachausstellung immer präsenter. 2012 waren mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Mediziner (ACM), der Aktion Lebensrecht für Alle, Ärzte für das Leben, dem Bund Katholischer Ärzte Deutschland, den Christdemokraten für das Leben , „SaveOne – ein (biblisch fundiertes) Aufarbeitungskonzept für Frauen/Männer nach Abtreibung“, Hilfe zum Leben Pforzheim e.V., der Kooperative Arbeit Leben Ehrfürchtig Bewahren (KALEB), ProLife Deutschland und dem Treffen Christlicher Lebensrecht-Gruppen ein Großeil des deutschen Abtreibungsgegner*innen-Spektrum mit Ständen vor Ort. Für 2014 muss von einer ähnlichen Beteiligung der „Lebensschützer“ ausgegangen werden.
Erste Schlussfolgerungen und Perspektiven
An dieser Stelle gäbe es noch einiges zum Personenkreis, der im Rahmen des Gesundheitskongresses in Erscheinung tritt, zu sagen. Dies gilt auch für Themenkomplexe wie dem Missionierungsanspruch, dem Verhältnis zum Kolonialismus und dem christlichen Antijudaismus/Antisemitismus. Wir hoffen aber dennoch, einen ersten Einblick in die inhaltliche Ausrichtung des Kongresses gegeben zu haben.
Veranstaltungen wie der Gesundheitskongress erfüllen die Funktion einer Schnittstelle zwischen gemäßigten und fundamentalistischen Christ*innen. Spätestens seit den massiven Protesten7 gegen den Marburger Kongress für Psychotherapie und Seelsorge 2009 sollte klar sein, welche Ideologien von bestimmten am Kongress beteiligten Personen bzw. Organisationen vertreten werden. Dass Personen wie Martin Grabe heute als Kongressvorstand fungieren, unterstreicht das Ausmaß der Akzeptanz homophober Ideologien.
Unter dem Deckmantel von „Gesundheit“ verbirgt sich ein reaktionäres Menschenbild, in dem Schwule, Lesben und Frauen, die selbstbestimmt mit ihrer Sexualität umgehen, pathologisiert und für krank oder gestört erklärt werden. Christliche Werte gelten als universelle Moral, nur wer danach lebt, gilt auch als (seelisch) gesund. Tatsächlich aber steht diese Moral jeder emanzipatorischen Bestrebung im Weg.
Denn Religion ist keine Privatsache, sondern eine Ordnungsstruktur von Gesellschaft. Religiöse Institutionen sind hierarchische Gebilde, in denen eben nicht alle Menschen gleich sind bzw. gleiche Rechte genießen, und sie sind noch immer das weltweit größte Netzwerk für Homophobie, Sexismus, und Patriarchat. Dies trifft nicht nur zu auf Kirchen und Gemeinden, sondern auch auf religiöse Institutionen im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsbereich.
Im ohnehin privatisierten Gesundheitsbereich sind christliche Organisationen nicht die Ausnahme, sondern die Regel – sie haben im System einen festen Platz, der erbittert verteidigt wird. Weder existiert eine echte Trennung zwischen Kirche und Staat, noch zwischen religiös motivierten Institutionen und dem Gesundheitssystem. Wer bei einem gesundheitlichen Problem Behandlung oder Beratung benötigt, hat mitunter keine Wahl zwischen konfessionellen und nicht religiösen Einrichtungen. Dass gerade christliche Institutionen sich im Gesundheitssektor so stark betätigen, liegt auch daran, dass sich mit Gesundheit eine Menge Geld verdienen lässt.
Gesundheit ist heute weniger ein zu verteidigendes Gut als ein erstrebenswertes Leistungsprinzip im Kapitalismus. Statt die Symptome einer krank machenden Gesellschaft zu behandeln, braucht es eine Auseinandersetzung mit deren Ursachen. Dabei hilft nicht das Lesen in der Bibel, sondern vielmehr der kritische Blick auf gesellschaftliche Zustände.
Bis jetzt regte sich in Bielefeld kein Widerstand gegen den Christlichen Gesundheitskongress. Dabei liegt es auf der Hand, dass es genügend Ansatzpunkte gäbe, um kritisch zu intervenieren: Warum beispielsweise vermietet die Stadt Bielefeld über ihre Tochterfirmen die Stadthalle an fundamentalistische Christ*innen? Nicht zum ersten Mal verdient die Stadt daran, fragwürdigen Gruppierungen einen Raum zur Verbreitung reaktionärer Positionen zur Verfügung zu stellen8. Als offizieller Medienpartner stellen die Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel ein Mitglied im Kuratorium des Gesundheitskongresses. Warum gibt diese lokale Institution dem Kongress durch die Kooperation ein seriöses Image?
Für uns steht fest:
• Keine Kooperation mit fundamentalistischen Christ*innen!
• Kein Raum für religiösen Fundamentalismus, Sexismus und Homophobie: Dem Christlichen
Gesundheitskongress in Bielefeld die Räume kündigen!
• Gegen die Pathologisierung durch Religion und Moral: Selbstbestimmung ist keine Krankheit!
1 Zitate von der Homepage des Vereins cig-online.de/ueber_uns/ueber_uns.htm
2 Aus der Selbstbeschreibung des Kongresses christlicher-gesundheitskongress.de
3 Zitat von der Homepage der Klinik deignis.de/34-0-Menschenbild.html
Geschlechterrollen und Sexualmoral
4 SMD steht für Studenten-Mission Deutschland, einer Organisation christlicher Studierender und Akademiker*innen. Die smd zeigen aktuell starke Präsenz an der Uni Bielefeld.
5 ausweg-pforzheim.de/ueber-uns/verein/
6 1000plus.de/startseite/babyflaschen-aktionen.html
7 Dort wurden unter dem Motto „Kein Raum für Sexismus, Homophobie und religiösen Fundamentalismus“ u.A. die von der Uni an den Kongress vermieteten Räume blockiert. Hintergrundinformationen unter http://noplace.blogsport.de/
8 Bis 2011 trafen sich in der Stadthalle regelmäßig Bielefelder Studentenverbindungen zum „Bismarck-Kommers“ zur Feier ihrer traditionalistischen und elitären Männerbünde. Hintergründe dazu unter http://bismarck.blogsport.de/
danke
danke für die Arbeit.
DEA ist nicht nur eine Tankstelle!
In vielen Ortschaften sind die Evangelikalen tonangebend, hegemonial:
ist schon besser wenn Du als Handwerker im Sonntagsgottesdienst auftauchst - für deine Aufträge!
Wo gibt es gottlose Kindertagestätten auf dem Land?
Diese Firmen sind alles große Arbeitgeber und zahlen geringe Löhne.
Weg mit den Tendenzbetriebsregelungen! Betriebsräte und säkulare Betriebsversammlungen gehören her.
Es kann nicht angehen, dass bei einem Vorstellungsgespräch der Inneren Mission nach Bibelstellen gefragt wird! Das war so 2008.
Für ein allgemeines Gesundheitssyndikat, in dem alle in einem Gesundheitszentrum Lohnabhängige Mitglied werden können - von der Putzfrau bis zum Chefarzt und genau dadurch die Hierarchie und die Rollen aufgewühlt werden. Gute Erfahrungen damit gibt es in einer der Röhnkliniken bei Hannover und in München-Dachau.
Vernetzung auf Facebook
Hallo,
ich habe auf Facebook mal eine Seite erstellt, auf der man sich über Aktionen zum bzw. gegen den Kongreß informieren bzw. auch vernetzen kann.
facebook.com/events/520904871366072/?ref_dashboard_filter=upcoming