Kriege im Namen des Guten

Durch die Jahrhunderte hindurch führt der Westen Krieg auf Krieg und rechtfertigt ihn. Egal wie viel Blut man an den Händen hat, man erfindet sich jedes mal neu als die Guten, die gegen das Böse kämpfen. So wird Deutschland auch nach zwei Weltkriegen von deutschem Boden aus am Hindukusch verteidigt!

 

Die Inszenierung des Guten

 

Wie schafft man es, Millionen Soldaten in einen Angriffskrieg zu schicken, die Bevölkerung hinter sich zu bringen? Wie schafft man es, das Politiker die Hände für den Krieg bei Abstimmungen heben? Hierzu sind mehrere Faktoren notwendig:
Erstens, indem man ihn moralisch begründet als notwendiges Mittel, zur Abwehr von Bedrohungen und Gräueltaten, zur Verhinderung des eigenen Untergangs, zur Verteidigung, zur Stabilisierung, zum Schutz von humanitären Hilfsorganisationen, für Kinder und Mädchen, für die Bildung der Armen oder zur Sicherung der wirtschaftliche Existenz. Kurz zusammengefasst dient der Krieg zur Abwehr des Bösen, Verteidigung des Lebens und zur Hervorbringung des Guten.
Außerdem ist es natürlich wichtig, dass diese Botschaften von oben kommen. Also von Autoritäten in Amt und Würden, früher von Kaisern und Päpsten, heute von Präsidenten, Politikern unterstützt von Experten, Journalisten und Moderatoren. Sie bieten sich auch durch manchmal kritische Töne als Projektionsfläche für die Wünsche, Sorgen, Hoffnungen und Kritik der kleinen Leute an, die den Krieg unterstützen und/oder Soldaten stellen sollen. Und drittens wird die Bevölkerung über die jeweils verfügbaren Medien erreicht und eingenordet, während Abweichler gezielt gesucht und sanktioniert werden.

Beispiel Christentum


Historisch wird dies in Mitteleuropa besonders im Christentum deutlich. Es gilt bis heute als das moralisch-ethische Fundament der abendländischen Zivilisation und definiert sich selbst als tolerant und gewaltfrei. Doch bereits die Einführung des Christentums in Westeuropa erfolgte durch Krieg der Christen gegen die "Heiden" und war mit der vollständigen Zerstörung ihrer Kultur, Spiritualität und Naturdenkmäler begleitet. Als durch den Papst wirkende Wort Gottes wurden später die Kreuzzüge verkündet und quasi als europäisches Projekt durchgeführt. Bereits beim Aufmarsch zum ersten Kreuzzug unter Papst Urban II. kam es zu Pogromen und dann nach der Befreiung Jerusalems zur Tötung aller Einwohner durch die Christen. Später war die Deutungshoheit des heiligen Stuhls über die christliche Lehre und damit zentrale Steuerung über Sitte, Moral und Gewissen der Bevölkerung durch unabhängige christliche Strömungen wie die Katharer und Albiginenser bedroht. Sie wurden durch die eigens dafür gegründete Inquisition bis in den letzten Winkel Europas verfolgt. Schließlich folgten die großen Kriege zwischen Protestanten und Katholiken.
Luther als verehrter und heiliger Rebell und Gründer der Protestanten lehnte Gewalt von oben nicht ab, als er etwa über die aufständigen Fronbauern schimpfte: "Diese treulosen Hunde, man müsste sie alle totschlagen". Es ist demnach nicht verwunderlich, dass dieser Tradition folgend auch der Krieg in Afghanistan gerechtfertigt wird. So sagt der EKD-Vorsitzende Nikolaus Schneider: "Staatsmänner müssen militärische Gewalt einsetzen, wenn sie mit dem Bösen in der Welt konfrontiert sind und auf andere Weise nicht weiterkommen." (http://www.welt.de/print/wams/politik/article13372546/Mit-solchen-Feinde...). Auch in dem evangelisches Wort zu Krieg und Frieden in Afghanistan heißt es unter dem Titel "Aus Gottes Frieden leben – für gerechten Frieden sorgen": "Eine Intervention mit militärischen Zwangsmitteln wie in Afghanistan muss von einer Politik getragen werden, die über klare Strategien und Ziele verfügt, Erfolgsaussichten nüchtern veranschlagt und von Anfang an bedenkt und darlegt, wie eine solche Intervention auch wieder beendet werden kann." Wer über klare Strategien und Ziele verfügt, darf in Afghanistan töten, so lautet die Botschaft. Doch schauen wir uns mal dieses Böse in der Welt genauer an.

Die Taliban als das Böse


"Die Taliban in Afghanistan schnitten ihr die Nase ab", so Bild am 25.05.2012 mit der Abbildung einer afghanischen Frau, der die Nase abgeschnitten wurde (http://www.bild.de/politik/ausland/bibi-aisha/afghanistan-bibi-aisha-das...). Ich erinnere mich, das NDR-Fernsehfrau Inka Schneider zu dieser Tat im öffentlich-rechtlichen einen Beitrag mit den Worten "Dafür stehen deutsche Soldaten mit der Waffe in der Hand" (damit dies nicht wieder geschieht) anmoderierte. Blick.ch titelt ähnlich: "So sind die Taliban: Ihr Ehemann schnitt Aisha Nasen und Ohren ab".
Der Inhalt dieser Botschaften ist, dass die Taliban Taten von ungeheurer Grausamkeit an ihren Frauen begehen und deutsche Soldaten mit der Waffe in der Hand notwendig sind, um sie zu zwingen, dies nicht mehr zu tun. Aber warum bombardieren wir dann nicht mit gleicher Rechtfertigung auch Albanien? Denn ein Albaner hat mit der Kettensäge seiner Frau Arme und Beine abgetrennt (http://www.ksta.de/panorama/mit-kettensaege-wuetender-mann-verstuemmelt-...).
Oder Deutschland. Denn Mütter werfen hier Neugeborene in die Mülltonne. Dies findet offensichtlich mehrmals im Jahr an unterschiedlichen Orten in Deutschland statt (http://www.sueddeutsche.de/panorama/rheinland-pfalz-mutter-wirft-baby-in...), http://www.express.de/panorama/babyleiche-in-muelltonne-mutter-gesteht--...).
Was ich aufzeigen will, dass der Fall der armen afghanischen Frau für die Propaganda der USA/Nato ausgeschlachtet wird und auch das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen in die psychologische Kriegsführung eingebettet ist. Natürlich ist es wohl so gewesen, dass ein Taliban ein Verbrechen an seiner Ehefrau begangen hat, doch damit "die Taliban" kollektiv als Verbrecher zu dämonisieren, die sich gegenüber den westlichen guten Soldaten durch besondere Grausamkeit auszeichnen würden, ist reine Zweckpropaganda. Umgekehrt lassen Guantanamo, Abu Graib und die offshore-Gefängnisse auf US-Kriegsschiffen grüßen. Angeklagte dürfen sich vor US-Richtern nicht mehr über Folter in Prozessen äußern und bei Verhandlungen werden Aussagen über Mikrofon zeitverzögert im Gerichtssaal übertragen, damit Äußerungen von Angeklagten über Folter herausgefiltert werden (http://rt.com/usa/torture-gitmo-pohl-ksm-578/). Dies ist allerdings ein verbrecherisches System. Hierzu gibt es keine Resonanz der deutschen Qualitätsmedien.

Terroristen: von den Taliban bis zu Nelson Mandela


Die Tötung eines Talibanführers letzte Woche wird ohne Begründung als Erfolg im Krieg gegen den Terrorismus in den deutschen Medien durchgereicht. Jeder weiß: für Terroristen gelten andere Maßstäbe, keine Rechte als Kriegsgefangene, ja keine Menschenrechte. Und Folter ist faktisch erlaubt. Man erinnert sich gar nicht mehr, wie der Vorwurf des Terrorismus gegenüber den Taliban begründet wurde und das soll man wohl auch nicht, denn es reicht als Rechtfertigung für die Tötung eines Menschen, ihn als "Terrorist" oder "Taliban" zu bezeichnen.
Hintergrund war der Vorwurf der USA gegenüber den Taliban, dass sie Osama Bin Laden als Hintermann der Anschläge des 11. September Unterschlupf und Unterstützung gewährten. Doch dies war genau genommen nicht der Fall. Denn Osama Bin Laden war ein Mann aus Saudi-Arabien, der mit milliardenschwerer Förderung durch die USA gegen die Sowjetunion einen Krieg führte und in Afghanistan nach dem Abzug der russischen Truppen verblieben war. Die Taliban boten den USA an, ihn beim Vorliegen von Beweisen vor Gericht zu stellen oder an ein neutrales Land auszuliefern. Auf dieses Angebot ging J.W. Bush nicht ein, sondern befehligte den Angriff. Deutschland verkündete den Bündnisfall wegen der Angriffe auf das WTC und trat an der Seite der USA in den Krieg ein. Angesichts dieser Fakten muss man im Ländervergleich "USA - Afghanistan", wenn es um die Förderung und Unterstützung von Terroristen wie Osama Bin Laden geht, doch die USA zuerst nennen. Konsequenz? Jahre später erklärte Dick Cheney, dass man praktisch keine Beweise für die Beteiligung am 11. September durch Osama hätte. Aber da hatte sich der Begriff Terrorist schon für jeden Taliban verselbständigt.
Im Rahmen ihres s.g. "Krieges gegen den Terrorismus" haben die USA und die EU so genannte Terrorlisten veröffentlicht. Durch ein geheim gehaltenes Verfahren wird bestimmt, wer auf diese Liste gesetzt wird und somit letztlich als vogelfrei erklärt wird. Klagen dagegen kann man nicht. Die USA haben Nelson Mandela bis 2010 noch als Terrorist auf ihrer Liste geführt. Dies zeigt, dass es gar nicht um Terrorismus sondern um ein Machtinstrument geht, jeden beliebigen Menschen fertig zu machen. Unsere Politiker waren mit dieser Vorgehensweise einverstanden, natürlich nicht mit Mandela auf der Liste. Schließlich wollen sie solange er noch lebt, Fotos mit ihm machen, um sich wie am Anfang gesagt, moralisch zu legitimieren, am besten als Fast-Freiheitskämpfer Arm in Arm mit Mandela. Ein Besuch von Obama mit dem dann unweigerlichen gemeinsamen Foto hat Mandela abgelehnt.

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und definiert sich selbst als tolerant und gewaltfrei. Doch bereits die Einführung des Christentums in Westeuropa erfolgte durch Krieg der Christen gegen die "Heiden" und war mit der vollständigen Zerstörung ihrer Kultur, Spiritualität und Naturdenkmäler begleitet.Als durch den Papst wirkende Wort Gottes wurden später die Kreuzzüge verkündet und quasi als europäisches Projekt durchgeführt. Bereits beim Aufmarsch zum ersten Kreuzzug unter Papst Urban II. kam es zu Pogromen und dann nach der Befreiung Jerusalems zur Tötung aller Einwohner durch die Christen.

Warum fängt man bei jeder Erwähnung des Christentums an wieder die Kreuzzüge und die gewaltsame Missionierung hervorzukramen? Daß Religionen idR nicht wirklich tolerant sind, da sie sich nunmal gegenseitig ausschließen sollte mittlerweile bekannt sein.

 

Aber wenn ein Text schon so anfängt dann kann man wirklich kaum ein realitätsnahes und ausgewogenes Bild über das Thema erwarten. Schade es gäbe wirklich viel darüber zu erzählen.

Durch die Jahrhunderte hindurch führt der Westen Krieg auf Krieg und rechtfertigt ihn.

"Die Taliban" gibt es sowieso nicht. Unter dem Label agieren verschiedene Gruppen die unterschiedliche Interessen verfolgen. Nichtsdestotrotz schließt das Label aber auch eine nicht zu unterschätzende Anzahl von Anhängern menschenverachtender und jedem Anspruch auf Befreiung spottender Ideologie ein. Die müssen nicht erst zu Verbrechern stilisiert werden, die sind es (sofern man überhaupt mit diesem Begriff operieren möchte). Die Vergleiche mit Albanien, der BRD usw. hinken insofern, als dass die angeführten Taten eben nicht von einer gut organisierten "Bewegung" begangen werden, wie es eben in Afghanistan der Fall ist. 

 

Natürlich wirkt die Benennung von Verbrechen der "Anderen" auch nach innen, dient zu Legtimierung der eigenen Position etc. Was du da produzierst sind trotzdem ziemlich unterkomplexe Relativierungen realer Probleme - und es war übrigens nicht nur der "Westen", der seit Jahrhunderten Kriege führt und unterdrückt (was denkst du denn wie sich bespielsweise der Islam auf dem afrikanischen Kontinent verbreitet hat?!).

 

Wieso wird so ein Text eigentlich überhaupt hier veröffentlicht?

Durch die Jahrhunderte hindurch führt der Westen Krieg auf Krieg und rechtfertigt ihn.

Den "Westen" als identitäres Konstrukt gibt es erst sei einem Jahrhundert. Die Verlängerung nationaler und identitärer Konstruktionen in die historische Vergangenheit sitzt der entsprechenden Ideologie auf.

 

Krieg führen alle schon seit Jahrtausenden und spätestens seit Jahrhunderten wird er auch von allen gerechtfertigt. Es geht hier also nicht um ein westliches Spezifikum. Trotzdem zieht sich der Text daran auf. Warum?

 

Es kann auch nicht Sinn von Antimilitarismus sein, Gewalt und Herrschaft zu verharmlosen. Die Taleban mit ostdeutschen Müttern gleichzusetzen ist weder in der Lage Relationen zu erkennen, noch begreift es das Wesen von Herrschaft und Ideologie.