[GP] Heftige Kritik an Einsatz bei Neonazidemo

Erstveröffentlicht: 
02.11.2013

Göppingen. Parteien und Initiativen, die gegen rechts protestieren wollten, fühlen sich von der Polizei behindert. Von Karen Schnebeck

 

Rund 500 Menschen sind während des Aufmarsches von Neonazis am 12. Oktober in Göppingen von der Polizei in vier sogenannten Kesseln festgehalten worden. Viele von ihnen gehören zu autonomen und antifaschistischen Gruppen, doch es waren auch zahlreiche andere Bürger darunter. Alle wollten sie gegen die Rechtsextremisten demonstrieren. Doch die Protestierer waren schon festgesetzt, bevor die Neonazis in der Stadt ankamen - und waren es noch, als die Rechten Göppingen wieder verließen. Insbesondere gegen die Dauer dieser Festsetzung regt sich massive Kritik aus unterschiedlichsten Teilen der Gesellschaft.

Währenddessen versuchen die beiden Göppinger Stadträte Emil Frick und Stefan Horn (Freie Wähler), künftige Eskalationen zu vermeiden: Sie haben eine Unterschriftenaktion initiiert, in der die jeweiligen Unterzeichner von Gerichten fordern, keine Neonazi-Aufmärsche in Göppingen mehr zuzulassen. Die Unterschriften sollen dem Verwaltungsgericht Stuttgart und dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim übergeben werden, die die Nazidemos genehmigt haben. Die Autonomen Nationalisten, die den Aufmarsch organisierten, haben schon jetzt bis 2020 jährlich eine große Demonstration in Göppingen angemeldet.

Bei der Göppinger Polizei sind bis jetzt zwölf Beschwerden eingegangen. Unter den Beschwerdeführern seien vor allem Eltern, die ihre Kinder begleitet und sich plötzlich inmitten der Polizeikessel wiedergefunden hätten, sagt der Polizeisprecher Rudi Bauer. Der Polizeichef Martin Feigl räumt ein: 'In einer solchen Lage, in der die Polizei zu sofortigen Entscheidungen und zu sofortigem Handeln gezwungen ist, kann es durchaus dazu kommen, dass auch Unbeteiligte betroffen sind.'

Während die Polizei noch länger damit beschäftigt sein wird, ihre Video- und Bildaufnahmen auszuwerten, kritisieren immer mehr Gruppen den Einsatz, darunter die Grünen, die Piratenpartei sowie die Linke, außerdem diverse Ortsverbände der IG Metall und des Deutschen Gewerkschaftsbundes sowie viele Bürger.

Der Demonstrant Hubertus Welt aus Bad Wildbad im Kreis Calw erzählt, die Polizei habe ihn und andere 'unbescholtene, friedliche Demonstranten wie Schwerkriminelle abtransportiert und sieben Stunden ihrer Freiheit beraubt'. Was ihn besonders erbittert: 'Von solchen Aktionen können völlig falsche Signale ausgehen.' Ausgerechnet wohlmeinende Bürger, die sich für einen demokratischen Staat einsetzen, seien kriminalisiert und verprellt worden. Das bestärke rechtsgerichtete Kräfte.

Kritiker bemängeln zudem, dass die Polizei einen großen Teil der Innenstadt abgesperrt hat, um den Zug der Neonazis zu schützen. Es könne nicht sein, dass man wegen eines solchen Aufmarsches daran gehindert würde, sich frei in der Stadt zu bewegen, finden sie. Kritisiert wird auch, dass zu schnell Schlagstöcke und Pfefferspray gegen die Demonstranten eingesetzt worden seien. Tatsächlich sollen an dem Tag rund 70 Gegendemonstranten verletzt worden sein. Die Polizei verzeichnete in ihren Reihen sieben Verletzte.

Schützenhilfe für die Einsatzkräfte kommt vom Göppinger OB Guido Till: 'Die polizeilichen Maßnahmen sind in keiner Weise zu beanstanden', sagt er. Das gelte auch für die Absperrungen in der Stadt. Die Polizei begründet ihr Vorgehen damit, dass sie versucht habe, 'größere Ausschreitungen zu verhindern'. Die Maßnahmen seien nötig und verhältnismäßig gewesen. Die Betroffenen seien so lange eingekesselt gewesen, weil man die Personalien habe aufnehmen müssen. Bei den Festsetzungen sei es teils um die Abwehr von Gefahren, teils um die Verfolgung von Straftaten gegangen, denn Demonstranten hätten unter anderem Angriffe auf Polizisten verübt. Deswegen hätten die Beamten auch zu Schlagstock und Pfefferspray greifen müssen.

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