Miete, Eigentum – Klasse?

Die Häuser denen, die drin wohnen - Bild

Was ist eigentlich das Problem mit der Miete? Irgendwie haben wir uns ja doch damit abgefunden, dass wir monatlich dafür zahlen müssen, ein Dach über dem Kopf zu haben. Warum sollten uns die Eigentümer_innen der Wohnung auch umsonst wohnen lassen?

 

Die Wohnung gehört ja schließlich ihnen, so steht es im Grundbuch, und auch wenn sie vielleicht noch nie einen Fuß über die Türschwelle gesetzt haben, auch wenn wir vielleicht seit Jahrzehnten Miete zahlen und sie das Haus gerade erst gekauft haben, wenn wir nicht pünktlich zahlen und sie uns herauswerfen wollen, dann hilft der Staat ihnen und nicht uns, ganz kostenlos und notfalls mit Gewalt. Sie haben das Recht auf ihrer Seite. Aber ist das Eigentum damit auch legitim?

 

Nun ist es offensichtlich, dass zwar die meisten Menschen Miete zahlen müssen, jedenfalls in der Stadt, aber dass es auch Menschen gibt, die das nicht zu tun brauchen. Nicht nur, dass sie sich ihre eigene Wohnung, oder sogar mehrere kaufen können. Manchen gehören dann eben auch noch Wohnungen, in denen andere wohnen, vielleicht nicht nur einige, sondern auch viele. Ganze Häuser, oft gleich mehrere. Manchmal sind es, privat oder über Firmen, zusammengerechnet ganze Kleinstädte. Sie haben sie eben gekauft, es ist also nur legitim, dass sie Miete kassieren. Oder?

 

Da könnte mensch sich ja schon fragen, wo denn das ganze Geld herkommt. Haben diese Leute wirklich so viel gearbeitet, waren sie so fleißig, so produktiv, dass sie nun einfach die Früchte ernten, die ihnen zustehen?


Das Verhältnis zwischen jenen, die Miete zahlen, und jenen, die sie kassieren, lässt sich nur gänzlich verstehen, wenn mensch von der persönlichen Perspektive weggeht und sich die Prozesse auf gesellschaftlicher Ebene anschaut.

 

Die grundlegende Bruchlinie in dieser Gesellschaft verläuft zwischen jenen, die immer in Abhängigkeit von anderen ihre Arbeitszeit verkaufen müssen, um sich ein Überleben zu sichern, und jenen, die hauptsächlich von der Arbeit anderer leben. Der Begriff der Klassen mag etwas angestaubt klingen, und selbst viele sogenannte Linke behaupten teilweise, so etwas gäbe es nicht mehr. Aber nennen wir es wie wir wollen, Fakt ist, dass es viele Menschen gibt, die fast nichts haben, außer ihrem Körper und ihrer Zeit, und um leben zu können müssen sie auch diese in den Dienst anderer stellen. Und es gibt Menschen, die davon profitieren, und durch dieses Verhältnis immer mehr anhäufen.

 

Dabei ist die Grenze nicht immer einfach zu ziehen.

 

Wirklich klar wird es erst ab einem gewissen Punkt. Wenn es sich ein Mensch leisten kann, mit ihrem oder seinem Eigentum nicht nur Dinge oder Leistungen zum eigenen Gebrauch zu kaufen – mögen sie noch so luxuriös erscheinen - womit immer auch zu einem gewissen Grad neben Material auch die Arbeitszeit anderer Menschen angeeignet wird - ist das eine Sache. Eine andere wird es dann, wenn ein Mensch in einem solchen Ausmaß Eigentum zur Verfügung hat, dass er oder sie damit Jahre, Jahrzehnte oder die ganze Lebenszeit vieler Menschen kaufen kann. An diesem Punkt wird die Absurdität offensichtlich, denn wie soll ein Mensch jemals so viel “geleistet” haben, um so viel Geld zu “verdienen”?

 

Und wer baut denn die Häuser? Sogenannte “Bauherren oder -herrinen”? Diejenigen, die eine Baufirma beauftragen? Denen der Boden gehört? Sicher nicht. Die wirkliche Arbeit machen eigentlich immer Leute, denen selbst fast nichts gehört. Sie können froh sein, wenn der Lohn reicht, um sich selbst, zumindest für die Zeit während sie arbeiten, eine kleine Wohnung zu mieten. Nicht selten sind die Löhne so schlecht, dass es dafür nicht wirklich reicht, so wohnen sie zum Beispiel in Containern, oder still und unbemerkt (und “illegal”) in leerstehenden Häusern, aus denen sie jederzeit hinausgeworfen werden können. Sie können in ihrem Leben zehn, zwanzig, hundert Häuser bauen, und ihnen wird wahrscheinlich nie auch nur ihre eigene Wohnung gehören.

 

Sie könnten auch nicht einfach irgendwo ihr eigenes Haus bauen, sagen wir mal aus Materialen, die beim Bau anderer Häuser als Reste abfallen, auf einem Stück Land, das irgendwo ungenutzt leer steht. Sie müssten es erst kaufen, denn fast jedes Fleckchen Erde gehört schon irgendwem. Und dabei gehört nicht einfach jeder und jedem etwas, wo er oder sie auch leben kann, nein, das meiste Land ist aufgeteilt unter wenigen, die darüber verfügen können. Und jene, die arbeiten müssen, schaffen es oft kaum, sich auch nur ein Fleckchen davon zu kaufen.

 

Am Eigentum an Grund und Boden wird die Ungerechtigkeit der Verhältnisse unter denen wir leben besonders offensichtlich. Wieso sollte es Menschen geben, denen ganze Landstriche gehören, und die von der Arbeit anderer nicht nur leben können, sondern immer noch reicher werden, während andere Menschen, die ihr ganzes Leben lang arbeiten, sich nicht einmal ein Stück Boden für eine Hütte und ein kleines Gemüsebeet leisten können?

 

Es ist ein Märchen, dass es ja eigentlich jeder und jedem möglich wäre, von der nicht-habenden zur habenden Seite zu wechseln, durch Fleiß, Zielstrebigkeit und Sparsamkeit. Das Eigentum ist derart konzentriert, so viel ist in den Händen weniger und so wenig in den Händen vieler, dass es zur zentralen Grundlage gesellschaftlicher Macht geworden ist. Und wer einmal Macht hat, mag sie nicht gerne abgeben oder teilen. Natürlich gab es immer wieder Zeiten, wo die Machtfrage gestellt wurde, wo sich jene die nichts oder fast nichts haben, zusammengeschlossen haben, um die Verhältnisse grundlegend zu ändern oder zumindest die Verteilung etwas weniger ungerecht zu gestalten. Immer wenn das drohte Erfolg zu haben, ja oft auch wenn nur der kleinste Ansatz von Widerstand aufkam, war die Seite der Habenden zur brutaler Gewalt und auch zu Mord bereit.

 

Heute gibt es den Staat als gemeinsame Agentur zur Ausübung dieser Gewalt. Der Staat diszipliniert, sperrt ein, oder erschießt den in einen Supermarkt eingebrochenen 14-jährigen auf der Flucht von hinten*. Der Staat ist eine praktische Einrichtung zur Aufrechterhaltung der Macht, denn seine Gewalt ist anonymisiert. Einzelne Eigentümer und Eigentümerinnen müssen sich nicht mehr die Hände schmutzig machen, eine eigene Privatarmee aufbauen zur Verteidigung ihrer Interessen, sie setzen sich nicht so sehr der Gefahr der persönlichen Rache aus, und der Staat kümmert sich auch noch darum, im Zweifelsfall Almosen auszuteilen, damit die soziale Lage nicht gänzlich explodiert.

 

Aber auch der moderne, “demokratische” Staat sichert eine Klassenherrschaft. Und diese lässt sich herausfordern, wenn die Eigentumsverhältnisse nicht mehr akzeptiert werden. Dabei ist das Eigentum an Infrastruktur, Maschinen, Fabriken und heutzutage immer mehr auch an Informationen ein wichtiger Teil, denn damit ergibt sich eine Situation, in der die einen den Profit abschöpfen können während andere arbeiten. Um dieses Verhältnis herauszufordern gibt es zum Beispiel Streik, Sabotage, Aneignung und Kollektivierung, nicht nur in den goldenen Zeiten der Arbeiter_innenbewegung, sondern auch heute. Auch wenn Jahrzehnte der Sozialpartnerschaft uns fast vergessen ließen, dass wir durchaus die Möglichkeit haben, diese Verhältnisse praktisch in Frage zu stellen, ja sogar umzuwerfen.

 

Und diese leidige Miete, die uns gleich am Anfang des Monats einen großen Teil vom mageren Lohn wieder abzieht? Es scheint noch schwerer, auf diesem Gebiet Widerstand aufzubauen, denn der mögliche Verlust der Wohnung ist viel schlimmer als der Verlust des Arbeitsplatzes. Schaut mensch in die Geschichte und in andere Länder, dann gibt es doch einiges, was inspiriert. Oft entzünden sich Bewegungen an dem gemeinsamen Anliegen, Zwangsräumungen zu verhindern. Gleichzeitig wird versucht, leerstehende Flächen und Häuser zu besetzen und zu kollektivieren. Und als mittelfristige Perspektive macht es Sinn, die Idee des Mietstreiks wieder zu beleben. Es gibt in der Geschichte, auch in der jüngeren, einige Beispiele, bei denen zumindest starke Mietsenkungen und Verbessungen an der Wohnsituation errungen wurden. Wenn bei einem Mietstreik ganze Häuser, Straßenzüge, Stadtteile mitmachen, dann ist die Macht der Mieter_innen kaum zu brechen. Und durch die Verteidigung unserer Lebensräume finden wir zueinander und lernen, uns wieder zu vertrauen, zu teilen und die Erfüllung unserer Bedürfnisse gemeinsam und solidarisch zu organisieren.

 

Wenn wir wirklich wollen, dann können wir uns nicht nur die Häuser zurückholen, in denen wir leben, sondern auch das Leben selbst.

 

* am 5. August 2009 wurde Florian P. von dem Polizisten Andreas K. in einer Merkur-Filiale im Arbeiter_innenviertel Krems-Lerchenfeld von hinten erschossen. Andreas K. hatte unter seinen Kolleg_innen den Spitznamen “Rambo”. Am 12. März 2010 wurde er zu 8 Monaten bedingter Haft verurteilt, er darf weiter als Polizist arbeiten.

 

Dieser Artikel erschien zuerst im Schmankerl Nr. 6, einer Grätzelzeitung aus dem zweiten Wiener Bezirk.

Das ganze Heft Nr. 6 sowie weitere Ausgaben
finden sich auf:

http://schmankerl.noblogs.org/

 

Im Anhang an diese Seite gibt es den Artikel als PDF, um ihn beispielsweise als Flyer auszudrucken.

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Auch wenn es in manchen Städten nicht leicht ist, sollten diejenigen, die die Ressourcen haben und Objekte finden, auf den Hauskauf setzen. In größeren Gruppen ist das total machbar und kann zu einer niedrigeren "miete" (= Betrag, der notwendig ist, um Kredite abzubezahlen) führen, da kein*r Profiteur*in bezahlt werden muss, die mit dem Haus garnichts zu tun hat. Bei dem richtigen Objekt reicht sogar kollektiviertes staatliches Wohngeld für die Abbezahlung monatlicher Raten, die Frage ist dann, wieviel Geld noch zum Renovieren da ist.

 

Das Mietshäusersyndikat oder ähnliche Gruppen können dafür genutzt werden, alleine mit genug Leuten, die Lust und etwas Zeit haben, geht es aber mit etwas Mühe auch. Kaufen ist letztendlich die sicherere Variante, denn dagegen gibts (noch) keine Repression und es ist nachhaltig, da die Mieten rund um solche Objekte steigen werden und das Haus irgendwann abbezahlt ist. Alleine sinkt die miete sogar auf Neben- und Instandhaltungskosten, im Mietshäusersyndikat wird sie nach und nach zum Solibeitrag zur Unterstüzung anderer Projekte umgewandelt und bleibt dabei gleich. Es spricht nichts dagegen, mehrere "töpfe" aufzumachen und weitere solidarisch vernetzte Gruppen zu gründen, wenn einem das Mietshäusersyndikat oder lokale Projektgruppen nicht passen.

 

Mietstreik ist natürlich trotzdem super und die Leute in gekauften Häusern können ja helfen, sie müssen diesen Kampf für sich selbst schließlich nicht mehr führen.