„Wir haben nichts zu verlieren – unser Kampf geht bis in den Tod!“ - Solidaritäts-Kundgebung in Magdeburg für das Protestcamp der Bitterfelder Flüchtlinge

Protest und Solidarität in Magdeburg

Am 27.8.2013, haben sich circa 40 MagdeburgerInnen mit den politischen Forderungen der AktivistInnen aus Bitterfeld solidarisiert und sich ab den Mittagsstunden vor der Ausländerbehörde zu einer Kundgebung versammelt. Es wurden Flyer, Lose und Infomaterialien verteilt, um die Stadtbevölkerung auf das Protestcamp der Bitterfelder Flüchtlinge hinzuweisen. Die drei Redebeiträge, welche vor der Behörde verlesen wurden, thematisierten die problematische Situation von Flüchtlingen in der BRD sowie die historischen Zusammenhänge der Asylpolitik von 1993, also die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl, und der gegenwärtigen Abschiebepraxis deutscher sowie europäischer Institutionen.

 

Der Hintergrund zu dieser Kundgebung ist die Gründung des Protestcamps in Bitterfeld. Ab dem 7. August 2013 befanden sich drei Flüchtlinge aus Iran, die derzeit im Lager Friedersdorf untergebracht sind, im Hungerstreik. Und es waren zwei weitere Flüchtlinge aus Solidarität in den Hungerstreik getreten. Sie hatten dieses drastische Mittel gewählt, um auf die prekäre Lebenssituation von geflüchteten Menschen in ganz Deutschland aufmerksam zu machen. Ihre zentralen Forderungen sind: die Anerkennung der Asylgründe und demzufolge das Bleiberecht für alle Flüchtlinge, die vollständige Abschaffung der Residenzpflicht, die Auflösung der Lager und Abschiebeknäste, damit einhergehend die freie Wahl des Wohnortes und der Wohnung, das Recht auf Arbeit, der Zugang zu Bildung (Sprache, Berufsausbildung, Schulbildung) und der sofortige Stopp von Abschiebungen. Im Zuge der Auseinandersetzungen mit der hiesigen Heimleitung hatten die Flüchtlinge am 1. August 2013 ein Protestcamp in Bitterfeld eingerichtet, um ihre Forderungen in die Öffentlichkeit zu tragen und eine Kommunikation darüber anzustoßen, was es bedeutet, als Flüchtling in schikanösen, menschenunwürdigen und stark reglementierten Verhältnissen leben zu müssen. 


Der Protest fand unter den BitterfelderInnen nur wenig Beachtung. Dafür kam es zu einigen rassistisch motivierten Vorfällen auf dem Camp-Gelände. Erst am 22. August, also zwei Wochen nach Beginn des Hungerstreiks, besuchte die Integrationsbeauftragte des Landes Sachsen-Anhalt, Frau Möbeck, das Protestcamp in Bitterfeld, um sich mit den Flüchtlingen zu verständigen. Ab nächster Woche sollen Arbeitsgruppen gebildet werden. Bis dahin ist der Hungerstreik ausgesetzt. Aber es ist schon jetzt allen Beteiligten klar, dass sie wieder den Hunger wählen werden, falls es zu keinen Lösungen kommt, denn, so heißt es von den Flüchtlingen:     

 

„Lieber sterben wir im Protest als langsam im Flüchtlingsheim!“ 


Seit einigen Jahren kämpfen Flüchtlinge im ganzen Land um die Möglichkeit, ein menschenwürdiges Leben führen zu können. Ihr Ruf nach Freiheit und Selbstbestimmung geht weit über die Versprechen des Grundgesetzes und über den Anspruch auf materialistische Sicherheit hinaus. Vielmehr handelt es sich um radikal-emanzipatorische Prozesse der Selbstermächtigung, indem sie sich von der strukturellen Gewalt des Staates zu befreien versuchen, eigene Lebensentwürfe formulieren und sich unter dem Banner von Theorie und Praxis organisieren. Mithin verweisen sie in ihren Protesten immer wieder auf den Zusammenhang zwischen der kapitalistischen Ausbeutungspolitik westlicher Zivilisationen und den Gründen ihrer Flucht aus den Heimatländern. Die postkoloniale Plünderung und Unterdrückung ärmerer Länder haben dieselben Regierungen zu verantworten, die den Flüchtlingen aus eben jenen Regionen das Bleiberecht verweigern. Das ist die Paradoxie der Ungerechtigkeit und macht den Kampf der Flüchtlinge umso wichtiger! Denn ihr Kampf richtet sich nicht nur gegen den rassistischen Normalzustand in deutschen Behörden und Köpfen, nicht nur gegen die infame Verwertungslogik, wonach sogenannte ausländische Fachkräfte erwünscht sind, hingegen den Menschen aus krisen- und kriegszerrütteten Ländern beim Sterben vor den Küsten Europas zugesehen wird. Sie kämpfen nicht nur gegen die heilige Zweifaltigkeit des Imperialismus, also Staat und Kapital, sondern auch um das Prinzip der Solidarität. Die Erklärung der Flüchtlinge aus Bitterfeld zeugt von eben jenem Grundgedanken, welcher die Protestbewegung im ganzen Land angestoßen hatte und bald über alle Grenzen hinausgetragen wird:     

 

„Wir sind stark und werden für die Verbesserung und für die Rechte aller Flüchtlinge kämpfen.“ 


Hiermit wollen wir unseren Respekt vor eurem Kampf ausdrücken. Es ist euer Mut, eure Entschlossenheit und eure Kraft, die uns beeindruckt haben und uns wieder an die Grundideen einer radikal-emanzipatorischen Bewegung erinnern. Euch gilt unsere vollkommene Solidarität. Euer Ruf wird lauter werden! 

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Super, weiter so!
Solidarische Grüße aus Stuttgart.