Zur Bedrohung der Roten Flora und deren Widerstand

Wer das kaufen will, muss Stress mögen: Rote Flora

Seit einigen Wochen verdichten sich Informationen, die auf eine aktuelle Bedrohung der Roten Flora hindeuten. Für uns ist eine Situation entstanden, in der wir einen zeitnahen Angriff auf das Projekt für möglich halten. Das häufig wiederholte und zentrale Argument der etablierten Politik, um von einer vermeintlichen Entspannung im Konflikt um die Rote Flora zu sprechen, ist eine Bebauungsplanänderung, die ein Stadtteilkulturzentrum am geographischen Ort des Gebäudes festschreibt.

 

Wir haben ohnehin nie viel auf eine Bebauungsplanänderung gegeben. Denn ebenso wie sie eingeführt, kann und wird sie auch wieder gekippt werden, sobald es politisch oder ökonomisch opportun erscheint. Zudem ist ein neuer Bebauungsplan noch nicht verabschiedet und würde frühestens Anfang, vermutlich aber erst Mitte nächsten Jahres in Kraft treten. Obendrein führt die Kombination aus verlängertem Sanierungsgebiet und verändertem Bebauungsplan mit Veränderungssperre zu teilweise sich widersprechenden Bestimmungen für Bebauungsänderungen. Welche Möglichkeiten sich hier für Investoren mit verwaltungsjuristischem Sachverstand eröffnen mögen, ist für uns nicht absehbar. Wir müssen daher zur Kenntnis nehmen, dass aktuell weit weniger bürokratische Hürden gegen eine kommerzielle Nutzung des Gebäudes bestehen, als von Politik und Medien behauptet.

Wir machen uns auch nicht allzu viele Gedanken über die finanzielle Situation Klaus Martin Kretschmers und wünschen allen künftigen Investor_innen dieselbe Pleiten-, Pech- und Pannenserie. Auffällig ist allerdings, dass Anfang des Jahres nach einer Reihe von Insolvenzen und angesetzten Zwangsversteigerungen das Thema über Nacht aus den Schlagzeilen verschwunden ist. Nach allen uns zur Verfügung stehenden Informationen hat Kretschmer tatsächlich mit der Flora vorläufig Kasse gemacht. Der Investor Gerd Baer hat Kretschmer offenbar finanzielle Mittel zur Herstellung der Liquidität verschafft und im Gegenzug dafür durch eine „Vermietung“ Zugriff auf die Immobilie erhalten.

Baer will offenbar das aktuelle planungsrechtliche Vakkum nutzen, um profitable Nutzung in einem der teuersten Quartiere Deutschlands mit entsprechenden Gewinnerwartungen zu realisieren. Baer ist ein europaweit agierender Investor, der als eine ernstzunehmende Bedrohung einzuschätzen ist.

Ein Angriff auf die Flora könnte zum Beispiel in Form einer überfallartigen Räumung durch private Sicherheitsdienste erfolgen. Ein ähnliches Modell hat der Hamburger Investor Harm Müller-Spreer bereits beim Kulturprojekt Tacheles in Berlin durchgesetzt. Auch eine Brandsanierung wie 2005 in St. Georg geschehen, ist nicht ausgeschlossen und längst eine gängige Praxis, um Neubauten zu ermöglichen oder sperrige Bewohner_innen loszuwerden.

Wir bereiten uns daher ab sofort auf mögliche Angriffe vor. Und wie bereits die gestrige Vollversammlung zeigte, können wir auf breite Solidarität und Unterstützung bauen. Im Fall eines Angriffes rufen wir alle auf, direkt zum Gebäude zu kommen, sich darüber hinaus eigene Gedanken zu machen und auf entsprechende Ankündigungen zu achten.

Bei der Verteidigung der Roten Flora als besetztes, autonomes und kulturelles Zentrum geht es dabei nicht nur um den Erhalt des Projektes, sondern auch um dessen Weiterentwicklung als Störfaktor im Kampf gegen kapitalistische Standortpolitik, städtische Aufwertung, Ausgrenzung und Vertreibung.

Entsprechend verstehen wir den Kampf um die Rote Flora nach wie vor nicht als einen Konflikt um die privatwirtschaftlichen Interessen von austauschbaren Investor_innen, sondern als Auseinandersetzung um den Begriff von Stadt selbst. Wir lehnen eine Privatisierung des Öffentlichen und eine Ökonomisierung des Sozialen grundsätzlich ab und sehen uns von derselben Mechanik angegriffen, die auch die Gentrifizierung und Verdrängung in Wilhelmsburg vorantreibt oder für die Vertreibung am Hauptbahnhof und in der City verantwortlich ist, die sich in den Kämpfen von Mieter_innen gegen Zwangsräumungen und Mietenwahnsinn abbildet oder beim sich zuspitzenden Konflikt um die Esso-Häuser auf St. Pauli wirksam ist.

Kapitalistische Interessen und Marktlogik werden allerorts zur alleingültigen Instanz des gesellschaftlichen Zusammenlebens erhoben. Sie dienen als Argument, wenn eine Sanierung der Esso-Häusern angeblich zu teuer ist oder die Polizei auf die Straße geschickt wird, sobald es um die Umsätze und den Konsum in den Einkaufstraßen geht. Es ist die gesamte Kosten-Nutzen Rechnung der Marke Hamburg auf die wir kotzen.

Wir begrenzen uns im Widerstand nicht auf das Schanzenviertel, sondern rufen für den Fall einer sich abzeichnenden Räumung zu Demos und Aktionen im gesamten Stadtgebiet auf. Es gibt viele Orte, an denen sich die Situation der Roten Flora widerspiegelt und wir uns in Bezug zu anderen Kämpfen setzen können, um abweichende Vorstellungen von Stadt und Gesellschaft weiterzuentwickeln.

Gegen die Stadt der ökonomischen Interessen setzen wir die solidarische Vernetzung aller, die nicht schon satt und selbstzufrieden in ihren vorgefertigten Sofalandschaften hängen, sondern das Bedürfnis haben, die Stadt und das Leben um sich herum selbstbestimmt zu gestalten.

Wir werden eine Zerschlagung des Projektes Rote Flora nicht widerstandslos hinnehmen. Mit Brecheisen lassen sich im Zweifelsfall bereits verschlossene Türen wieder öffnen und mit Barrikaden einer autoritären Ordnungspolitik die Wege versperren. Es geht nicht nur um die Projekte kleiner radikaler Minderheiten, sondern um massenhafte, sich in Bewegung setzende Widerstandspraxen.

Dies zeigen nicht nur die Erfahrungen der Kämpfe um die Hafenstraße oder gegen Atomprojekte, sondern auch die Proteste der Gegenwart wie etwa antifaschistische Mobilisierungen, Refugee Camps, antimilitaristische Aktionen oder der Kampf um den Gezi Park, dessen Parolen auch in Hamburg solidarisch mit gerufen wurden: Taksim ist überall - Überall ist Widerstand. Wir sind Teil davon und bleiben in Bewegung.

Gegen die Stadt der Autoritäten und Kontrollen – Wir bleiben alle.
Solidarität mit dem Kampf der Flüchtlinge!
Bildet Banden!
Solidarische Grüße an das bedrohte AZ in Köln und alle besetzten Häuser und Plätze weltweit!

Rote Flora

Die Kampagne Flora bleibt unverträglich ruft gemeinsam mit Recht auf Stadt Initiativen zur Teilnahme an der morgigen Demonstration für das Bleiberecht aller Flüchtlinge auf. Start ist in Hamburg um 14 Uhr ab HBF in Berlin startet eine Demo zum selben Thema um 16 Uhr ab O-Platz.

Mehr Infos: http://florableibt.blogsport.de
http://www.rote-flora.de

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Mietenkämpfe Widerstand Militanz: Unter dem Titel "Die Eigentumsfrage stellen – Stadt übernehmen / Strategiepapier aus anarchistischer Sicht" gibt es nen Beitrag von April 2013. Ist aber noch ziemlich aktuell: nachzulesen bei https://linksunten.indymedia.org/de/node/86525