Magdeburg macht mobil

OB Trümper schüttelt JN-Chef Knape die Hand

In Magdeburg ist der Teufel los. Oder viel mehr die Elbe. Hochwasser ist angesagt, die feuchten Details sind uninteressant. Was das Wasser macht, ist das, was es immer macht: Es fließt. Historisch ist da nur der zu erwartende Pegelhochstand. Was das Wasser aber mit den Magdeburgerinnen* macht, ist furchteinflößend. Ein Szenario zwischen Bürgerkrieg und Volksfeststimmung. Public Viewing mit dem langweiligsten Spiel aller Zeiten, dafür interaktiv: Alle können mitmachen. 

 

Und an allen Ecken wird zum Mitmachen aufgefordert. Und die, die es nicht tun, werden als „Deichschädlinge“ rigoros aussortiert. Schlimm. Veranstaltungen werden abgesagt, auch weit weg vom Wasser entfernte und Veranstaltende, die sich trotz hoch erhobenen Zeigefingers der empörten Beinahe-Gäste nicht zur Absage überreden lassen, müßten Besseres zu tun haben als irgendetwas zu veranstalten, das dann vielleicht nichts mit „Deichverteidigung“[1] zu tun hat. Wenigstens muss es gesagt werden. Auch die Politikerinnen müssen wissen, dass sie eigentlich faule Schweine sind, denn sie gucken nur und packen nicht mit an. Schuld sind sie natürlich auch noch. Auf speziell eingerichteten Deichverteidigungssupportseiten [2] werden bildhafte Darstellungen der guten (die mit den Sandsäcken) und der bösen (die ohne Sandsäcke) Bürgerinnen konstruiert. Seltsam sei es, wenn an den Cafés Menschen in Sonnenstühlen (also quasi auf der faulen Haut) liegen und auf die übervolle Elbe schauen während wenige Meter weiter Freiwillige den Sand eines Kinderspielplatzes in einem Wohngebiet in Säcke schippen[3]. Rigoros (und nur konsequent- wird gegen jene durchgegriffen, die des Katastrophentourismus verdächtig sind: „Seit gestern wurden 232 Platzverweise erteilt und 25 Verwarngelder erhoben. Bei geringfügigen Verstößen werden zwischen 10 und 35 € sofort fällig, bei schweren Verstößen können Bußgelder mehrere hundert Euro betragen. Auch die Wasserschutzpolizei hat heute 22 Platzverweise ausgesprochen und zehn Pkw-Fahrer aus den Sperrgebieten verwiesen. außerdem wurden vier Fußgänger gebührenpflichtig verwarnt. Die Sicherung der Deiche hat in der gegenwärtigen Situation oberste Priorität.“ [4]

 

FLUTHILFE 2.0 via FACEBOOK


Die Fluthilfe floriert. Hier eine Sammlung, der entzückendsten Aufrufe, Durchhalteparolen und sonstige Zumutungen:

“Eines wird in diesen Tagen sehr deutlich, wir sind EIN VOLK UND HALTEN ZUSAMMEN wenn es darauf ankommt!” (Quelle: FB)

„Nationale Solidarität ist ein Waffe, im Kampf gegen das Hochwasser und der Überflutung unserer Heimatorte.“(Quelle: FB)

“Einige, helfen bis zu 12 Stunden und mehr(auch Ältere) und andere stzen in ihrem Büros (viele die jünger sind) erledigen Arbeiten,die mit unter noch Zeit haben! Warum? -einfach abstellen und mit arbeiten lassen. Gleiches Recht für alle und wie sieht es mit der Versorgung aus ? Nicht nur von privater Seite! Es wäre einfach die Pflicht unserer “Stadtväter” dafür zu sorgen das die Sache organisiert wierd ,vieles hat sicher später noch Zeit ,Hochwasser Bekämpfung geht jetzt vor.” (Quelle: FB)

“Eure Stadt wird vom Hochwasser bedroht und ihr ruft zum veganen Sommerfest auf???!!! Meint ihr nicht es wäresinnvoll die leut zur Fluthilfe aufzurufen und solche Termine zu verschieben? Also hier in Pirna bzw. Dresden läuft das so.“ (Quelle:  FB)

“Wo sind die Länder um zu helfen denn wir andauernd Geld geben?“ (Quelle:  FB)

“Loyalität bedeutet : Treue, Unterwerfung und innere Verbundenheit. In einer schweren Zeit sind wir alle ein Stück zusammen gerückt. Wir wollen DANKE sagen ….. /Quelle: Bundeswehr” (Quelle:  FB)

“Leider zurzeit besonders häufig anzutreffen: Gaffer! Das Leid anderer betrachten und nichts unternehmen, sowas braucht die Welt nicht.” (Quelle:FB )

 

Mitgefühl ist Pflicht
 

Was die Welt auch nicht braucht, sind tote Menschen. Ein Mann ist am Donnerstagvormittag in Barby (Salzlandkreis) beim Befüllen von Sandsäcken gestorben. Der freiwillige Helfer (Jahrgang 1950) sei zusammengebrochen, ein Notarzt habe nicht mehr helfen können. Bereits am Mittwoch sei eine Frau (Jahrgang 1946) in Aderstedt (Salzlandkreis) während einer Evakuierung kollabiert und verstorben. Der Katastrophenstab appelliert nun an alle Helfer, sich ausreichend Pausen zu gönnen. (Oder eben bitte nicht zu kollabieren).

 

War starts here


Ob nun mit oder Absicht die kriegerische Rhetorik zur Anwendung kommt, läßt sich bei Analyse der meist sehr knappen Texte nur schwer ergründen. Tatsächlich kommt aber kaum ein Medium ohne kollektivistische Lyrik aus und auch kaum ein Medium verzichtet auf Konstruktion von Feindbildern, die auch eifrig aufgesogen werden. Ob es nun der Bürgermeister Schönebecks ist, der frecher als Ottokar seinen Urlaub nicht abbricht [6] oder die in der Tat selten dämliche Georgina Fleur, mit ihrem kultigen „ihhhh…Hochwasser“[7]. Wer es wagt, sich der Deichfront zu entziehen (Spalter!), wird nicht wieder gewählt, sondern gnadenlos gedisst. Die Deichverteidigung scheint eine sehr emotionale Angelegenheit zu sein, die ‘uns’ viel abfordert und nur zwei Reaktionen wünscht und zulässt: 1) Mitgefühl mit den Betroffenen, 2) eifriger Fleiß beim Sand schüppen. Adressat der Hilfsaufrufe ist dabei unzweifelhaft das „Volk“, aber der Absender ebenso. Eine dumpfe Ahnung steigt da auf, was passieren würde, wäre der Feind nicht das Wasser, sondern….

 

Fazit


Mitzuhelfen ist nicht schlimm. Die Erklärung zum Grund aber den Nazis zu überlassen hingegen schon. Wenn der „Heimatschutz“ das einzig erwähnenswerte Motiv ist und die „nationale Solidarität“ das verbindende Gefühl, dann haben wir ein Problem. Und zwar auch dann, wenn das Wasser wieder weg ist. Anzunehmen, dass dem so wäre, ist sicher falsch, aber wie es denn wirklich ist, bleibt bisher geheim. In den Pausen, wovon nun mehrere gemacht werden sollen, hilft vielleicht ein kurzer Austausch darüber, was Sinn und Zweck der Deichverteidigung sein kann und warum es in diesem Fall so wichtig ist, dass alle und gleichermaßen helfen. Durch Verschweigen der Motive werden diese aber nicht klüger. Wenn es aber einzig darum geht, dabei zu sein (wie bei irgendeiner WM oder so), dann ist es so edel nicht, sich moralisch überlegen zu fühlen, heißt es abwarten: denn die nächste WM/Katastrophe/Flut kommt ganz bestimmt….

Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) bedankt sich bei Andy Knape (JN) für die fleißige Hilfe beim Heimatschutz:

*Es wird im Text durchgängig die weibliche Bezeichnung verwendet, die Männer sind mit gemeint.
 

[1] http://www.magdeburg.de/index.php?NavID=37.367&object=tx|37.9663.1&La=1
[2] https://www.facebook.com/hochwasser.sachsen.anhalt

[3] https://www.facebook.com/hochwasser.sachsen.anhalt/posts/459275424164737

[4] http://www.magdeburg.de/index.php?NavID=37.367&object=tx|37.9663.1&La=1

[5] http://www.volksstimme.de/nachrichten/sonderthemen/flut_2013/1087929_Toter-bei-Hochwasserhilfe-in-Barby.html
[6] http://www.volksstimme.de/nachrichten/sonderthemen/flut_2013/1087255_Buergermeister-bleibt-trotz-Hochwassers-im-Urlaub.html
[7] https://www.facebook.com/photo.php?fbid=387713901335087&set=pb.159886114117868.-2207520000.1370550660.&type=3&theater

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"In den Pausen, wovon nun mehrere gemacht werden sollen, hilft vielleicht ein kurzer Austausch darüber, was Sinn und Zweck der Deichverteidigung sein kann und warum es in diesem Fall so wichtig ist, dass alle und gleichermaßen helfen. Durch Verschweigen der Motive werden diese aber nicht klüger."

 

Ohne die Sachlage vor Ort genau zu kennen, aber ist das nicht offensichtlich worum es geht, wenn es darum geht einen Deichbruch zu verhindern?

Denn prinzipiell ist es in den Flutgebieten doch so, dass die Betroffenen Solidarität erfahren, weil ihre Existenzen bedroht sind oder schon zerstört wurden und den Helfer*innen bewusst ist, dass ihnen das auch passieren könnte. Das dann Vollpfosten entweder aus konkreter politischer Absicht oder einfach geistiger Armut heraus mit ihrem völkischen Mist kommen und das Solidaritätsgefühl damit vergiften ist in der derzeitigen gesellschaftlichen Lage leider nicht verwunderlich.

Umso sinnvoller ist es dann doch gerade aus anarchistischer/kommunistischer Perspektive heraus die ewig gepriesene Solidarität auch mal umzusetzen und zum Beispiel das vegane Sommerfest an einen der Deiche zu verlegen um mitzuhelfen und dem Bullshit der "nationalen" Solidarität von rechts eine andere Stimmung entgegenzusetzen. Natürlich bedeutet das das Einlassen auf Widersprüche, weil doch mal Leute auftauchen die irgendwelchen geistigen Mist ablassen, aber so läuft doch gesellschaftliche Auseinandersetzung. Nicht jede*r kommt mit einem akademischen Schnuller im Maul zur Welt. Immerhin sehen die Leute dann mal, wie sich ("linke") Solidarität praktisch zeigt.

 

Ihr wolltet mit dem Artikel wahrscheinlich eher darauf hinaus, dass sich statt der Mithilfe aus Solidarität ein gesellschaftlicher Stand des Zwangs zur Mithilfe entwickelt. Die Lösung dessen ist es aber nicht lediglich Oberlehrerhaft mit linkem erhobenen Zeigefinger daneben zu stehen und garnichts weiter zu tun und die Reaktionäre einfach schalten und walten zu lassen. Denn an den Deichen sind bestimmt längst nicht alle Leute so drauf, dass sie die von euch angesprochene Problematik gut finden. Wenn aber niemand den ersten Schritt wagt, werden sie vielleicht garnicht mitbekommen, dass es auch anders geht!

Danke!

warum wird behauptet, es wuerde im Text durchgaenig die weibliche Bezeichnung verwendet, wenn gleich im ersten Satz von "der Teufel" die Rede ist?

...mal wieder nur rumgelabert wird, weil die "emanzipierte" hedonistische "Linke" mal wieder keinen Druck von aussen ertragen kann, wird woanders geschippt und es brechen Dämme. Ich kann nur sagen, entweder engagieren oder einfach mal Fresse halten.

Dieses Gesülz, weil man glaubt, unter Rechtfertigungsdruck zu stehen, ist kaum zu ertragen.

Man kann davon ableiten, dass es wieder mal nur um euch selbst geht, weil's sich gerade unkomfortabel anfühlt.

Selbstgerechtigkeit hoch 10!