Interview: Kein Tag der deutschen Zukunft!

Kein Tag der deutschen Zukunft!

Seit einigen Jahren versuchen Neonazis unter dem Label „Tag der deutschen Zukunft“ einen regelmäßigen Großaufmarsch in Norddeutschland zu etablieren. Dieses Jahr haben sie sich Wolfsburg als Aufmarschort ausgesucht. Mehrere linke Bündnisse mobilisieren zu Gegenprotesten, um am 1. Juni sagen zu können: Kein Tag der deutschen Zukunft! Kombinat Fortschritt sprach mit einem Aktivisten aus Burg (Sachsen-Anhalt) über die Nazis, die anstehenden Proteste und die Razzien der Bundesanwaltschaft gegen die sog. „Revolutionären Aktionszellen“ von Mitte der Woche.

 

Infoveranstaltung in MV: Montag, den 27.05. im Cafe Median in Rostock

Moin Moin, eigentlich haben wir uns ja getroffen, um über Wolfsburg zu reden, da platzt nun die Nachricht von den Razzien der Bundesstaatsanwaltschaft u.a. in Magdeburg herein. Wie bewertest du die Vorgänge?

Das gerade jetzt gegen linke Strukturen mit dem §129 (Bildung einer kriminellen Vereinigung) in verschiedenen Städten in Deutschland vorgegangen wird, ist, wo der aktuelle NSU-Prozess stattfindet, nicht verwunderlich. Der Staat, der über 10 Jahre lang Neonazis unterstützte und diese mordend durch die Gegend ziehen ließ versucht mit dieser derzeitigen Repression eine Kulisse vom “linken Terror” aufzubauen und somit zum einen die Aufdeckung der NSU-Skandale in den Hintergrund zu rücken und zum anderen linke Politik zu kriminalisieren.

In Magdeburg hat es einen Infoladen getroffen. Man könnte schon fast vermuten, dass staatliche Behörden sich mal wieder mit Material eindecken wollen, weil sie anders an bestimmte Lektüre kaum kommen. Wie etwa beim Weißen Wolf, in dieser Postille, herausgegeben u.a. von David Petereit, war ja erstmalig von einem ‘NSU’ die Rede…

Genau! In Magdeburg wurde mal wieder der Infoladen, nachdem dieser schon im September 2012 von der Polizei durchsucht wurde, Ziel staatlicher Repression. Das dieser Ort erneut betroffen war, hängt in meinen Augen damit zusammen, dass der Infoladen immer wieder bei antifaschistischen Aktionen in Magdeburg Anlaufpunkt für viele Menschen ist und dort seit Jahren linke Politik betrieben wird.

Kommen wir von einem unangenehmen Thema zum anderen. Am 1. Juni wollen Neonazis durch Wolfsburg marschieren. Wer steckt dahinter? NPD oder eher Freie Kräfte? Und wieviele Nazis sind zu erwarten?

Mit dem sogenannten “Tag der deutschen Zukunft” versucht das norddeutsche Kameradschaftsspektrum seit mehreren Jahren eine eigene, kontinuierliche Veranstaltung zu etablieren. Dabei ist in diesem Jahr besonders das faschistische “Aktionsbündnis 38″, zu dem die „Aktionsgruppe 38“ (Braunschweig), Aktionsgruppe Wolfsburg (ehemals „Bürgerinitiative für Zivilcourage“) und der Aktionsgruppe Gifhorn gehören, zu nennen, die diesen Aufmarsch durchführen wollen. Nach bisherigem Kenntnisstand sind durchaus etwa 700 Neonazis möglich, die nach Wolfsburg kommen könnten.

Ich finde es immer bemerkenswert, dass die ewig Gestrigen ständig etwas von Zukunft quatschen. Welche Sichtweise auf die Welt wollen die Nazis denn mit ihrer Demonstration verbreiten?

Was die Nazis als Zukunft bezeichnen ist nichts weiter als deutsche Vergangenheit und steht dabei in einer direkten Tradition zur Blut- und Bodenideologie. Was hier versucht wird als “Überfremdung” zu verkaufen, ist nichts weiter als rassistischer und nationalistischer Scheiß.

Was ist denn diese Blut- und Bodenideologie und wo liegt das Problem?

Deutscher Staatsbürger kann nur Deutscher sein. Und deutsch sein, heißt deutschen Blutes zu sein. Das sieht man auch bei den Burschenschaftlern, die einen strammrechten Studenten mit asiatischer Abstammung nicht aufnehmen wollen. Das ganze ist nicht nur ziemlich menschenverachtend, es ist natürlich auch ziemlicher Blödsinn. Ihr habt doch in MV den Herrn Andrejewski, der für NPD im Landtag sitzt. Der würde ja nicht einmal selbst einen Arierpass bekommen. Außerdem würde sich dann perspektivisch die Frage stellen, wie man mit den ganzen “Mischlingen” umgeht. Die historischen Nazis hatten dafür ja eine Lösung gefunden. Das war dann eben die Endlösung. Konsequent zu Ende gedacht, bedeutet die Zukunft, so wie sie sich die Nazis vorstellen, einfach nur Massenmord. Das ist jetzt nicht weiter überraschend, aber wir werden uns ihnen und ihrer Ideologie auf jeden Fall in den Weg stellen.

Bevor wir zu den Gegenprotesten kommen – Die Nazis würden jetzt natürlich behaupten, dass es ihnen ja vielmehr um die deutsche Kultur geht. Deine Entgegnung?

Liest man sich den Aufruf, also wenn man diesen 10-zeiligen Abschnitt als Aufruf bezeichnen kann, durch, erkennt man schnell um was es geht. “Nichtdeutsche” müssen als Sündenbock für eine Anti-Soziale-Politik des Staates herhalten. Sie sprechen von 16 Millionen Nichtdeutschen die in der BRD leben, gemeint ist hier die Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Man sieht also klar, dass es ihnen nicht um deutsche Kultur geht – was das auch immer sein möge – sondern sie wollen ein „reinrassisches“ Deutschland.

Jetzt aber endlich zu den Gegenprotesten. Ihr reist aus Burg an, kommt also nicht von vor Ort. Seid aber zumindest dichter dran als wir in MV. Was sind eure Erwartungen an den Tag?

Wir hatten schon in der Vergangenheit die antifaschistischen Aktionen gegen diesen jährlich stattfindenen Neonaziaufmarsch unterstützt und dazu schon im vergangenen Jahr eine Busfahrt nach Hamburg organisiert. Als wir hörten, dass am 01. Juni 2013 die Neonazis unter demselben Motto wie in Hamburg 2012 oder Braunschweig 2011 nun auch im von uns 80 Kilometer entfernten Wolfsburg aufmarschieren wollen, war für uns sofort klar uns an den Gegenaktivitäten zu beteiligen. Wir gehen derzeit davon aus, dass die Polizei alles daran setzen wird den Neonaziaufmarsch durchzusetzen. Das zeigt sich deutlich an der geänderten Route der Neonazis. Diese befindet sich in einem abgelegenen Gewerbegebiet was es der Polizei leicht macht die Straßen abzusperren und unbeobachtet massive Gewalt, wie es in der Vergangenheit nicht selten üblich war, gegen NeonazigegnerInnen einzusetzen.

Auf einer Mobiseite wird ziviler Ungehorsam propagiert und die Breite des Bündnisses betont. Rechnet ihr eher mit Sitzblockaden oder ausgedehnten Geländespielen mit Team Green?

Das können wir mit der derzeitigen Routenänderung des Aufmarsches nur schwer beantworten. Ob sich diese Stimmung auch auf das abgelegene Gewerbegebiet transportieren lassen kann, können wir erst in den kommenden Tagen sagen.

Massenblockaden scheinen ein probates Mittel zu sein, um Naziaufmärsche zu stören oder gar zu verhindern. Allerdings erkauft man sich durch die Breite des Bündnisses auch eine Einengung der Handlungsmöglichkeiten. Wie steht ihr dazu?

Das ist vollkommen richtig doch handelt es sich, wenn wir jetzt bei Wolfsburg bleiben, es sich nicht explizit um ein Bündniss was gegen den Neonaziaufmarsch arbeitet sondern gibt es mehrere, die zwar alle den Aufmarsch verhindern wollen, doch bis auf das Bündnis “Wolfsburger Schulterschluss der Demokraten”, die schon genau abstecken was sie vorhaben, lassen die anderen beiden Bündnisse offen, wie weit sie gehen werden um das Ziel, die Verhinderung des Neonaziaufmarsches, durchzusetzen.

Und wer sind die anderen beiden Bündnisse?

Das wären das Bündnis “Keine Zukunft für Nazis” und “There is no german Zukunft”.

Das klingt jetzt nicht so grundverschieden. Auch wenn letzteres dem Namen nach eine eher “antideutsche” Ausrichtung suggeriert. Kannst du noch kurz was zu den beiden Bündnissen sagen und vielleicht noch etwas auf das Verhältnis untereinander eingehen?

Gerne! Das Bündnis “Keine Zukunft für Nazis” hat sich zum Ziel gesetzt eine starke, breite antifaschistische Mobilisierung nach Wolfsburg zu organisieren und führt dazu auch bundesweit Infoveranstaltungen durch, plant eine Bus- und Zuganreise und wird versuchen den Naziaufmarsch in Wolfsburg zu verhindern. Desweiteren wird das Bündnis versuchen, linksradikale Inhalte fern ab von “Bratwurstessen gegen Nazis” am 01. Juni zu vermitteln – ob dies gelingen wird ist derzeit nicht zu sagen.

“There is no german Zukunft” hingehen setzt sich mit der Geschichte der Stadt Wolfsburg auseinander und macht auch in ihrer Mobilisierung deutlich, dass Wolfsburg von Nazis geplant und errichtet wurde. Was diese genau für den Tag selber planen kann ich an dieser Stelle leider nicht sagen, doch klar ist, zwischen den beiden Bündnissen herrscht keine gegenseitige Konkurrenz und das Ziel den Naziaufmarsch zu verhindern haben beide.

Zusammenfassend also eine unterschiedliche Schwerpunktsetzung beim gleichen gemeinsamen Ziel, was in kooperativer Art und Weise verfolgt wird?

Ja.

Was würdet ihr Antifaschisten aus MV empfehlen die nach Wolfsburg fahren wollen?

Antifas aus MV empfehlen wir bisher, sich darauf einzustellen gegen 10 Uhr in Wolfsburg zu sein und regelmäßig die Homepages NoTddZ und There is no german Zukunft zu besuchen. Dort wird es in den kommenden Tagen genaue Informationen zum Tag geben. Noch besser ist es allerdings, am kommenden Montag den 27. Mai die Informationsveranstaltung um 19 Uhr im Cafe Median in Rostock zu besuchen.
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