Punklieder fallen unter die Kunstfreiheit – aber nicht auf einer Demo

Erstveröffentlicht: 
19.10.2012

Amtsgericht verurteilt einen Demonstranten wegen Beleidigung eines Polizisten zu Geldstrafe: Er hatte das Lied "Wir wollen keine Bullenschweine" abgespielt.
Wer bei einer Demonstration über eine Verstärkeranlage ein Lied abspielt, in dem Polizisten als "Bullenschweine" bezeichnet werden, macht sich wegen Beleidigung strafbar. Das hat am Donnerstag ein Strafrichter des Amtsgerichts Freiburg im Falle eines 22-jährigen Angeklagten entschieden. Der Angeklagte wurde zu einer Einzelstrafe von 20 Tagessätzen à zehn Euro verurteilt. Seine Anwältin hatte zuvor auf Freispruch plädiert.

Im Internet waren "kreative Aktionen im Gerichtssaal" für die Verhandlung angekündigt worden. Mit der Folge, dass die Polizei Zuschauern den Zutritt nur nach vorheriger Durchsuchung und Abgabe von Rucksäcken und Taschen erlaubte. Angeordnet hatte diese Sicherheitsmaßnahmen das Gericht.

 

Punkmusik während einer Demo gegen Mietpreis

Der Angeklagte selbst schwieg zu den beiden Vorwürfen der Anklage: Er solle bei einer Demonstration am 3. März 2012 gegen die Immobilienmesse und die hohen Mietpreise in Freiburg einen Polizisten beleidigt zu haben. Nicht mit eigenen Worten, so das Besondere an diesem Fall, sondern indem er das Musikstück einer Punkband laut abspielte. In dessen Refrain war "Wir wollen keine Bullenschweine" zu hören. Ein Polizist fühlte sich deshalb in seiner Ehre verletzt und erstattete Strafanzeige gegen den Mann, der die Musikanlage auf einem Fahrrad dabei und bedient hatte.

In seinem Plädoyer wog Staatsanwalt Klippstein die Grundrechte der Meinungsfreiheit und der Demonstrationsfreiheit gegen den Schutz der Ehre ab. Er kam zu dem Schluss, dass sich der Angeklagte durch das Abspielen des Liedes in unmittelbarer Nähe der Polizisten der Beleidigung schuldig gemacht habe. Der Angeklagte habe das Lied verantwortlich abgespielt, habe sich nicht davon distanziert und sich dessen Aussage zu eigen gemacht. Klippstein: "Das Abspielen bei der Demo macht deutlich, dass es auf den Beamten gezielt war." Der Staatsanwalt beantragte eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je zehn Euro.

Verteidigerin Furminiak argumentierte für einen Freispruch aus rechtlichen Gründen. Strafbar könne das Verhalten ihres Mandanten nur sein, wenn sich die Beleidigung auf einen eingrenzbaren Personenkreis bezogen habe. Das sei hier nicht der Fall gewesen, und eine sogenannte Kollektivbeleidigung sei nicht strafbar. In dem Lied, das zum Kulturgut der Punkbewegung gehöre, gehe es um eine zugespitzte Kritik an einem faschistischen Polizeistaat. Es gehe nicht um persönliche Angriffe gegen Polizeibeamte.


Offene Schmähkritik wird nicht geduldet

Strafrichter Ruby verurteilte den Angeklagten schließlich wegen Beleidigung. Punklieder fallen unter die Kunstfreiheit. Weder von dieser noch von Meinungsfreiheit geschützt werde hingegen die offene Schmähkritik. Auch wenn die Bezeichnung "Bulle" heute keine Beleidigung per se mehr darstelle, sei es eine beleidigende Schmähkritik, wenn im Lied behauptet werde, dass Bullen Schweine seien, die man mit Steinen und Molotow-Cocktails bewerfen könne. Hätte der Angeklagte das Lied auf einer privaten Party abgespielt, hätte es sich um eine straflose Kollektivbeleidigung gehandelt. Auf einer Demonstration aber sei ein deutlicher Bezug zu den anwesenden Polizisten hergestellt worden, deshalb habe er sich der Beleidigung schuldig gemacht.

Der Angeklagte, der über die Beleidigung hinaus auch noch der fahrlässigen Körperverletzung schuldig gesprochen wurde, weil er einem Polizisten mit seinem Fahrrad in die Ferse gefahren war, ist zu einer Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt worden, die er in Raten abstottern kann. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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