Am Rande der Nazidemo kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Gegendemonstranten und der Polizei. Mitglieder der linken Szene seien mit Gewalt gegen Polizeibeamte vorgegangen, sagte ein Polizeisprecher. Es seien Steine und Flaschen geworfen worden, zudem seien Polizisten getreten und geschlagen worden. Drei Streifenwagen sowie eine Baustelle wurden beschädigt. Es habe mehr als 60 Festnahmen gegeben. Zur Frage von Verletzte konnte sich die Polizei zunächst nicht äußern. Unter die 2000 Gegendemonstranten hätten sich rund 400 Gewaltbereite und Vermummte gemischt, hieß es.
Autor: Sandra Schröder/dpa | 06.10.2012
Bei der Nazidemo kam es am Samstag in Göppingen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen
Gegendemonstranten und der Polizei. Mitglieder der linken Szene lieferten sich mit der Polizei ein stundenlanges
Katz-Und-Maus-Spiel. Sie gingen mit Gewalt gegen Polizeibeamte vor und versuchten, Absperrungen zu durchbrechen. Es wurden Steine und Flaschen geworfen, sagte ein Polizeisprecher. Zudem wurden Leuchtraketen gezündet, Polizisten seien getreten und geschlagen worden. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort, um
Rechte und Linke auf Distanz zu halten. Das Gebiet rund um den Neonazi-Aufmarsch war weiträumig abgeriegelt worden.
Den Angaben zufolge wurden mehr als 110 Gegendemonstranten vorläufig festgenommen. Drei Streifenwagen sowie eine Baustelle wurden beschädigt. Unter die 2000 Gegendemonstranten hätten sich rund 400 Gewaltbereite und Vermummte gemischt, hieß es. Es habe einige Leichtverletzte gegeben.
Nach Polizeiangaben nahmen 152 Neonazis an der Demo teil - erwartet waren 400. Sie liefen mit Polizeischutz vom Bahnhof aus über die Geislinger Straße, dann in nördlicher Richtung auf der Mörikestraße bis zur Friedrichstraße. Dort nahm die Polizei die Neonazis in die Mitte und in "Schutzgewahrsam", damit sie sich zum einen nicht in der Stadt verteilen konnten und zum zweiten nicht durch die Gegendemonstranten angegriffen werden konnten. Nach einiger Zeit ging es dann in Begleitung der Polizei zurück zum Bahnhof, wo noch eine Abschlusskundgebung stattfand.
Aufgeheizte Stimmung
Einige Stunden zuvor: Mit 110 Minuten Verspätung begann die Nazidemo statt um 13 Uhr erst um 14.50 Uhr. Die NWZ-Reporter berichteten von einer aufgeheizten Stimmung bei den Nazigegnern. Auf Facebook hält die Polizei die Bürger über die Ereignisse auf dem Laufenden. Demnach mischten sich unter die insgesamt 2000 Gegendemonstranten gegen 14.30 Uhr in der Poststraße, Schützenstraße und Bleichstraße etwa 400 Gewaltbereite und Vermummte - viele davon gehörten zum linken Spektrum. Einige waren mit Stöcken und Steinen bewaffnet und trugen Fahnen.
Ein Großteil der Gegendemonstranten bestand aber aus Bürgern, die friedlich ihrem Protest gegen Neonazis Ausdruck verliehen. Über Stunden kreiste ein Polizeihubschrauber über der Stadt, immer wieder hallten Polizeisirenen und Hupkonzerte durch die Straßen. Wie die Göppinger Polizei berichtete, wurden um 15.10 Uhr Beamte von etwa 250 vermummten Personen der linken Szene im Bereich Friedrich-Ebert-Straße / Mörikestraße mit Gegenständen beworfen. Danach setzte die Polizei Pfefferspray ein.
Bis 15.45 Uhr nahm die Polizei 101 Gegendemonstranten in Gewahrsam. Außerdem wurden acht Personen wegen Verstoß gegen das Waffengesetz, Beleidung und Widerstand gegen Polizeibeamte vorläufig festgenommen. Nach Angaben der Polizei richteten sich diese Einsätze ausnahmslos gegen Personen der linken Szene. Allerdings berichten die NWZ-Reporter, dass auch Zuschauer und friedliche Gegendemonstranten die Auswirkungen des Pfeffersprays zu spüren bekamen.
Vermutlich Sabotage an der Bahnlinie zwischen Gingen und Süßen
Am Bahnhof warten die Nazigegner nach Informationen der NWZ von 13 bis 14.50 Uhr auf den Beginn der Demo. Grund für die Verzögerung seien Zugausfälle. Die NWZ-Reporter erfuhren von einem Kabelbrand zwischen dem Bahnhof Gingen und Süßen. Reisende in einem Zug von Stuttgart nach Ulm meldeten - ihr Regionalexpress stehe "auf unbestimmte Zeit" irgendwo zwischen Esslingen und Plochingen. Eine Durchsage im Zug sprach von Vandalismus in den Bahnhöfen von Göppingen und Geislingen. Der Bahnverkehr zwischen Ulm und Stuttgart musste um 12.33 Uhr bis 13.15 Uhr eingestellt werden, bestätigt auch die Polizei: "Grund dafür ist ein Kabelschaden an der Bahnlinie zwischen Gingen und Süßen, der möglicherweise vorsätzlich verursacht wurde."
Gruppenweise trafen ab13.15 Uhr die ersten Neonazis am Göppinger Bahnhof ein, der seit etwa 12.30 Uhr gesperrt war. Einige der rechten Gruppen stiegen vom Zug auf Busse um. Die Teilnehmer wurden von den Einsatzkräften zu ihrem Sammelort in die Geislinger Straße begleitet.
Zwischen 11.30 Uhr und 12.15 Uhr nahm die Polizei zwischen Oberhofenanlage und Stadthalle etwa 30 Personen des linken Spektrums in Gewahrsam, weil sie mit pyrotechischen Gegenständen nach den Einsatzkräften warfen. Die Nachrichtenagentur dpa berichtet kurz darauf von 60 vorläufigen Festnahmen aus dem linken Spektrum, die sich gewaltbereit zeigten.
Bis etwa 11.30 Uhr verlief die Gegenveranstaltungen zur Demo der nationalen Sozialisten in Göppingen im Bereich von Post- und Hauptstraße friedlich. Bereits um 8.30 Uhr fuhren am Samstagmorgen im Minutentakt Mannschaftswagen der Polizei von der B 10 aus Stuttgart in Richtung Göppinger Bereitschaftspolizei. Rund um die Göppinger Innenstadt gruppierten sich Polizisten. Auch auf der Fußgängerbrücke in der Jahnstraße, die zum Bahnhof führt, standen Beamte in Sicherheitsausrüstung. Straßen in Richtung Innenstadt, die entlang der Marschroute der Nazidemo liegen, wurden für den Autoverkehr gesperrt.
Die Polizei scheint auf alles vorbereitet zu sein: in der Burgstraße neben dem Schlosspark stehen zwei Wasserwerfer bereit. Auch Polizeiwagen mit Kameras auf dem Dach fuhren am Morgen durch die Burgstraße. In der Innenstadt und auf dem Marktplatz ging es gegen 9 Uhr noch ruhig zu. Kaum Fußgänger waren unterwegs, das Weinfest war nahezu verweist. Die Geschäfte sind aber geöffnet.
Mahnende Worte vor dem Rathaus
Um 9 Uhr hielt OB Guido Till eine Ansprache vor dem Göppinger Rathaus. "Wir wollen keine Nazis und kein neues Nazitum in unserer Hohenstaufenstadt - wir haben aus der Geschichte gelernt", sagte der Rathauschef. Währenddessen kreiste ein Polizeihubschrauber hoch über den Köpfen der Zuhörer. Till verwies auf den Göppinger Synagogenbrand im Jahr 1937, die Deportation und Ermordung Göppinger Juden und andere Gräueltaten im Zweiten Weltkrieg. Mit Blick auf diese Geschehnisse forderte er die Bürger auf "Nein zu sagen zu jeder rechten Gesinnung, nein zu sagen, zu jeder extremistischen Ausrichtung - sei sie nun von rechts oder von links", so Till.
Der OB äußerte auch sein Unverständnis über die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, das Verbot der Nazidemo in Göppingen aufzuheben, obwohl die Stadt auf 100 Seiten die Gefahrenlage begründete. "Wir müssen diesen Tag ertragen, auch wenn wir diese Form der Willensbekundung ablehnen", erklärte Till mit Blick auf die Nazidemo. "Es wird heute gut gehen", versprach er und verwies auf die Sicherheitsvorkehrungen der Polizei.
Im Anschluss kamen die Fraktionsvorsitzenden des Göppinger Gemeinderats zu Wort. Anders als sonst war sich der Gemeinderat in diesem Punkt geschlossen einig: "Wir wollen keine Neonazis in Göppingen sehen", bekräftigte Felix Gerber (CDU). Auch er forderte die Zuhörer auf, Flagge zu zeigen gegen Extremismus. "Lassen Sie uns den Tag friedlich überstehen", mahnte er. "Jede Art von Extremismus, Rassismus und Antisemitismus sowie jede Art von Gewalt darf bei uns keine Chance haben", forderte auch Wolfram Feifel (FW/VUB).
Der Verwaltungsgerichtshof begründete die Zulassung der Nazidemo unter anderem mit der Versammlungsfreiheit. "Toleranz hat seine Grenzen", sagte Rolf Daferner (FDP/FW) dazu. Er wurde 1934 in Göppingen geboren und erlebte noch elf Jahre des Naziregimes mit. Daferner wurde am 1. März 1945 Zeuge des Bombenangriffs auf Göppingen, sah Verletzte und Tote. "Das hat uns Junge zutiefst getroffen", mahnte er.
Christoph Weber (Grüne) kritisierte, dass die Stadtverwaltung nicht auch schon vor dem Wahlkampf zur OB-Wahl aktiv wurde. Der Meinung war auch Armin Roos (SPD): Die Stadt habe schon bei früheren Veranstaltungen handeln können. "Neofaschisten organisieren das sechste Mal in Göppingen dieses Jahr eine Aktion - außerhalb des Wahlkampfes ist nichts passiert", ereiferte sich auch Christian Stähle (Linke). Empfindlich reagierte er auf die Aussagen seiner Vorredner über Linke und betonte: "Antifaschisten sind Widerstandskämpfer - wenn Sie hier von Extremismus zum Links sprechen ist das Schofel". Er bezeichnete das Wegschauen bei rechten Aktionen als "feige Unterstützung". Damit spielte er auf ein Banner der Neonazis an, das zwei Tage lang an der Brücke vor dem Berufschulzentrum in der Öde hing. " Da muss man hochgehen, eine Schere nehmen und den Dreck abschneiden", meinte Stähle.
Stefan Horn (BAG) warf den Neonazis vor, mit dem Motto der Demo „Ausbeutung stoppen - Kapitalismus zerschlagen!“ mit der Angst der Bürger in der Eurokrise zu spielen. "Angst ist die einzige Waffe, die sie haben", sagte Horn. Die Neonazis machten sich dazu Sprüchen der Occupy-Bewegung zu Nutze, um sich einen neuen Anstrich zu geben. "Braune Wäsche wird aber auch nach mehrmaligem Waschen nicht weiß", zitierte Horn eine Weisheit seine Großmutter.
Kundgebung gegen Rechts
Die Kundgebung des Bündnisses "Kreis Göppingen nazifrei" startete danach um 10 Uhr in der Poststraße neben dem Weinfest. Bündnissprecher Alex Maier wunderte sich über die zunächst wenigen Teilnehmer. Passanten berichteten von Polizeisperren, die auch keine Fußgänger mehr Richtung Innenstadt durchließen. Auf die Fragen der Bürger, über welche Straßen sie denn noch in die Stadtmitte gelangen könnten, konnte die Polizei nach deren Aussage wohl keine Antwort geben.
Auch die Vizepräsidentin des Landtags von Baden-Württemberg, Brigitte Lösch, hatte Schwierigkeiten zur Bühne der Kundgebung vorzudringen, um dort eine Rede zu halten. Die Polizei erklärte Bündnissprecher Alex Maier auf Nachfrage nach seinen Angaben am Telefon, dass viele der eingesetzten Beamten aus Stuttgart in Göppingen ortsunkundig wären.
Die Abwesenheit von OB Guido Till bei der Kundgebung sorgte bei Stadtrat und OB-Kandidat Christian Stähle (Linke) für "Entsetzen", wie er der NWZ umgehend mitteilte. Auch Verdi-Landesbezirksleiterin Leni Breymaier brachte ihren Unmut darüber zum Ausdruck: „Bei allem was einen sonst trennt - beim Kampf gegen die Nazis muss man zusammen stehen, deshalb gehört der erste Bürger der Stadt, der Oberbürgermeister, auf diese Kundgebung." Auf Nachfrage der NWZ erklärte Breymaier nach der Kundgebung erneut: „Man kann erwarten, dass künftige Nazi-Aufmärsche von der Stadt untersagt werden.“ Nachdem fünf Aufmärsche genehmigt wurden, richte sich die NPD hier häuslich ein. Erst beim sechsten Antrag mache die Stadt, was sich gehört, mit der Nicht-Genehmigung deutlich zeigen: Nazis sind in Göppingen unerwünscht.
Einige Reaktionen auf Facebook zur Nazidemo und den Ausschreitungen
Thomas Vollmer: "Gewalt mit Gegengewalt zu begegnen ist einfach nur dumm..."
Bärbel Weller: "Hoffendlich wird das nicht schlimmer , mein armes GÖPPINGEN"
Sandra Weinert: "Hoffentlich hat das bald ein Ende !!! Und hoffentlich geht es glimpflich aus!!"
Kaza Valium: "Leider schaffen es die Gegendemonstranten ja auch nie, ruhig zu bleiben. Das wirft auf sie auch ein schlechteres Bild, als sie wollen. Naja ich hoffe der Trubel ist bald vorbei... So eine Demo an einem Samstag, was gibt es Schöneres..."
An Ba: "Wie dumm seid ihr Linken eigentlich? Wollt gegen rechte Gewalt demonstrieren und greift Polizisten an? Was bitte hat das noch mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung zu tun? Mein absolutes Unverständnis habt ihr!"
Clemens Geier: "Ich hab heute Pfefferspray abgekriegt, weil eine Bande Rücksichtsloser gewaltbereiter A*löcher versucht hat, eine Barrikade grundlos zu durchbrechen um ihre Gewaltfantasien auszuleben und dabei noch friedliche Mitdemonstranten über den Haufen gerannt hat. "Wir sind friedlich, was seid ihr?" hätte heute die Polizei gerne rufen können."
Volker Landskron: "Man muss sich immer wieder sagen, das durch die Rechten mehr Leute getötet oder verletzt werden als durch die Linken. Dumm benehmen tun sich beide...
Manfred Minet: "Bin mir nicht sicher ob man diese hirnlose Chaoten als Links bezeichnen kann und darf - da sie nur auf Randale aus sind."
Jan Petri: "Wir bräuchten ein Polizeisystem wie in den USA. Hierzulande gibt es doch keinen Respekt mehr gegenüber der Polizei."
...
Gerade habe ich auch im SWR Fernsehen einen kurzen Bericht über Ausschreitungen bei der Demo sehen können.
Komischerweise besteht der Bericht, genau wie dieser hier, nur auf Bullenaussagen und von Repressionen, gewalttätigen Übergriffen seitens der Bullen wird leider nicht berichtet.
Einige Gegendemonstranten wurden heute von Bullen geprügelt und getreten, auch als diese schon am Boden lagen. Ausserdem wurde auch verletzten Gegendemonstranten die Hilfe durch Sanitäter verweigert, da diese von den Bullen nicht durchgelassen wurden.
Dies nur als kleine Ergänzung. Wer dabei war, weiß was sich zugetragen hat.
A.C.A.B.
Es gibt kein ruhiges Hinterland!
Alerta Antifascista !