In der Nacht vom 13. auf 14. September den haben wir den kriegsverherrlichenden Gedenkstein auf dem Kilia-Sportplatz mit Farbe verschönert. Der Stein weist die Inschrift auf: "Der Sport schuf Helden und wird wieder Helden schaffen" und soll an in den beiden Weltkriegen gestorbene Kieler Sportler erinnern.
Wir finden diese Inschrift auf vielerlei Ebenen ekelhaft, ebenso auf vielerlei Ebenen bezeichnend für das, was Sport in Deutschland war und noch immer ist: Bürgerlich, nationale Identität stiftend, Instrument der "Volksgesundheit" und der körperlichen Ertüchtigung fürs Kriegführen.
Sport, das heißt zumeist Wettbewerb zwischen Individuen oder Kollektiven, die der Zwang zum gemeinsamen Siegen zusammenschweißt, ihnen ihre "Corporate Identity" verleiht. Das moralische Gebot der Fairness legt den Akteur_innen eine gewisse Selbstbeschränkung in den Mitteln auf, gemäß dem bürgerlichen Prinzip der Mäßigung. Der Erfolg, der anderen missgönnt wird, wird dann häufig auf deren vermeintliche Unfairness abgeschoben, wie alle Jahre wieder, wenn die deutsche Fußballnationalmannschaft der Männer gegen die italienische Auswahl spielt oder gegen einen anderen Gegner verliert. Was als fair und unfair wahrgenommen wird, ist dementsprechend oft kontextabhängig, wird je nach Situation mal als Brutalität, mal als "Englische Härte" bezeichnet und ist selbstverständlich nie das, was das bevorzugte oder eigene Team macht. Nicht zuletzt dient die Selbstbeschränkung aber auch dem Zweck, dass die Ware Arbeitskraft auch nach dem sportlichen Wettkampf noch verwertbar ist.
Die Geschichte des Sports in Deutschland ist zugleich eine Geschichte deutschen Nationalismus. Die Turnbewegung Turnvater Jahns im 19. Jahrhundert war eine nationalistische, antisemitische und männerbündische Bewegung, die geistig den Burschenschaften nahestand und deren Ziel es war, deutsche Männer fit für ein geeinigtes Deutschland zu machen. Noch heute ehren Denkmäler und Sporthallen Jahn und dieses Stück nationaler Identitätskonstruktion.
Es gab historisch einen Exkurs in einen "besseren" Sport, der sich erst in der Arbeiter-, Turn- und Sportbewegung (ATSB) organisierte, später auch in den kommunistischen Rotsportverbänden, diese wurden aber nie hegemonial gegenüber dem bürgerlichen Sport. Sportlich ein "Held" zu werden, versprach auch Männern aus der Arbeiterklasse sozialen Aufstieg, sofern sie sich denn in den bürgerlichen Sportverbänden organisierten, die auch größere Beachtung erfuhren, als die proletarischen.
Im Dritten Reich diente Sport der körperlichen Ertüchtigung für den Krieg und die "Volksgesundheit". Vereine und Verbände wurden gleichgeschaltet, Heldenverehrung auf allen gesellschaftlichen Ebenen propagiert, sportliche Erfolge deutscher Sportler, wie des Boxers Max Schmeling, für rassistische und nationalistische Propaganda benutzt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg diente vor allem der Fußball und die Erfolge und Misserfolge der deutschen Männerauswahl zur nationalen Identitätskonstruktion, vom "Wunder von Bern" über das "Sommermärchen" 2006 bis heute. Frauenauswahlmannschaften oder hervorragende Einzelsportlerinnen scheinen hier lediglich eine Randnotiz für die "Volksseele" zu sein.
Der Gedenkstein auf dem Kilia-Gelände dient nicht nur, wie andere Kriegsdenkmale, einem geschichtsrelativierenden Umdeuten von deutschen TäterInnen zu Opfern, er nimmt sogar positiv Bezug auf die Geschichte und wünscht sich offenkundig ihre Wiederholung, stellt den Sport immernoch in den Dienst der nationalen Sache, der köperlichen Ertüchtigung, im Zweifel für den "Heldentod".
Deshalb haben wir, die schlechtesten Sprayer_innen der Stadt, die wir absolut keine Helden sind, vielmehr überzeugte Turnbeutelvergesser_innen, nachts diesen Stein mit Parolen und Farbe beschmiert. Wir hoffen, dass Kilia den Stein nicht reinigt sondern bestenfalls entfernt. Wir möchten eine Debatte anstoßen, warum eigentlich Sport getrieben wird. Es gibt keinen richtigen Sport in der bürgerlichen Gesellschaft, Sport ist immer auch Politikum und Teil des falschen Ganzen, aber nehmen wir als Denkanstoß mit auf den Weg: Wie kann besserer Sport aussehen? Ein Sport der solidarisch und nicht ausgrenzend ist, in dem mensch Ziele bestenfalls mit anderen und nicht gegen sie erreicht. Wir wissen es nicht, aber vielleicht habt ihr eine Idee...
Nachtrag: Da die Kieler Nachrichten dem Bekennungsschreiben zuvorkamen: Rumheulen ist keine Option, den Sportplatz abschließen auch nicht, den Stein zu entfernen oder historisch adäquat zu kommentieren wäre hingegen eine.
Nicht euer Ernst
Mal davon abgesehen, dass mir der Gedenkstein relativ egal ist... Könnt ihr doch nicht allen Ernstes sportliche Wettkampfspiele abschaffen wollen, weil ihr euch davon versprecht das unsere Gesellschaft solidarischer wird und niemand ausgegrenzt wird. Also mir machen Wettkampfspiele Spaß, dabei ist es mir sogar ziemlich egal ob es eine meiner stärkeren Sportarten ist oder ich gegen den Gegner keine Chance habe. Der Vergleich ist mein Anreiz an meine körperlichen Grenzen zu gehen und sportliche Belastungen sind definitiv gut für meinen Seelenfrieden. Wenn das bei euch anders ist, dann ist das für mich in Ordnung. Aber ich sehe keinen Grund, dass ihr das Recht habt zu entscheiden was mir Spaß macht.
Also nochmal, wenn ihr meint Gedenksteine beschmieren zu müssen, dann beschmiert sie und achtet drauf nicht erwischt zu werden. Aber so einen Artikel zu verfassen ist eine Frechheit und zeugt nicht gerade davon, dass ihr besonders gründlich darüber nachgedacht habt was ihr da tut...
So'n Blödsinn
lange nicht mehr so ein Blödsinn gelesen. Zu dem Gedenkstein kann man stehen, wie man will, aber die Thesen, die hier zum Thema Sport vertreten werden, entstammen ja anscheinend völliger geistiger Verwirrung und strotzen nur so von Platitüden. Werd mir meine morgendliche Joggingrunde künftig also verkneifen müssen, da diese ja Sport und somit Politikum und Teil des falschen Ganzen ist. Oder dient sie etwa meiner körperlichen Ertüchting und damit der nationalen Sache. Dass Sport in erster Linie einfach nur Spass macht und ohne irgendwelche Hintergründe betrieben wird, ist Euch wohl noch nicht in den Sinn gekommen.