Schanzenfest: Alkoholverbot gegen Krisenprotest?!

Schanzenfest

Im Folgenden ein Artikel zum Solidaritätsstraßenfest gegen kapitalistische Krisen und Elendsverwaltung mit Beteiligung von Aktivist_innen aus Griechenland. Die Polizei hat ein Großaufgebot zum Abend angekündigt und eigene öffentliche Veranstaltungen abgesagt. Währenddessen spricht sich der Innenexperte des SPD-Senats öffentlich für ein mögliches Alkoholverbot zum Schanzenfest in Hamburg aus.

 

Das Schanzenfest am 25. August hat seinen Schwerpunkt in der Solidarität mit den Protesten in Griechenland gegen die neoliberale Umgestaltung und den massiven Sozialabbau im Rahmen europäischer Krisenpolitik. Mit dem Schanzenfest soll Geld gesammelt werden für Gefangene und von Repression Betroffene in Griechenland, die Streik- und Protestbewegung, besetzte Häuser und alternative Projekte unterstützt werden.

http://schanzenfest.blogsport.de/ 

 

Gespräche und Interviews mit Aktivist_innen aus Griechenland

 

Zu diesem Zweck werden auch Aktivist_innen aus Griechenland anwesend sein, die im Rahmen von Interviews und einer Talk-Show im Hof des 3001 Kinos über die aktuelle Situation berichten. Thematisch wird es um die Situation von Sexarbeiter_innen, Repression gegen Flüchtlinge, deutsche Rüstungsgeschäfte mit Griechenland, totale Kriegsdienstverweigerung, ausstehende Entschädigungszahlungen für Verbrechen im Nationalsozialismus, die ökonomische Entwicklung in der Krise und das Erstarken faschistischer Bewegungen in Griechenland gehen. Im Anschluss an Letzteres wird eine Liveschaltung zu der gleichzeitig stattfindenden antifaschistischen Gedenkdemonstration gegen die Pogrome in Rostock-Lichtenhagen stattfinden.

http://deutsche-zustaende-aufmischen.net/

 

Ein Großaufgebot der Polizei hat sich in den letzten Tagen ebenfalls zum Schanzenfest angekündigt. Aufgrund des Festes wurden öffentliche Veranstaltungen, wie ein geplanter Tag der offenen Tür der Wasserschutzpolizei, bereits abgesagt. Daran, dass ein Großaufgebot von mehreren tausend Beamten am Tag des Festes nicht gerade deeskaliert, ändert dabei auch die vergleichsweise unaufgeregte Ankündigung wenig. Anwohner_innen fordern seit Jahren ein Ende des polizeilichen Aufmarsches in den Abendstunden und der anschließenden Umschließung des Festes.  Die übliche Medienrandale im Vorfeld des Schanzenfestes blieb bisher dennoch weitgehend aus. Jedenfalls beinahe, denn am Wochenende hat sich der offizielle SPD-Experte für Sicherheitswahnsinn zu Wort gemeldet. 

http://www.ndr.de/unternehmen/presse/pressemitteilungen/pressemeldunghh1...

 

Alkoholverbot zum Fest

 

In einem Gespräch mit dem Straßenmagazin Hinz und Kunzt erlärte er ein Alkoholverbot zum Schanzenfest als mögliches Szenario. Ein generelles Alkoholverbot in der Schanze solle zwar nicht erfolgen, doch eines für „Krawalltouristen“, wie er sie nennt, kann er sich vorstellen. Denkbar wäre für den SPD-Politiker ein lokal begrenztes Alkoholverbot rund um den 1. Mai oder das Schanzenfest. So will er Ausschreitungen mit der Polizei verhindern. „Da passieren Straftaten, da müssen wir genau hingucken“, sagte Münster. „Alles andere muss eine Großstadt aushalten.“« 

http://www.hinzundkunzt.de/das-thema/experten-gegen-alkoholverbot/#more-...

 

Ein Alkoholverbot im Schanzenviertel an genau dem Tag, an dem Anwohner_innen sich die Straße nehmen für ein selbstorganisiertes Fest mit dem nicht nur gegen neoliberale Krisenmodelle in der Welt, sondern auch gegen Ballermannerisierung und Gentrifizierung vor der Haustür zu protestiert werden soll, führt die arrogante und gutsherrenartige Politik des Bezirkes fort. Interessen von Anwohner_innen werden darin wieder einmal übergangen. 

 

Wurden in den letzten paar Jahren erst ungebremst Konzessionen für neue Kneipen und Bars vergeben und die Entwicklung des Stadtteils zu einer kommerziellen Sauf- und Partymeile gefördert, wird nun zunehmend versucht, einige der negativen Folgen dieser Entwicklung durch Verbote und Überwachung in den Griff zu bekommen. 

 

Während der kapitalistische Betrieb in Kneipen und Gastronomie ungestört weitergehen soll, wurden Jugendliche und Partygänger_innen, die ihre Getränke selber mitbringen, als Feinde des Gemeinwesens im Schanzenviertel ausgemacht. Eine Koalition von Gewerbetreibenden und Politikern, welche die Schließung von Kiosken oder zumindest eine Prohibition des Verkaufs von Alkohol ohne Sitzplatzzwang fordert, machte zuletzt medial auf sich aufmerksam. In der Folge ist jene Diskussion um ein generelles Alkoholverbot im Schanzenviertel entstanden, welche nun auch als repressive Figur gegen das Schanzenfest in den Ring geworfen wurde. 

 

Im Haifischbecken

 

Während von einigen Kneipen einerseits Verbote und Beschränkungen für lästige Konkurrenz gefordert wird, wird gleichzeitig versucht den Schulterschluß mit Anwohner_innen gegen eine Begrenzung ihrer Außengastronomie zu suchen. 

Im Rahmen einer Unterschriftenkampagne "Wir brauchen euch" wird vermittelt, der Kampf für den privatwirtschaftlichen Betrieb gehöre zum Kampf um Menschenrechte und das Flair des Schanzenviertels. Für dieses werfen gehobene Betriebe dann schon mal ihre Anwälte auf der Bezirksversammlung ins Gefecht. Zu verhindern gilt es Schallschutzschirme, Verbote von stromfressenden Heizpilzen oder sonstige rechtliche Beschränkungen, z.B. zwei Meter Platz lassen bis zur Straße statt 1,5 Metern. 

 

Dabei wenden sich Anwohner_innenproteste gar nicht generell gegen  Außengastronomie. Wohl aber gegen eine ausufernde Feiermeile auf der rücksichtslos Claims im Sinne eines Raubtierkapitalismus abgesteckt werden, um sich anschließend noch hinzustellen und so zu tun als würde mensch im Sinne des Stadtteils und seiner Bewohner_innen handeln. Mehr noch, als sei die Qualität des Viertels erst durch die seit zehn Jahren stattfindende Kommerzialisierung entstanden. 

 

Der diskrete Charme der Bourgeoisie

 

Die Unverfrohrenheit einer solchen Umdefinierung von eigenen wirtschaftlichen zu angeblichen Interessen der Allgemeinheit, ist in anderer Form in der Hamburger City zu beobachten. Wo auf Initiative der Handelskammer in der Innenstadt Demonstrationen verboten und Obdachlose vertrieben werden, sollen im Schanzenviertel jene Menschen von der Straße, die als nicht gesellschaftsfähig im Sinne des bunten Treibens der Marke Schanze erscheinen. Während die solvente und karriereorientierte Kundschaft sich in Straßencafes und Barbetrieben einrichtet und feiert, soll der Pöbel die Schnauze halten und von der Straße. Die kulturelle Verunsicherung abweichender Interessen einem einzigen Ordnungssystem des Konsums weichen.

 

Der Surrealismus dieses Vorgehens erinnert unfreiwillig an Luis Buñuels Film »Der diskrete Charme der Bourgeoisie«. Das von Konventionen geregelte Universum des Bürgertums ist dort aus den Fugen geratenen und ständig von traumatischen Ereignissen bedroht. Der Film schwankt zwischen der Grundstimmung einer Komödie und eines Horrorfilmes. Nicht umsonst hieß die 1974 gedrehte Art Fortsetzung Das Gespenst der Freiheit. Um nicht weniger als den Begriff von Freiheit, geht es auch bei der Zurückweisung privatwirtschaftlicher Interessen als Allgemeine. Marx Gespenster, die Unzufriedenheit und das Aufbegehren gegen eine kapitalistische Sicherheitsgesellschaft, sollen so abgeschüttelt und vertrieben werden. 

 

Die Stadt gehört allen

 

Urbane Orte, an denen kulturelle Räume und Gastronomiebetriebe stadtplanerisch verdichtet werden, sind immer auch Orte der Öffentlichkeit und des gesellschaftlichen Lebens. Dies war beim römischen Forum ebenso, wie beim mittelalterlichen Marktplatz oder vermeintlichen Szenestadtteil von heute. Wo viele Kneipen entstehen werden sich immer auch Menschen in deren Umfeld bewegen um sich zu treffen, sehen und gesehen zu werden und zu flanieren. Umso wichtiger ist es, dass allen gleichermaßen der Zugang zu solchen städtischen Räumen offen steht. Dies schließt sozial ausgegrenzte Bevölkerungsgruppen ebenso ein wie Menschen mit wenig Geld, die auf der Straße trinken. Eine Regulierung des Straßenverkaufs richtet sich nicht gegen den Lärm und Konsum im Schanzenviertel, sondern vor allem gegen die letzten Räume im Stadtteil, welche noch nicht von privatwirtschaftlichen Interessen erschlossen und reguliert sind.

 

Solange kein langfristiger Rückbau von konzessionierten Gastroflächen an Brennpunkten durch eine Umverteilung zustande kommt, keine Mietobergrenzen eingeführt werden und die Umwandlung von Miet- zu Eigentumswohnungen nicht gestoppt wird, werden die Widersprüche und Konflikte zunehmen. Schuld daran sind nicht diejenigen, die auf der Straße sind, sondern diejenigen, die im Schanzenviertel keinen Ort für die Menschen sehen, die dort leben, sondern einen Wirtschaftsstandort im Kampf der Metropolregionen. 

 

Krisen haben dabei immer ein repressives Moment nach Innen. Hier schließt sich der Kreis zum griechischen Motto des diesjährigen Schanzenfestes. Die Modelle der Krisenbewältigung ähneln sich im Großen und Kleinen. Persönliche Interessen sollen zurücktreten hinter eine konstruierte Gemeinschaft welche auf kapitalistischen Sachzwängen beruht. Griechenland und die Kämpfe dort sind nichts was nicht mit unseren Realitäten zu tun hat. Die Argumentationen und Figuren mit denen dort die Gesellschaft umgekrempelt wird, sind auch die Schnittmuster der Gentrifizierung und Stadtentwicklung in europäischen Metropolen. Wo wir anfangen in diesen Kategorien zu denken, haben wir bereits verloren. Wo wir jedoch anfangen eigene Begriffe zu entwickeln und über unseren Tellerrand hinaus zu schauen, stellen wir notwendigerweise nicht weniger als das Ganze verdammte Ganze in Frage.

 

Schanzenspiele der inneren Sicherheit

 

Zurück zur Ausgangsfrage scheint ein Alkoholverbot am Tag des Straßenfest unrealistisch und nur schwer durchsetzbar. Als Diskussion in die Runde geworfen, sind solche Gedankenspiele über die Schanze allerdings nicht ohne Wirkung. Sie bereiten repressives Denken innerhalb der Sicherheitsgesellschaft vor und was uns erst als Skandal erscheint, überholt die Realität als Normalität. Was z.B. als Flaschenverbot an der Reeperbahn normal ist, kann sich auch im Schanzenviertel langfristig als repressive Wirklichkeit manifestieren. Umso wichtiger ist es solchen Bildern frühzeitig und nachhaltig zu widersprechen und eigene Vorstellungen des Zusammenlebens entgegen zu setzen.

 

Autonome aus Hamburg kommentierten die Idee eines Alkoholverbotes währenddessen auf eigene, launige Weise. In einer Erklärung heißt es: "Im Rahmen eines im Falle einer Prohibition zweifelsohne stattfindenden Krawalls, begrüßen wir den Schritt von SPD Innenexperten Arno Münster, die alte Forderung autonomer Gruppen -Kein Alkohol auf politischen Aktionen und Demonstrationen-  aufzugreifen und unterstützen."

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Autonome aus Hamburg kommentierten die Idee eines Alkoholverbotes währenddessen auf eigene, launige Weise. In einer Erklärung heißt es: "Im Rahmen eines im Falle einer Prohibition zweifelsohne stattfindenden Krawalls, begrüßen wir den Schritt von SPD Innenexperten Arno Münster, die alte Forderung autonomer Gruppen -Kein Alkohol auf politischen Aktionen und Demonstrationen-  aufzugreifen und unterstützen."

 

ja wäre schön, wenn alle leute das ma checken würden.

drogen sind generell scheiße, aber auf demos oder so sind sie noch unangebrachter. damit werden alle anderen menschen in gefahr gebracht.

Ein sehr guter Artikel zum diesjährigem Schanzenfest.Eine kurze "Bestandsaufmanhme" des Viertels ca.3 Wochen vor dem Fest mit dem interessanten Motto "Griechische Verhältnisse".Mensch kann gespannt sein,ob die aufgestaute Wut dieses Jahr sinnvoll,gezielt und verantwortungsbewußt in Widerstandsaktionen umgemüntzt wird.Und an alle "Aktionisten":bitte denkt dran; es gibt noch mehr als nur die Haspa Filliale am Schulterblatt....Viel mehr!

In diesem sinne wünsche ich uns allen einen, bis tief in die Nacht ,warmen ,sonnigen 25 August 2012.

Ready to Start Riots

Naja, interessanter ist doch was vor Ort los ist...