Grüne Jugend und Antifa kämpfen während der EM gegen jede Form schwarz-rot-goldener Folklore. Und sind dabei so humorlos, arrogant und bürokratisch, wie es nur wir Deutschen sein können. Von Ulf Poschard
Der Humor steht rechts, lautete eine Weisheit besonders ernster Marxisten noch in den Achtzigerjahren. Gemeint war das Lachen über Verhältnisse, die, was Entfremdung, Ausbeutung und Imperialismus betraf, bitterernst waren. Dieses Erbe trägt die Linke in Gestalt ihrer anti-deutschen Truppe voran, der zu WM- und EM-Zeiten hohe Aufmerksamkeit garantiert ist.
Seit dem Durchbruch einer vergleichsweise neurosefreien Form des Patriotismus im Verlauf des Sommermärchens 2006 kämpfen die Antideutschen gegen jede Form schwarz-rot-goldener Folklore. Sie rupfen Banner von Autos, klauen Fahnen von Häusern, ziehen angetrunkenen Fans gern auch mal Schal oder Mütze ab. In bester deutscher Tradition haben sie auch ein Punktesystem entwickelt, das allen Aktivisten erklärt, wie viel ihre jeweiligen Aktionen auf dem Gesinnungskonto bringen.
"Patriotismus? Nein Danke!"
Die Jugend der Besserverdiener-Partei "Die Grünen" versteht sich als Teil des antideutschen Aufstandes. Der Online-Shop der GJ bietet "Aufkleber gegen Patriotismus im Stil der 'Atomkraft– Nein Danke!’ – Serie". Der Text heißt demnach: "Patriotismus? Nein Danke!" Damit auch die letzten Schmunzler bei dessen Anblick verschwinden, hat die Grüne Jugend einen in die eigene Seriosität vernarrten Text auf ihre Homepage gestellt.
Letzte EM Vorbereitungen
Darin wird der EM-Jubel in direkten Zusammenhang mit dem Turnvater Jahn, dem Ersten Weltkrieg, der Shoa und auch der zeitgenössischen Homophobie gebracht. Formuliert ist das erregte Ganze im Jargon des Politologie-Strebers, der die ethische Exzellenz der Grünen ins Reich der historischen Gewissheiten ausdehnen will.
Im Unterton klingt die Selbstgewissheit des Bürgerskindes durch, das den einfachen Leuten von der Straße, den Menschen in ihren Opels, Kias und Peugeots deutlich machen will, dass sie in ihrer patriotischen guten Laune eigentlich Wegbereiter des Nationalismus oder gar eines aufziehenden Vierten Reiches seien.
Verachtung für den Pöbel
Abseits jedweder politischen Einschätzung sind die antideutschen Manifeste, Aufkleber und Flugblätter bis in die Lieblosigkeit der Vermittlung ein Zeichen linker Borniertheit und Arroganz. Die seit Lenins Zeiten nie mehr verschwundene Verachtung für den Pöbel durch die revolutionäre Avantgarde findet hier ihre zeitgemäße Entsprechung.
Grüne wie Antifa bemühen sich, jenen ein schlechtes Gewissen einzureden, die sich nach Jahrzehnten deutschen Selbsthasses zum ersten Mal ein wenig entspannt fühlen, wenn sie auf ihr Land blicken. Der Jargon und Gestus, mit dem doziert wird, könnte deutscher nicht sein. Seit dieser Woche kursieren auf Facebook jene Wimpel der Aktivisten, die an Stelle der schwarz-rot-goldenen Stoffstückchen an Autodächern angebracht werden.
Sie sehen aus, als wären sie 1984 in der DDR gedruckt worden. Das Layout mutet albanisch, die Sprache urdeutsch an. Kein Oberlehrer in einem noch so verstaubten bayerischen Gymnasium würde ähnlich überheblich, seine Schüler eines Besseren belehren. "Egal aus welcher Motivation sie (sic!) diese Fahne angebracht haben, sie produziert in jedem Fall Nationalismus."
Deutsche haben internationales Bedürfnis entwickelt
Diese Unterstellung wird dann langatmig ausgeführt, um am Ende im nahezu jovialen Ton des nun etwas erleichterten Blockwartes zu mahnen: "Bitte sparen sie (sic!) das Geld, uns die Arbeit und der Natur den Müll und ersetzen sie die Fahne nicht wieder durch eine Neue." Mit schwingt auch, dass der Getadelte und Bestohlene unter Beobachtung steht. Er ist verwarnt und vorgewarnt. Wer wissen will, wie bevormundend linkes Denken in seiner Essenz sein will, sollte auf den antideutschen Blogs flanieren.
Nirgendwo auf der Welt kommt die radikale und (im Fall der Grünen Jugend) die etablierten Linke auf eine derart gesittete Form freundlosen Unsinns. Unfreiwillig komisch wirkt der ebenso selbstherrliche wie pathosgetriebene Versuch, dem kindlichen Abenteuer in Großstädten Patriotisches zu stibitzen, um es dann heimlich irgendwo zu verbrennen.
Fern jeder Dialektik wird im heiteren Treiben der Deutschen und zunehmend sich irgendwie deutsch fühlender Migranten ein politischer Essentialismus identifiziert, der so archaisch nirgendwo mehr existiert. Die Deutschen haben mit der Enttabuisierung der Nationalfarben und der Hymne weniger ein nationales Bedürfnis entwickelt, sondern ein internationales.
Keine Spur von Chauvinismus
Damit sind wir, die Deutschen, endlich Teil einer Völkergemeinschaft geworden, deren gemeinsamer Nenner ein irgendwie geartetes, im besten Falle unverdrehtes Verhältnis zu sich selbst ist. Die politische Rechte jedenfalls konnte davon nicht profitieren. Das hatte auch einen guten Grund.
Es war ein multikulturelles, weltoffenes Deutschland, dass sich da 2006 entdeckte, und dieses bunte Land hatte wenig Neigung, längst verschollenen Chauvinismus neu für sich zu entdecken, sondern war vor allem stolz darauf, dass sich die Welt in Berlin und den anderen deutschen Städten sicher und wohl fühlen konnte. Der globalisierte Patriotismus mit seinem Party-Hedonismus benutzt nationale Identitäten als Zeichen, nicht als Wesen.
Wer sich Tag für Tag den Rummel an auch schmerzhaften Orten der Erinnerung wie dem Checkpoint Charlie oder dem Brandenburger Tor ansieht, wird darin eher ein uneigentliches, spielerisches Interesse an der eigenen Geschichte festmachen, als den Versuch, hier zum Kern der Nation vorzudringen.
Integration per Farbstrich
Holocaust-Mahnmal wie Jüdisches Museum gehören zu diesen nationalen Identitätsetüden dazu. Nur in der Konfrontation mit der Schuld bekommt die Suche nach einer zeitgemäßen nationalen Identität einen wirklich gravitätischen Unterton.
Die Antifa wie die Grüne Jugend sind die Letzten, die in Zeiten popmoderner fluider Identität an die Fahne glauben. Stars ’n’ Stripes und Union Jack sind längst Marken geworden: etwas, zu dem man sich kurzfristig mit dem Kauf eines T-Shirts bekennt und eben nicht via Geburt oder Pass erwirbt. Exakt jenen warenhaften Charakter der Nationalmaskerade nutzen junge Migranten für sich.
Die Integration in die Mehrheitsgesellschaft ist mit ein paar Farbstrichen auf den Wangen und einem Aufkleber auf dem 3er-BMW-Cabrio de facto vollzogen. Wer auf dem Ku’damm dieser Tage beobachtet, wer und wie fröhlich da über deutsche Siege jubelt, wird darin kaum Altdeutsches, gar "Arisches" finden können. Im Jubel bildet sich ab, wie sehr sich Deutschland verändert hat, wie radikal – und wie absurd – jene Verweise auf Turnvater Jahn oder die Schlacht von Verdun ist.
Mitleid für Ultraprotestanten
Pflichtbewusst hat die Junge Union in Gestalt ihrer beiden Vorsitzenden gegen den Irrsinn gewettert. Es sei zu begrüßen, "dass die Menschen in Deutschland ihrem Nationalgefühl Ausdruck verleihen, insbesondere in Bezug auf die Unterstützung der deutschen Mannschaft". Dazu gehöre "insbesondere die Verwendung unserer Nationalfarben". Es ist dieselbe humorlose Sprache der Anti-Fa.
Der rührend konservative Philipp Mißfelder und die Ökospießer der Jungen Grünen sind sich näher, als es beiden Seiten wohl lieb ist. Als Blumfeld, Deutschlands kluge Popband, ihre antideutsche Melancholie 2006 ins Mikrofon jammerten, waren sie sicher: Es geht wieder los. Sie, die Deutschen, sängen ihr Lied "unschuldig wie einst ihre Ahnen". Die anti-deutsche Paranoia hatte eine Mobilmachung prophezeit, von der auch sechs Jahre später nichts zu spüren ist.
"Und draußen, da wehen die Fähnchen im Wind / Doch andere werden sie hissen / Ich sitze im Zug mit Mutter und Kind / Alleine mit meinem Gewissen". Spätestens hier hat man Mitleid mit diesen Ultraprotestanten. Beruhigt Euch, möchte man ihnen zurufen, es gibt nichts deutscheres als euch.