Überflüssig, nicht unsterblich

Ueberfluessige

Sie sorgen immer wieder für Schlagzeilen, gelten als innovativste Propaganda-Waffe der Neonazis – und stellen eine “neue Qualität” dar, so heißt es zumindest in Medienberichten – “Die Unsterblichen”. Doch genau wie bei den “Autonomen Nationalisten” handelt es sich auch hier offenbar um den Abklatsch einer linken Aktionsform, nämlich der “Überflüssigen”.

 

“Die Überflüssigen” – so nannten sich in der ersten Dekade des neuen Jahrtausends Gruppen, die ihr Agieren wie folgt beschrieben: “Wir sind überall und nirgends. Wir sind die Überflüssigen. Wir machen jetzt Programm.” Die Gruppe diente den “Unsterblichen” offenkundig als Vorbild: weiße Maske, unangemeldete Auftritte, einheitliche Kleidung – diese Aktionsform erklärten die Gruppen damit, dass ihre Mitglieder überflüssig gemacht worden seien “von einem System das Kapitalismus heißt. Wir setzen uns Masken auf, denn in diesem System sind wir nur gesichtsloser, auszubeutender Rohstoff.”

 

Im Gegensatz zu den Nachmachern traten “Die Überflüssigen” also als Linksradikale auf. Sie “kämpfen gegen dieses System, denn es zwingt uns in einer Welt voller Ausbeutung und Krieg zu leben, voller Diskriminierung und Rassismus, voller Elend und Armut. Eine Welt in der nur das Recht des Stärkeren gilt.”

 

Daher organisierten die “Überflüssigen” Robin-Hood-artige Aktionen, fielen beispielsweise am Hamburger Fischereihafen in das Frischeparadies, ein ziemlich gut sortiertes Spezialitätengeschäft, ein, und nahmen Waren mit, um diese an Bedürftige zu verteilen. Die taz berichtete im Juni 2007, also vor fast genau fünf Jahren:

 

Es war nicht die erste Aktion der Euro-Mayday-Bewegung, die in Hamburg zum Argwohn der Staatsschutzbehörden immer mehr Zuspruch findet. Bereits am 1. Mai 2005 suchten Aktivisten am Rande der Euro-Mayday- Parade ein Gourmet-Buffet auf dem Blankeneser Süllberg heim, um die Delikatessen umzuverteilen. Auch in Jobcentern und Lidl-Filialen sowie bei Veranstaltungen von Zeitarbeitsfirmen waren die “Überflüssigen” aufgetaucht.

 

Auch wenn die Neonazis mit der Aktionsform “Die Unsterblichen” viel Aufsehen provozieren konnten, es bleibt dabei: Das kreative Potential der Bewegung ist überschaubar, stattdessen werden weiterhin linke Stile und Aktionsformen kopiert, ergänzt und neu besetzt. Outfits, Symbole und Parolen anderer Subkulturen werden übernommen und uminterpretiert. Kompatibel erscheint besonders ehemals linke Kampf- und Widerstandsrhetorik und -symbolik – hier sei zuvorderst das „Palituch“ (Palästinensertuch) angeführt, welches die antizionistische und antisemitische Ausrichtung der Rechtsextremisten nach außen symbolisieren soll. Der ebenfalls geklaute Stil der Autonomen Nationalisten bietet viele Vorteile: funktional auf Demos und unauffällig im Alltag, dazu modisch anpassungsfähig.

 

Immer wieder müssen die Rechtsextremen also bei denen, die sie hassen und bekämpfen, klauen, um noch irgendwie als zeitgemäß zu gelten. Mittlerweile gibt es sogar rechtsextremen Rap – und in Schweden setzten Neonazis dem bizarren Treiben die Krone auf und versuchten sich an einer Reggae-Adaption.

 

Wie wäre es denn mit deutschen Nazis, die sich an Klezmer-Musik versuchen? Bis dahin machen sich zumindest “Die Unsterblichen” als “Die Kopierer” einen Namen.

 

Quelle

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Weg mit dem Palituch, als Ausdruck sich positiv auf das Selbstbestimmungsrecht der PalästinenserInnen zu beziehen.

Gar antisemitisch, Pfui! Das tragen jetzt ja auch Nazis. (Wieviel kennt ihr eigentlich die das tuen?)

Weg mit dem Symbol der Antifaschistischen Aktion von 1931. Das wird ja von Nazis umbetextet und -gedeutet.

Weg mit Che Guevara Bildern. Diesem antiamerikanischen  Nationalrevolutionär, sollen ihn doch die Nazis für sich rekrutieren.

Auch diese Tattoos, Piercings, Hoodies, ach all dies Zeug. Wenn ein Nazi seinen Körper zu modifiziert, dies anzieht, es für sich umdeutet, na dann weg damit! usw. usf.

 

Hier wird beweint, dass böse Menschen einem das Copyright nicht gönnen und die böse Presse da mitspielt.

 

In diesem Artikel wird über Inhalt und Form genau so wenig reflektiert, wie historisch getrennt.

Was Nazis machen ist nur Copie und Paste, Produktpiraterie - warum dies geht, was mit der eigenen Form nicht stimmt, was noch mehr mit den eigenen Inhalten (die sich manchmal mit der form decken können) nicht stimmt. Das wird nicht hinterfragt.

Das der historische Faschismus u.a. eine seine Wurzeln im revolutionären Syndikalismus hat und was das für Linke bedeutet, wird auch nicht hinterfragt. (bei "Von Sorel bis Mussolini" von Zeev Sternhell mal reinschauen.)

Der Artikel zeigt lediglich auf, dass die Nazis wieder eine Aktionsform aus der linken Szene kopiert und umgedeutet haben. Tut mir leid, aber ich verstehe dich nicht.

ich glaub der kommentarschreiber wollte hier unter anderem lediglich darauf hinaus, dass hier sinnigerweise aktionsformen ideologisch verortet und teilweise implizit als negativ (palituch = antisemitisch) dargestellt werden, was wiederum eine gewisse ausrichtung der artikelschreiber nahelegt. und mag ja sein, dass gewisse formen eher mit bestimmten subkulturen assoziiert werden ... das ist dann aber eher ein problem der eigenen wahrnehmung und auf der sachebene bedeutungslos.

Soll wir also akzeptieren, dass die Nazis eine Aktionsform von "uns" kopieren und zu ihrem menschenverachtenden Müll umdeuten, weil wir kein "Copyright" darauf haben?

"Das der historische Faschismus u.a. eine seine Wurzeln im revolutionären Syndikalismus hat und was das für Linke bedeutet, wird auch nicht hinterfragt. (bei "Von Sorel bis Mussolini" von Zeev Sternhell mal reinschauen.)"

Die Essenz des Buchs ist klar: Die Linke hat die Utopie den Kapitalismus zu überwinden, ein paar Knallköpfe in der Linken sind enttäuscht vom Klassenkampf und wollen jetzt Krieg zwischen den Nationen. Deswegen sind Utopien pöse und der Versuch den Kapitalismus zu überwinden noch viel mehr. Fazit: "Politik muß nüchtern, ideologisch enthaltsam bleiben. Ihr abstraktes Regelwerk, so langweilig es bisweilen erscheinen mag, eignet sich besser zur Organisation der Massengesellschaft als missionarischer Eifer, messianistische Besessenheit" (http://www.dradio.de/dlf/sendungen/buechermarkt/164536/)

Das Ganze nennt sich auch Totalitarismus-Theorie. Als lieber Anonym niemand zwingt dich dich zur Linken zu bekennen, du kannst es dir also sparen auf indymedia zu posten und dich bei deiner örtlichen Jungen Union anmelden. Der Tipp gilt auch für alle anderen Ex-Linke, gedacht sein insbesondere an "Antideutsche". Keine Angst, die Intelligenten dort verzeihen linke Jugendsünden.

.... gibts beim hönkeldruck: http://www.hoenkeldruck.de/sites/motiv_neu.htm

Das Erscheinungsbild der "Unsterblichen" scheint sich dann doch wohl eher an das von Death in June anzulehnen, als an die "Überflüssigen". Fackeln, Fahnen, militantes Auftreten und weisse Masken- das ist Death in June. Nur der weissen Masken wegen eine Inspiration bei den "Überflüssigen" konstruieren zu wollen ist schon arg weit hergeholt, zumal weder Outfit, noch Auftreten, noch Aktionsform eine Parallele erkennen lässt.

Die "Unsterblichen" sind eine Demonstration gewordene Neofolk-Band. Nichts weiter.

also, bei allem Respekt, "naja", aber dass diese Nazi Arschlöcher "eine Demonstration gewordene Neofolk-Band" wären (?!) halte ich für mindestens so unsinnig, wie dass der Stil jetzt von Death in June geklaut wurde. Wenn, dann wurde diese Thematik dem Film "300" entrissen & die einfachst zu bekommende Maske (die zudem auch kaum was kostet) wäre diese Venezianische Maske, die diese Personen jetzt haben. Nebenbei halte ich Neofolk für ein Genre mit teils komplett unglücklicher Provokation aber eine Band wie Death in June immer noch nichts für Nazis, wenngleich auch im ersten Moment das ganze auftreten und Verhalten dieses Projektes befremdlich & daneben wirkt, wobei allerdings genau dieser erste Eindruck wieder Ziel dieser ganzen Performance sein dürfte.

 

Zu den üblichen Vorwürfen gegenüber Death in June folgendes im O-Ton (also es ist nicht so, dass sich death in June (wie oft behaluptet) nie klar gegen diese Nazivorwürfe geäußert hätten) (direkter link/quelle: http://www.ikonenmagazin.de/rezension/Di6.htm)

 

In the 24 years of Death In June’s existence I have never explained my work. I feel that would make my art ordinary and stillborn and panders to elements within society that seek to control freedom of expression and thought, abstract or otherwise. All art, whether it be in the form of music, literature, painting etc. worth a grain of salt should be open to interpretation. In turn, this also makes it open to misinterpretation; sometimes good, sometimes bad. It is in the nature of art that ‘challenges’ or ‘confronts’ the consumer, or potential consumer, to be misunderstood.

But here are some facts:

Death In June was named after I thought I heard a colleague say those words during our first recording session in 1981. It was an accident of mishearing. I have said this in countless interviews over the years since. It is merely post-rationalization to assume it refers to any one particular event, historic or otherwise. A common interpretation was that it referred to the assassination of Arch Duke Ferdinand in Sarajevo in June 1914. It didn’t, and doesn’t refer to anything else than ‘Death In June!’

Before becoming a musician I was a student of 20th century history, as is clearly stated in the whole interview with Zillo magazine in 1992. Apparently a small quote is taken out of context from this interview referring to my interest in Ernst Roehm. I cannot see how one cannot be interested in events and personalities that led directly, or indirectly, to the biggest tragedy of the 20th century – World War II. The fact that I am homosexual as was Ernst Roehm was another point of interest that led to a song ‘Brown Book’ written in 1986, before German unification, which uses the Horst Wessel Lied to create the atmosphere to a narration juxtaposing the homophobia of a Nazi stormtrooper to the suicidal fatalism of his sexual partner; a Jewish grandmother. The song evokes Germany, 1936. The title comes from the name of the book the Communist authorities of former East Germany kept listing ex-members of the N.S.D.A.P. and S.S. etc. and their positions held in government and other work places in West Germany. A thought provoking song with many contradictory themes which is typical of Death In June.

This leads to the song ‘Rose Clouds Of Holocaust’ issued in 1995. This work was inspired by Mid-Winter and Mid-Summer visits to Iceland where the days during these times of year can be either almost totally dark or either almost totally light. Never completely one thing, nor the other. I experienced a spiritual epiphany during these visits in 1989/1990. The word “holocaust†is Greek for ‘burnt offerings’ (normally of a religious kind) and Iceland is full of extinct volcanoes as well as active ones. Its volcanic landscape is the holocaust in question symbolizing death and rebirth. It has nothing to do with the persecution and extermination of Jews, Homosexuals, Gypsies etc. by Germany during the years of the IIIrd Reich.