Ein persönlicher Erfahrungsbericht zu den Polizeirepressionen gegen die antifaschistischen Proteste in Ulm

Polizeistern Baden-Württemberg
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Zu den Polizeirepressionen gegen antifaschistische Demonstranten in Ulm heute ein Erfahrungsbericht von P. Schmidt:

 

8.15 Uhr Treffpunkt Hauptbahnhof Stuttgart, 8.32 Uhr Abfahrt mit IR

 

Freunde und Bekannte aus den verschiedenen Gewerkschaften haben sich getroffen um gemeinsam nach Ulm auf die Demo des DGB zu fahren. Der Bahnsteig war mit massiven Polizeiaufgebot überlaufen, um die Fahrt zu überwachen. In Ulm war eine Demo der NPD genehmigt worden. Entsprechend fanden auch diverse Gegendemos statt. Da die Fahrt friedlich verlief, störte ich mich nicht weiter an dem Polizeiaufgebot...

 

9.55 Uhr Ankunft in Ulm


Mit minimaler Verspätung fuhr der Zug im Ulmer Bahnhof ein. Beim Ausstieg erwartete uns erneut massives Polizeiaufgebot, welche die ankommenden Demonstranten in die Unterführung Richtung Ausgang lenkte und ein Ausweichen in andere Richtungen verhindern sollte. Da wir eh in diese Richtung wollten, kein Problem.

 

In der Unterführung, auf beengtem Raum plötzlich der Stopp. Zwar wurden wir in die Unterführung gelenkt, nicht aber wieder raus gelassen. Hinter uns versperrte die Polizei den Rückweg. Links und rechts Wände. Vor uns voll gepanzerte Polizisten. Natürlich fleißig am Filmen mit der Kamera.

 

Die Menge blieb aber ruhig. Ich sah trotz Kameraaufnahmen durch die Polizei, keine Vermummungen bei den umstehenden Demoteilnehmern. Da es mehrere Minuten weder vor noch zurück ging, versuchten jetzt einzelne Personen bei der Polizei den Durchgang zur Demo zu fordern mit Verweis auf die Versammlungsfreiheit und dem Interesse an der DGB teilzunehmen. An der Spitze der Menge öffneten einige Demoteilnehmer ein Transparent gegen die Verschärfung des Versammlungsrechtes.

 

Gegen 9.20 Uhr Kontrolle der Demonstranten


Jetzt begann die Polizei mit umfangreichen Durchsuchungen. Hierzu wurde jeweils eine Person von zwei Polizisten aus der Menge gegriffen, hinter die Polizisten, welche die Unterführung versperrten, geführt und dort vollständig durchsucht. Ich musste meinen Tascheninhalt entleeren, legte also Taschentücher und ein Handy auf den Boden.

 

Während mich ein Polizist abtastete und dabei KEINE Stelle ausließ, durchsuchte ein anderer Polizist meinen Rucksack. Er fand 1 Kugelschreiber und einige leere A4-Blätter in einer Seitentasche, eine Sonnenbrille in der vorderen Tasche, ein Kopftuch in der anderen Seitentasche. Im Hauptfach des Rucksacks befand sich eine Plastikflasche mit 1,5l Wasser, ein T-shirt und etwas Verbandsmaterial, welches ich immer bei Großveranstaltungen mitführe da ich Krankenpfleger bin und auch schon öfter als Sani tätig war. Des weiteren fand er noch eine Geldbörse und meinen Personalausweis.

 

Im Anschluss durfte ich noch kurz die Schuhe ausziehen und diese ebenfalls durchsuchen lassen. Das selbe geschah neben mir mit drei weiteren Personen. Später erfuhr ich, das jeder aus der Unterführung in dieser Weise kontrolliert wurde. Bei Gesprächen erfuhr ich hinterher von Freundinnen das sie mit sehr festem Griff, obwohl keine Gegenwehr statt fand, zu der Kontrolle geführt wurden. Blaue Flecken belegten diese Aussagen. Auf die Bitte um einen lockeren Griff gab es Beschimpfungen wie "Schlampe" oder "Fotze" zur Antwort. Bei einer Freundin wurde der Griff auf diese Bitte hin noch fester angesetzt, begleitet von dem Satz: "Schnauze du Fotze, dir zeig ich später was richtige Schmerzen sind."

 

Es tut mir leid hier solche Ausdrücke zu schreiben, möchte jedoch den vollen Umfang der verachtenden Maßnahmen festhalten.

 

10.45 Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz


Direkt nach der Durchsuchung wurde ich in einen Abgesperrten Bereich geführt. Die Polizisten erklärten mir nicht warum ich, wo hin gebracht werde. Die Wege die sie mit mir liefen und die Fragen, welche sie ihren Kollegen stellten, zeigte das sie vollständig unorganisiert waren. Meine Sachen hatte ich seit der Durchsuchung nicht zurück erhalten. Trotz prallem Sonnenschein durfte ich keine Sonnenbrille aufsetzen, durfte nicht telefonieren oder erfahren was mit mir passiert.

 

Während wir umher irrten wurden Busse für die Erfassung der Daten und die Personenabfrage eingerichtet. Die Uhrzeit, welche ich oben angegeben hab, konnte ich kurz von einer Bahnhofsuhr ablesen. Ich wurde jetzt mit einer Nummer vor meiner Brust, von Kopf bis Fuß gefilmt und fotografiert. Ebenso mein Ausweis und mein Kopftuch sowie Sonnenbrille. Meine Sachen wurden eingetütet. Während meiner Datenabfrage fragte der bearbeitende Polizist warum ich abgeführt werde. Ein Polizist an meiner Seite antwortete wegen mitführen von Vermummungsmaterial. Das war das erste mal das ich die genaue Formulierung der Vorwürfe erfuhr. Der Polizist im Bus fragte weiter ob ich Kopftuch und Sonnenbrille getragen habe. Als dies der Polizist neben mir verneinte, sagte der Bearbeiter im Bus ungläubig, das könne doch nicht zum Abführen reichen.

 

Offensichtlich gab es aber eine Anweisung alle auffälligen Personen dem Richter vorzuführen.

 

Ab jetzt kann ich einige Stunden keine Zeitangaben mehr machen.


Ich wurde in einen Bus gebracht. Auf dem Weg dorthin konnte ich noch einem Freund per zurufen meine Situation schildern. Meine Freunde informierten dann auch den Ermittlungsausschuss. In dem VW-Bus wartete ich dann für 30-60 Minuten. Als der Bus gefüllt war, mit 6 Demonstranten und zwei Polizisten, wurden wir durch die Innenstadt gefahren zum Polizeirevier Ulm Mitte. Das konnte ich zumindest auf einem Parkplatzschild so entziffern. Gesagt wurde uns ja immer noch nichts.

 

In dem Innenhof des Reviers standen mehrere Busse mit Demonstranten. Es passierte jetzt ziemlich lange nichts. Bedeutete für mich mit 6 Personen in einem Bus, in der prallen Mittagssonne warten und warten und warten. Immer noch ohne die Möglichkeit zu telefonieren. Dies können man dann gleich beim Richter erledigen.

 

Später wurden wir aus dem Bus einzeln geholt, wie ich aber gleich erfahren musste, nur zum Wechsel des "Gefängnisses". Meine Daten wurden erneut erfasst, meine Sachen erhielten meinen Namen und meine Zellnummer und ich erhielt eine Zelle. Die Zelle befand sich in einem großen Bus und bestand aus voll verkleideten Wänden, hatte ein Fenster von ca. 60x20cm, mit Blick auf eine Hauswand und vier Sitzen auf einer Fläche von ca. 170x90cm, die ich mir mit 3 Personen teilen durfte.

 

Schlechte Luft, wenig Licht und keine Auskunft zum weiteren Vorgehen begleiteten die Wartezeit. Nach einer Weile klopfte ich an die Tür um zu erfahren, wie es weiter geht. Nach einigen Minuten klopfen erklärte ein Polizist es gehe gleich weiter. Da meine zeitliche Orientierung schon lange verloren war, kann ich nicht sagen wie lange ich jetzt wartete.

 

Nach Ewigkeiten klopfte ich erneut um zu fragen wie lange ich noch in der Zelle bleiben müsse ohne Telefonat oder eine richterliche Anhörung. Der Polizist drohte mir daraufhin, Reizgas ins Gesicht zu sprühen, wenn ich nicht Ruhe gebe.

 

Stunden später wurden die Zellen einzeln leer geräumt. Ich wurde als letzter aus der Zelle geholt und zu einer Vernehmung gebracht. Kein Richter. Kein Telefonat. Aber ein Platzverweis!

 

Einer kurzen Aufklärung über rechtliche Vorgehensweisen, eine Vernehmung und die Bedeutung meines Platzverweises folgte meine Entlassung. Meine Sachen erhielt ich zurück. Auf meinem Handy sah ich das es jetzt 16.47 Uhr war. Das Revier lag mitten in dem Gebiet meines Platzverweises. Ich verließ dies zügig, erreichte meine Freunde telefonisch und traf mich mit diesen. Körperlich zeigte ich deutliche Folgen der vorangegangen Stunden. Ich konnte weder Essen, noch trinken, verspürte sehr starke Unruhe und eine Unsicherheit wie ich sie vorher nicht kannte.

 

Zügig wollte ich dem nach zurück nach Stuttgart um mich in mein Bett zurück zuziehen. Leider rechnete ich nicht mit einem erneuten Hindernis durch die Polizei. Der Bahnhof in Ulm wurde wegen Teilnehmern der NPD-Demo versperrt um diesen eine entspannte Abreise zu ermöglichen. Stunden später konnten wir endlich abreisen.

 

Stuttgart erreichten wir gegen 21.40 Uhr. Und erneut wurden wir eingekesselt. Der Bahnsteig wurde hinter uns und vor uns durch Polizisten versperrt, weil die Teilnehmer der NPD-Demo nicht geschafft hatten das Gelände zu verlassen obwohl sie eine Stunde vor uns die Stadt erreichten. Die Polizei wolle in Sorge um unsere Sicherheit nur unseren Schutz gewährleisten. Einige Mitreisende, waren auf Grund der Aktionen der Polizei in Ulm und wegen ihrer Inhaftierung am Ende. Es gab Nervenzusammenbrüche, Wutanfälle und ähnliches.

 

Besonders deeskalierend wirkten da Polizisten, welche uns Demo-Teilnehmer oder besser uns Opfer beobachteten und offen über die emotionalen Ausbrüche lachten. Gegen 22.30 Uhr war ich endlich zu Hause.

 

Ich hab versucht die Ereignisse möglichst genau wieder zu geben. Über die Demo oder das Verhalten der Polizisten gegenüber besorgten Freunden, die versuchten abgeführt Personen auswendig zu machen, schreibe ich nicht. Habe zwar einiges von Freunden erfahren, kann auch gerne an diese Personen verweisen, aber konzentriere mich auf Dinge die ich persönlich gesehen habe.

 

Diese Informationen dürfen gerne benutzt werden um gegen diese Art der Polizeirepressionen vorzugehen. Polizisten äußerten mir gegenüber, man müsse grundsätzlich bei der Teilnahme an Demos mit einer Festnahme rechnen! Diese Aussage über ein demokratisches Grundrecht finde ich unglaublich und weigere mich dies zu akzeptieren.

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Rund um Demos kommt es teilweise zu krasser Polizeigewalt und übler Repression. Auch wenn du vielleicht nicht (körperlich) verletzt wurdest, kann es sein, dass es bei dir ein Gefühl der Angst und Ohnmacht ausgelöst hat. Der Folgende Artikel gibt eine kurze Übersicht, wie du mit deinen Erfahrungen und dem Erlebten umgehen kannst und wie wir uns gegenseitig helfen können, um nicht an den Folgen kaputt zu gehen.

Aktivismus und Trauma ...über die emotionalen Folgen von Polizei (und anderer) Brutalität - und wie wir da wieder rauskommen...

Eine Einführung zum Thema

 

Trauma und zum Umgang damit

Die Verfassung, in der wir uns nach Erfahrungen von Brutalität (sei es direkt oder indirekt) befinden können, wird von PsychologInnen und Co. Als „Post-traumatischer Stress" (PTS) bezeichnet. Sie teilen die Reaktionen in drei verschiedene Bereiche ein.
Zeichen von Post-Traumatischem Stress:


1. Wieder-Erleben des Erlebten Alpträume, Flashbacks, intrusive (immer wiederkehrende) Erinnerungen, das Gefühl, dass das Erlebte einen nicht mehr los lässt, etc.
2. Vermeidungsverhalten /Verdrängungsverhalten
Erinnerungsverlust, erhöhter Alkohol /Drogenkonsum, Selbstisolierung, Vermeidung von allem, was mit dem Erlebten zu tun hat oder einen daran erinnert, Distanz zu dem Geschehenen aufbauen, etc.
3. Erhöhte Erregung
Schlaflosigkeit, Gereiztheit, Gefühlsausbrüche, Wutausbrüche, Angst, Panik, Konzentrationsschwierigkeiten, Schreckhaftigkeit, etc. Dies sind häufige Reaktionen auf extreme Erfahrungen. Viele Menschen haben dies erlebt - und überlebt.

Um eine Besserung zu erreichen, helfen vor allem 2 Ansätze:

1. Sich für längere Zeit an einem Platz aufhalten, an dem du dich sicher fühlst, Ruhe hast und dich mit Menschen umgeben, denen du vertraust.
2. Die Erfahrung verarbeiten. Das Erlebte in Worte fassen, auch wenn es wieder und wieder erzählt wird, oder die Emotionen auf andere Weise ausdrücken.

Für ca. 70% der Menschen verschwinden die Symptome nach ungefähr 4-6 Wochen. Bleiben sie bestehen, wird diese Verfassung als PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) bezeichnet und ist so ernst, dass sachverständige Hilfe erforderlich ist. (Dies kann auch hilfreich sein, wenn die Symptome schon vorher das Leben stark erschweren.) Es besteht die Möglichkeit, dass PTBS erst Monate oder sogar Jahre nach der Erfahrung auftritt. PTBS ist sozusagen eine Verarbeitungsstörung, d.h. die Erfahrung kann nicht verarbeitet werden.
Verschiedene Therapieformen können helfen. Ziel ist es, das Trauma in das Leben zu integrieren, es kann nicht ungeschehen gemacht werden und es hat die Person verändert.
Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf ein Trauma und in unterschiedlicher Intensität.

Mögliche Reaktionen nach einem Trauma

• Nicht in der Lage sein, aufreibende Bilder und Erinnerungen beiseite zu legen, Flashbacks (das Gefühl wieder in der erlebten Situation zu sein), Alpträume
• Depressionen, keine Freude am Leben haben, sich allein/verlassen fühlen
• Sich taub, abgeschaltet fühlen
• Sich zurückziehen, soziale Aktivitäten fallen lassen, sich isolieren
• erhöhter Alkohol / Drogenkonsum zwecks Selbstmedikation
• Veränderung von Ess / Schlaf-Gewohnheiten, auch von sexuellen Gewohnheiten
• Magenschmerzen, Übelkeit, Muskelspannung, Druck
• Furcht, Ängstlichkeit, übertriebene Wachsamkeit, Panikattacken, Phobien, Unruhe
• Schuldgefühle, Scham, Selbstbeschuldigung, Bedauern
• Unfähigkeit wie gewohnt zu „funktionieren", Pläne zu machen, Entscheidungen zu treffen
• Reizbarkeit, Ärger, Gefühlsausbrüche, unkontrolliertes Weinen, innerer Schmerz
• Selbstmordgedanken, Gefühl, dass das Lebenkeinen Wert/Sinn hat.
• Infragestellen von politischem Engagement und zwischenmenschlichen Beziehungen.
• Möglicherweise Hochkommen von Erinnerungen an vorhergehende Trauma
• kein Gefühl für Zukunft haben; nicht daran glauben, dass diese Phase jemals vorbei gehen wird

Was du für dich selbst tun kannst:

• Sag dir: Deine Reaktionen sind normal und es gibt Hilfe! Dies ist eine schwere Phase, aber sie geht aller Wahrscheinlichkeit nach vorbei.
• Sofort nach einer traumatischen Erfahrung: Geh an einen Ort, an dem du dich sicher fühlst und lass zu, dass sich jemand/frau um dich kümmert
• Bewegung baut Stress ab. Spazierenoder laufen ist zur Beruhigung besser als Sich-Hinsetzen, baut Adrenalin ab.
• Versuche dich nicht zu isolieren. Wende dich an deine Freunde und sag, dass du Hilfe brauchst (auch wenn es schwer fällt).
• Nimm dir Zeit zu heilen, sei geduldig mit dir und verurteile dich nicht für deine Verfassung. Innere Wunden brauchen ebenso Zeit und Ruhe um zu heilen wie äußere.
• Eine häufige Reaktion ist, dass es dir weh tut, wenn andere damit besser fertig zu werden scheinen als du. Sei dir bewusst, dass Menschen unterschiedlich sind, die Stärke der Reaktionen auch davon abhängt, wie oft und stark du vorher traumatisiert wurdest und dass es kein Zeichen von Schwäche ist, nach einer Verletzung Schmerzen zu haben.
• Dich für das Geschehene selbst verantwortlich zu machen, ist eine Reaktion, die mit Trauma oft einhergeht. Mach dir klar, dass das Geschehene nicht deine Schuld ist, - die Schuld liegt bei den TäterInnen.
• Familie und Freunde wissen oft nicht, wie sie mit deiner Verfassung richtig umgehen können. Sprich Sie an, wenn du ihr Verhalten nicht als hilfreich empfindest, sag, was du brauchst.
• Häufig kommen Gedanken hoch wie „Ich habe kein Recht mich so schlecht zu fühlen, andere sind viel schlimmer dran. Das, was mir passiert ist, ist ja nichts im Vergleich zu (…)" Mach dir klar, dass du Schlimmes durchlitten hast und das Recht hast, dich so zu fühlen, wie du dich fühlst. Wenn du deine Verfassung akzeptierst, erholst du dich schneller.
• Verdrängen wirkt sich auf lange Sicht negativ aus und schränkt dich ein.
• Bachblüten können emotional helfen. Baldrian hilft bei Schlafproblemen. Massagen und heiße Bäder sind immer gut. Alkohol/Drogen wirken sich eher negativ aus.
• Lerne mehr darüber, wie Trauma funktioniert. Je mehr du verstehst, desto einfacher ist es für dich, deine Reaktionen als „Symptome" zu begreifen.

Wie du deine Freundin / deinen Freund unterstützen kannst:

• Warte nicht, bis du um Hilfe gefragt wirst, sondern sei einfach für sie/ihn da. Gib nicht auf, auch wenn du vielleicht das Gefühl hast vor einer Mauer zu stehen oder wenn es dir sehr schwierig erscheint.
• Die Tage direkt nach der Erfahrung sind besonders wichtig zum Reden, danach wird oft schon wieder „zugemacht".
• Vielleicht fühlst du dich unsicher und weißt nicht, wie du dich verhalten sollst. Informiere dich über Trauma, um die Reaktionen besser verstehen zu können. Einfach „normal" sein, ohne zu bemitleiden und ohne aufdringlich zu sein, kann viel helfen. Bemüh dich gleichzeitig den Reaktionen gegenüber tolerant zu sein. Das Wichtigste ist, dass deine Freundin/Freund sich in deiner Gegenwart wohl und sicher fühlt.
• Traumatisierte Menschen isolieren sich häufig und haben Schwierigkeiten, um Hilfe zu bitten. Sie wollen kein Mitleid, sondern Verständnis, keine aufgedrängte Hilfe, sondern Einfühlungsvermögen.
• Vergiss nicht, dass Menschen nach traumatischen Erlebnissen anfangs oft ok erscheinen und die Reaktionen erst später auftreten.
• Sei eine gute Zuhörerin /Zuhörer. Vermeide es, zu bald, zu lange und zu viel zu reden. Oft tendieren wir dazu Rat zu geben, anstatt wirklich zuzuhören…
• Versuch wirklich nachzufühlen, wie es deiner Freundin /Freund ergangen ist, versuch dich hineinzufühlen, wie es ihr/ihm jetzt geht. • Chronologisches Erzählen hilft dem Gehirn das Erlebte zu verarbeiten. Bemüh dich darum, dass deine Freundin/Freund das Erlebte der Reihenfolge nach, mit allem, was dazugehört, erzählt, eingeschlossen Gefühle, Sinneseindrücke, Gedanken...
• Traumatisierte Menschen empfinden oft die Erledigung selbst kleiner Aufgaben als sehr schwer. Kochen, Abnehmen von Verantwortlichkeiten, etc. können sehr hilfreich sein, aber achte darauf ihre Selbstbestimmung nicht einzuschränken.
• Gereiztheit und Undankbarkeit/Unnahbarkeit sind „Symptome", die sehr häufig vorkommen. Nimm es nicht persönlich und mach deine Unterstützung nicht davon abhängig.
• Zu sagen „Jetzt müsstest du aber langsam mal darüber hinweg sein, nimm dein Leben in die Hand", erreicht meistens nur, dass traumatisierte Menschen sich unverstanden fühlen und Distanz einnehmen.
• Bohren, d.h. krampfhaft versuchen, die Person dazu zu bringen über etwas zu reden, worüber sie nicht reden will, bewirkt Rückzug und Distanzierung.
• Durch einen Mangel an Unterstützung können die Reaktionen verstärkt werden, was als so genannte „sekundäre Traumatisierung" bezeichnet wird. (Dass von TäterInnen keine gute Behandlung zu erwarten ist, ist klar, aber wenn jemand hinterher das Gefühl hast, seine/ihre FreundInnen sind nicht für ihn/sie
da, bricht die ganze Welt zusammen, der Boden unter den Füßen schwindet….) Diese sekundäre Traumatisierung kann oft schwerwiegender sein, als das Erlebte und ist daher äußerst ernst zu nehmen. Achte darauf, dass deine Freundin/Freund sich nicht allein gelassen fühlt.
• Auch für dich gilt - diese Zeit kann sehr schwer sein, aber sie geht vorbei. Pass auf dich auf und sei gut zu dir. Rede mit jemandem/frau darüber, wie es DIR geht.

Was ihr als Gruppe tun könnt

• Nehmt euch Zeit, um darüber zu reden, was passiert ist. Es ist üblich, in einer Runde allen, die dabei waren, Raum zu geben um zu erzählen, wo sie waren, was sie gemacht haben, welche Sinneseindrücke sie hatten (sehen/hören etc) und was sie dabei gefühlt/gedacht haben (wenn sie darüber reden möchten). So kann das Gehirn die Geschichte im Kopf vervollständigen und besser verstehen.
• Gute TherapeutInnen können helfen. Mit einem gebrochenen Bein gehst du ja auch zum Arzt... Ein Trauma ist nichts anderes als eine psychologische Wunde. Ihr könnt bei der Suche behilflich sein. Der/die TherapeutIn sollte aber Erfahrung mit Trauma-Arbeit haben. sonst bringt es nicht viel. (Tipps unter: www.trauma-informations-zentrum.de)
• Vergesst nicht: Nicht nur verwundete Menschen brauchen Unterstützung und auch UnterstützerInnen brauchen eine Schulter zum Anlehnen.

Hintergrund zu Trauma:

Hintergrund für diese Reaktionen ist der Versuch des Gehirns wieder Kontrolle zu gewinnen. Unser Leben baut darauf auf, dass wir Einfluss darauf haben, was mit uns passiert. Wird uns dieser Einfluss genommen, wenn wir ohnmächtig der Gewalt ausgeliefert sind, entsteht traumatischer Stress.
Wenn wir hinterher beispielsweise nicht schlafen können, so ist das darauf begründet, dass der Körper nicht die Kontrolle verlieren will. Selbstmedikation mit Alkohol will erreichen, dass die eigene Verfassung nicht wahrgenommen wird. Sogar die Selbstvorwürfe, die das Gehirn dir einredet, um dir Kontrolle vorzuspiegeln, folgen diesem Muster, wenn es sagt: „Hättest du dich anders verhalten, wäre das nicht passiert…" und dir damit einredet, es läge in deiner Hand. Fakt ist jedoch, dass die Kontrolle über unser Leben bedingt ist, aber unser gesamtes Handeln und Tun darauf aufgebaut ist, denn nur so können wir uns schützen, bzw. uns sicher fühlen.

Innerhalb der politischen Bewegungen:

Es ist wichtig, dass wir uns mehr darüber bewusst werden, wie sich Erfahrung mit Brutalität auf uns auswirken. Die Repression liegt in ihrer Hand, aber in unserer Hand liegt es, wie wir mit den Folgen umgehen.


Viel zu oft wird Trauma noch als persönliche Schwäche ausgelegt und nicht ausreichend Unterstützung gegeben. In diesem Hinblick muss sich unsere Kultur grundlegend ändern, um eine Basis zu schaffen, auf der Umgang mit Angst und den emotionalen Folgen von Repression und anderen Traumata kein Tabu mehr ist und in unseren Gruppen thematisiert wird.

…TAKE CARE OF EACH OTHER…
Mehr Info:
Activist Trauma Support: www.activist-trauma.net
www.healingtrauma.pscap.org
Lesetipp: “Narben der Gewalt”, Judith Hermann
Webtipp: www.trauma-informations-zentrum.de

moin moin,

 

Ich hab das Bild von dem Bullen mit den Quarzsandhandschuhen an , auf der Demo.

was Ja verboten sein soll.