Nazis auf dem Vormarsch in Sachsen-Anhalt? Neun Nazi-Übergriffe in den letzten drei Wochen

Kein Bock auf Nazis

Derzeit erreichen uns nahezu täglich Meldungen von rechten Übergriffen und Gewalttaten in Sachsen-Anhalt. Seit Mitte April, also in einem Zeitraum von nicht einmal drei Wochen, zählten wir insgesamt neun Übergriffe und Propagandadelikte von Neonazis. Die jeweiligen Vorkommnisse werden dabei aber selten in ein Verhältnis zueinander gesetzt. So ist meistens entweder von Einzelfällen die Rede oder Zusammenhänge werden erst gar nicht hergestellt. Auch am Bewusstsein, dass es sich hierbei um eine enorme Häufung neonazistischer und fremdenfeindlicher Straftaten handelt, mangelt es. Wie akut und bedrohlich die Lage momentan ist, wollen wir in diesem Beitrag ausführen.

 

Chronik der letzten Übergriffe in Sachsen-Anhalt
Magdeburg

Am 13. April beleidigt ein betrunkener 55-jähriger eine Ivorerin. Als er mit einer Bierflasche nach ihr schwingt, greift ein Fahrgast ein und kann die Situation entschärfen. 

Am selbigen Tag zeigt ein 26-jähriger Mann einem 15-jährigen dunkelhäutigen Schüler den Hitlergruß und bedeutet ihm mit einer Geste, den Hals abschneiden zu wollen. Ein Kumpel des Nazis, der den Schüler tätlich angreifen will, kann rechtzeitig von couragierten Passant*innen gestoppt werden. (Quelle: http://url9.de/kdL)

 

Bad Schmiedeberg

13. April: In einem Restaurant zeigt ein junger Mann den Hitlergruß. Als der 40-jährige asiatische Restaurantbesitzer ihn und seinen Kumpel zur Rede stellt, wird auf ihn eingedroschen. Der Restaurantbetreiber erleidet leichte Verletzungen. (Quelle: http://url9.de/kdL)

 

Burg

Am 25. April verwüsten Nazis ein Restaurant, welches von zwei Männern libanesischen und kuwaitischen Ursprungs betrieben wird. Des Weiteren sprühen die Täter Nazi-Zahlenkombinationen und "Raus"-Inschriften an die Wände. Zuvor seien bereits des Öfteren Tomaten und Eier an die Fensterscheibe geflogen oder eimerweise Zigarettenkippen vor dem Laden ausgekippt worden. Ein paar Tage vorher, um den Geburtstag Adolf Hitlers herum, gab es bereits etliche Propagandelikte. Insbesondere in der Südstadt seien zahlreiche Hakenkreuze, Hitler-Portraits und Nazi-Parolen gesprüht worden. (Quelle: http://www.volksstimme.de/nachrichten/lokal/burg/811221_Restaurantbetreiber-wollen-nicht-aufgeben.html)

 

Halle (Saale)

Am 20. April schlagen sechs Nazis einen 22-jährigen jungen Mann mit geistiger Behinderung zusammen. Zuvor verfolgen und jagen sie ihn und seinen Freund, der ihm zur Hilfe eilt. Nach brutalen Gewalteinwirkungen und Tritten zeigen die Täter den Hitlergruß und rauben beide Opfer aus. Entwendet wird ein Handy, Bargeld und eine Jacke (Quelle: http://www.mz-web.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta/page&atype=ksArtikel&aid=1335077383496)

 

Lützen

Am 29. April betreten zwei Deutsche ein Restaurant in Lützen. Dort beschimpfen sie den 39-jährigen Besitzer, der aserbaidschanische Wurzeln hat, und beleidigen ihn rassistisch. Der Mann und die Frau drohen dem Besitzer sowie seinem Landsmann und verlassen daraufhin das Lokal. (Quelle: http://url9.de/kdO)

 

Eisleben

Am 30. April greifen drei Nazis eine 10-köpfige syrische Familie auf dem Volksfest "Eisleber Frühlingswiese" an und verletzen dabei einen 32-jährigen Syrer so stark, dass er mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden muss. Weitere fünf Menschen, darunter drei Frauen, erleiden ebenfalls Verletzungen sowie einen Schock. Der Betreiber des Festes sieht keinen Anlass, das Fest abzubrechen. Am nächsten Tag gibt es eine Messerstecherei, deren Hintergrund und Tatgeschehen noch nicht untersucht ist. (Quelle: http://www.mdr.de/sachsen-anhalt/angriff-auf-syrer100_zc-a2551f81_zs-ae30b3e4.html)

 

Aschersleben

30 Nazis stürmen unerwartet die Feierlichkeiten zum 1. Mai. Dabei verteilen sie nazistische und ausländerfeindliche Parolen brüllend Propagandamaterial. Während ihres Erscheinens tritt gerade eine Tanzgruppe mit Kindern auf. (Quelle: http://www.ad-hoc-news.de/rechte-stoeren-mai-feier-in-aschersleben--/de/News/23233403)

 

Langenweddingen

Ein 35-jähriger Mann aus Sierra Leone wird von zwei Nazis krankenhausreif geschlagen. Nach Angaben des Opfers seien sie zuvor aus einem Kleintransporter gesprungen und hätten unvermittelt auf ihn eingedroschen. (Quelle: http://url9.de/kdM)

 

 

NSU schon vergessen?


Uns drängt sich der Verdacht auf, dass es sich bei den Reaktionen nach dem Bekanntwerden der NSU-Morde tatsächlich nur um Lippenbekenntnisse und Worthülsen gehandelt hat. Man könnte fast meinen, dass die NSU-Debatte nicht der Anfang vom Ende rassistischer und neonazistischer Straftaten war, sondern gut als neuerlicher Startschuss für weitere Hetzjagden auf Migrant*innen, Linke und Andersdenkende taugt. Während man sich auf Bundesebene mit halbgaren und typisch repressiven Ideen wie einer Ausweitung von Überwachung - wie war das noch gleich mit der Rolle der Geheimdienste bei den Mordserien der NSU? - durch etwa eine Neonazistammdatei begnügt, passiert auf Landesebene exakt nichts. Der Innenminister Stahlknecht lässt zwar immer wieder verlauten, dass er es sehr ernst nehme, doch verhindern konnte er weitere Übergriffe nach Mücheln nicht. Im Gegenteil. Das Verhalten der Behörden scheint diese Straftaten sogar noch zu begünstigen. Neonazis und gewaltbereite Mitläufer scheinen sich ermutigt zu fühlen durch ihre jüngsten "Erfolge", wie beispielsweise der Vertreibung des türkischstämmigen Restaurantbesitzers aus Mücheln. 


Extremismusquatsch mit brauner Soße

 Während es Nazis allem Anschein nach immer einfacher haben, wahllos und willkürlich auf rassistische Hetzjagden zu gehen, wird antifaschistisches Engagement seit Jahren strukturell und sogar professionell kriminalisiert. Wer blockiert und demonstriert, sieht sich nicht selten allen möglichen staatlichen Repressionen ausgesetzt. Hervorgetan haben sich bei dieser Kriminalisierungspolitik vor allem das Land Sachsen sowie die Bundesfamilienministerin Kristina Schröder. Ja, die Schröder ist schon komisch und bietet Woche um Woche eine neue Posse. Erst gibt sie zusammen mit Prof. Jesse (TU Chemnitz), dem größten Verteidiger der Extremismustheorie, der auch schonmal bei Naziveranstaltungen auftritt, eine lustige und sämtlichen wissenschaftlichen Standards entbehrenden Schulbroschüre gegen Linksextremismus heraus (Wusstet ihr, dass Hausbesetzer linksextremistische Gewalttäter sind und die Zeitung "Neues Deutschland", die ja tendenziell eher langweilig ist, linksextremistisch sein soll?), dann schreibt sie ein Buch, in dem sie sich als krasse Antifeministin outet und dann lässt sie einfach mal das Gerichtsurteil des Verwaltungsgerichts Dresden, nachdem die Extremismusklausel rechtswidrig sei, rechts liegen und macht einfach stur weiter. Eine sturere und informationsresistentere Ideologin kann es kaum geben.

 

Für uns ist klar: da, wo Antifaschist*innen kriminalisiert, ausgrenzt und gebrandmarkt werden als "linke Chaoten", "linksextreme Schläger" etc., dort keimt Rassismus und Neonazismus ungestört und unwidersprochen. Die gnadenlose und staatlich geförderte Gleichsetzung von "links" mit "rechts" als zwei gleich gefährliche Außenränder, die die "Mitte der Gesellschaft", also den "Hort der Demokratie", angreifen wollen, trägt maßgeblich dazu bei, dass den Nazis und Rassisten freies Feld gelassen wird. Teil des Problems ist auch, dass es linke Medienmacher*innen gewöhnlicherweise schwer haben, mit ihren Themen, Rechercheergebnissen und Informationen Gehör zu finden. Dies geschieht nicht etwa, weil die Themen und Beiträge schlecht recherchiert oder langweilig wären, sondern nur, weil sie eben von Linken kommen. Auch das ist ein Beitrag zur gefährlichen Marginalisierung der wenigen aktiven Menschen, die den Mut haben, wirklich etwas gegen Nazis und ihre Mitläufer*innen zu tun.

 

Vor 20 Jahren starb Torsten Lamprecht
 

Am 9. Mai des Jahres 1992 attackierten etwa 30 gewaltbereite Nazis die "Elbterrassen" im Magdeburger Stadtteil Cracau. Dort fand eine Party von linken Jugendlichen statt, die teilweise heftigen Widerstand leisteten. Darunter befand sich auch der junge Punker Torsten Lamprecht, der so massiv verletzt wurde, dass er zwei Tage später, am 11. Mai, seinen Verletzungen erlag. Dieser Mord knüpfte nahtlos an die rassistischen Pogrome, weitere Morde und fremdenfeindliche Hetzjagden in den frphen 90er Jahren an. 

 

Vor nunmehr 20 Jahren hätte man über wegbereitende und ernstgemeinte Programme gegen Faschismus, Rassismus und Neonazismus etwas erreichen können, von dem wir heute noch etwas spüren würden. Doch statt konstruktiver und nachhaltiger, Faschismusprävention einbeziehender, Maßnahmen erübrigte sich die Reaktion der Politik in fadenscheinigen Programmen, wie etwa dem merkwürdigen "Aktionsprogramm gegen Aggression und Gewalt", das nicht einmal im Ansatz die ideologische und politische Dimension des Phänomens Neonazismus einbezog. Auch 20 Jahre später tauchen immer wieder diese gruseligen Leuchtturmprojekte auf. Aktuellstes Beispiel ist das vom Bund mit Millionen geförderte Projekt "Dortmund den Dortmundern".

 

Muss es denn erst wieder Tote geben, damit die Politik aufwacht und handelt? Angesichts der mahnenden Geschichte des jungen "Lampe", der sein Leben noch vor sich hatte und von Nazis totgeprügelt wurde, fordern wir, dass die Landesregierung endlich aktiv wird und schlüssige Maßnahmen tätigt, um der Lage Herr zu werden! Es kann nicht angehen, dass Sachsen-Anhalt eine No-Go-Area für Migrant*innen ist und anders aussehende Menschen ihres Lebens fürchten müssen oder ihrer Existenz beraubt werden. Wir brauchen keine bescheuerten Animateure, die bei Bürger*innen-Demos fragend brüllen "heeeeeeeeeeeyyyyyy, seeeeeiiiiid iiiiihhhhhrrrr alle nooooocccch geeeeeeegeeeeeen reeeeeeechts?" (gesehen in Dessau am 10. März), wir brauchen keine Ausgrenzungspolitik staatlicher Stellen und öffentlicher Bündnisse gegenüber vermeintlichen "Linksextremist*innen", wir brauchen keine Lippenbekenntnisse von Minister*innen oder irgendwelche Prestigeprojekte wie Kompetenzzentren gegen Rechtsextremismus. Kompetetent sind die zahlreichen Vereine und Inititiativen, die es schon seit Jahren gibt. Diese gilt es zu fördern! Was wir brauchen, ist starkes antifaschistisches Engagement der Zivilgesellschaft, das nicht kriminalisiert wird.

 

Die Kranzniederlegung in Gedenken an Torsten Lamprecht findet am 11. Mai um 16.30 Uhr statt. Treffpunkt ist der Haupteingang des Nordfriedhofs (Lübecker Straße)

 

 

[Originaltext: http://linke-jugend-md.blogspot.de/2012/05/nazis-auf-dem-vormarsch-in-sachsen.html]
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Hier noch eine Chronik aller bisher bekannten rechten Aktivitäten und Übergriffe in Sachsen-Anhalt:

http://aarmd.blogsport.de/chronik-rechter-uebergriffe-in-sachsen-anhalt/

Es gab auch einen Naziübergriff zum Osterfeuer in Blankenburg (Harz) und erst im Laufe dieser Woche einen Angriff auf einen Antifaschisten in Stendal! Also Augen auf und wachsam sein, die Kraken schöpfen neue Kraft und Hoffnung aus dem aktuellen Wahlkampf! 

is ja mal hart..waren bestimmt kack Nazis von de Red devils dabei..Prignitz bleibt Nazi Frei!