Rien Ne Va Plus - Streik ohne Ende

General Strike

Am 17. November geht in Griechenland traditionell nichts mehr. An diesem Tag wird mit einem landesweiten Generalstreik an das Massaker von 1973 an Studierenden des Athener Polytechnikums durch die Militärdiktatur erinnert. Wir gehen davon aus, dass dieser Tag auch dieses Jahr wieder Anlass sein wird für landesweite Arbeitsverweigerung, Demonstrationen und Auseinandersetzung mit der Staatsgewalt. Denn in Griechenland herrscht derzeit Ausnahmezustand. Geschüttelt durch die weltweite Finanzkrise werden Konflikte offen Ausgetragen zwischen den Menschen auf der einen Seite und der am langen Arm der sog. Troika zappelnden Regierung auf der anderen.

 

Unser Anliegen ist es, diesen Tag auch hier zu nutzen, um für die Krise des Bestehenden, gegen den permanenten Kriegszustand auf die Straße zu gehen. Zum einen als Zeichen der Solidarität mit den Menschen in Griechenland, zum andern im vorauseilenden Angriff auf die Krisenverwalter_innen.

 

Wir rufen daher für den 17. November zum Generalstreik auf. Dazu, zusammen mit anderen das Unmögliche möglich zu machen. Entschlossen eintreten dafür, dagegen zu sein. Konfrontation der Kontrolle und der Kontrolleur_innen mit dem Unkontrollierbaren.

 

Wieso, weshalb, warum?

Griechenland könnte überall sein. Eine Situation, wie sie in Griechenland gerade ist, könnte sie auch überall, jederzeit so oder so ähnlich auftreten. Das ist ein Grund, weshalb wir uns mit den Streikenden in Griechenland solidarisch erklären. Die Kämpfe in Griechenland sind auch unsre Kämpfe.

 

Das ist auch ein Grund, weshalb wir es für sinnvoll halten, an diesem Tag hier etwas zu machen. Wir machen nichts falsch, wenn wir hier streiken. Wir machen das Richtige, wenn wir den Zusammenhang von Krise, Krieg, (sozialer) Kontrolle, Überwachung, Polizeiwillkür und Staatsgewalt aufzeigen. Das Mittel des politischen (General)Streiks scheint uns hierfür das Angebrachteste zu sein.

 

Gerade in Zeiten, in denen mit allen Mitteln versucht wird, die derzeit gültige gesellschaftliche Organisierungsform aufrechtzuerhalten, erachten wir es als notwendig, über geeignete Gegenmaßnahmen nachzudenken.

 

Die Gegenseite ist bereits gut vorbereitet. Auf Situationen wie derzeit in Griechenland wurde sich von langer Hand vorbereitet. Mit der lange geübten Aufstandsbekämpfungsstrategie stehen den Herrschenden ein buntes Potpourris an Methoden zur Bekämpfung sozialer Bewegungen zur Verfügung.

 

Ursprünglich zu militärischen Zwecken entwickelt wurde aus der Aufstandsbekämpfung ein politisches Programm zur Bevölkerungskontrolle weltweit. Durch die Einbindung und Verknüpfung von politischen, wissenschaflichen, polizeilichen und militärischen Mitteln zur Durchsetzung von Herrschaft nutzt sie diskursive und gewaltförmige Methoden, um einen Illusion von Ruhe und Ordnung herzustellen. In Zeiten, in denen die Grenzen zwischen Außen- und Innenpolitik verschwimmen, werden die Methoden zur „Stabilisierung von Krisengebieten“ nicht nur exportiert, sondern die dort gewonnenen Erkenntnisse über wirksame Maßnahmen zur Bevölkerungskontrolle auch importiert. Deshalb denken wir auch, dass es falsch ist, davon auszugehen, Aufstandsbekämpfungsmethoden würden nur in „entlegenen“ (Kriegs)Gebieten angewandt.

 

Eine Grundpfeiler von Aufstandsbekämfpung ist beispielsweise der „Teile und Herrsche“-Ansatz. Zur Aufstandsbekämpfung in „Krisengebieten“ wird versucht, den oppositionellen Teil der Bevölkerung vom „friedlichen“ zu trennen, um ihm so das Wasser abzugraben. In Gebieten mit aktiven Aufständischen sieht dies dann so aus, dass versucht wird, ihre Rückzugsgebiete einzugrenzen und sie von der Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten abzuschneiden. In unseren Breiten sind die Methoden unterschwelliger, basieren aber auf dem gleichen Prinzip. Was ist die Europäische Sicherheitsarchitektur (Datensammeln, Erfahrungs-/Kompetenztransfer, grenzübergreifende Riot-Control-Einheiten) anderes als proaktive Kontrolle sozialer Bewegungen, die unter anderem Terrorismusgefahr als Rechtfertigung heranzieht? Nach den London-Riots will die Metropolitan Police ihre Zusammenarbeit Vertreter_innen der prekären Communities verstärken, um potentielle “Gewalttäter_innen” frühzeitig identifizieren zu können, um so kommende Aufstände frühzeitig zu verhindern. Und in Berlin denke mensch zum Beispiel ans MyFest am 1. Mai. Immer lautet die Devise: Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Gröpfchen.

 

Als wirkungsvolle Gegenstrategie halten wir es daher für sinnvoll, eine Form zu finden, die mit den staatlichen Spaltungsversuchen bricht. Beim Nachdenken darüber sind wir auf den Streik gekommen. Durch einen politischen Streik können wir uns Raum und Zeit nehmen, mit möglichst vielen über unser Anliegen zu diskutieren. Daher sollte unser Anliegen sein, durch Aktion(en) und deren Vorbereitungsprozess in direkten Kontakt mit den Menschen zu kommen. Das könnte ein Mittel sein, mit der herrschenden Politik zu brechen, Räume zu öffnen, in denen über ihre freie Gestaltung offen mit allen diskutiert werden kann, und ein starkes Signal nach Griechenland zu schicken.

 

Zum Generalstreik

 

Es kursiert seit einiger Zeit ein Aufruf an alle Arbeiter_innen, Angestellte und prekär Beschäftigte, am 2. Mai einen politischen, also Generalstreik durchzuführen. Die vorgeschlagenen Forderungen sind konkreter Natur: eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde, Entkriminalisierung von Schwarzarbeit, Auflösung von Leiharbeitsfirmen, Arbeitserlaubnisse für alle die arbeiten wollen und der Stopp von Zwangsarbeit. Weitgehend unabhängig von diesen konkreten Forderungen, deren Umsetzung zweifelsfrei ein großer Fortschritt wären, ist die Idee des Generalstreiks zutiefst demokratisch und freiheitlich. Wenn sich die Frage stellt: Wie weiter mit den Krisenprotesten? Dann könnte die Antwort sein: dem Generastreik entgegen.

 

An einem Tag nicht zur Arbeit, Uni, Schule gehen, ohne Urlaub. Einen Tag sich dem Betrieb verweigern, ohne Kompromisse und Ausflüchte. Einen Tag ein deutliches Zeichen setzen, von einem klaren Standpunkt aus sich verweigern, mit den alltäglichen Normen brechen und Raum für neues schaffen.


Sich kollektiv dem Betrieb verweigern bedeutet, das gesamte Wirken des herrschenden Systems für einen zunächst begrenzten Zeitraum zu unterbrechen. Während der heute vom DGB und Co. organisierte Streik diesen Namen längst nicht mehr verdient, streiken Menschen in anderen Ländern nicht nur für konkrete Verbesserungen der Lebensumstände, sondern ebenso für abstrakte politische Ziele.
In Deutschland hat die Geschichte dagegen eine Mentalität hervorgebracht, die unfreiheitlicher nicht sein könnte. Der gesamtgesellschaftliche Konflikt, in dem arbeitende und nichtarbeitende Menschen stecken, wird einer vom Gesetzt diktierten repräsentativen Instanz überlassen. Der Streik ist zur bloßen Show geworden, der die Möglichkeit, etwas grundlegendes zu verändern abhanden gekommen ist.

 

Auch die Lohnerhöhungen in Deutschland, die vermeintlich der Erfolg des friedlichen Konflikts von Gewerkschaften und Arbeitgebern sind sprechen eine eindeutige Sprache. Im europaweiten Vergleich sind die Arbeitnehmer tatsächlich in einer eindeutigen Loser-Rolle. Während überall sonst die Reallöhne steigen, bekommen in Deutschland Arbeitende im Verhältnis zu den Lebenshaltungskosten konstant weniger Geld. Und das in einem der führenden Wirtschaftsstandorten. Woher die Führungsrolle Deutschlands herrührt dürfte angesichts dessen nicht weiter fraglich bleiben.

 

Tiefgehende Analysen der Streikkultur alleine und im Bezug zur wirtschaftlichen Situation gibt es aus freiheitlicher Sicht sicherlich schon. Dies hier zu wiederholen oder neu zu versuchen wäre uns schlicht nicht möglich. Es ist aber auch gar nicht unbedingt notwendig, um für unsere politische Arbeit zu gewissen Schlüssen zu kommen.
Es steht doch fest, dass der politische Streik das erstbeste Mittel der direkten Demokratie ist. Er bedeutet die temporäre Machtübernahme in den Betrieben, er bedeutet Raum für milieuübergreifende Auseinandersetzungen, für Mut zur Organisation. Er ist eine klare Ansage an diejenigen, die sich für die Herrscher halten und an diejenigen, die im Namen des Guten die Menschheit versklaven.
Zur Teilnahme am Streik ist dabei jede_r willkommen – vorausgesetzt er_sie ist bereit, ihre Rolle in der Gesellschaft zu reflektieren und gegebenenfalls mit dem gesamten System umzustürzen.

 

Eine Forderung, ein Ziel oder ein Sinn kann der Streik dabei erst erhalten, wenn er eintritt, da es niemanden geben kann, der diese im Voraus festschreibt. Wir fordern daher den Streik um des Streikes Willen. Jeder weiß, das diese Gesellschaft nicht den Weg weitergehen darf, den sie eingeschlagen hat – daher müssen wir nur ein Forum schaffen, das einen neuen Weg entwickeln kann.
Der politische Generalstreik muss her!

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Auf der Homepage der vice gibt es ein sehenswertes dreiteiliges Video zum 17. November 2011 in Athen.

Damals beschützte die Kommunistische Partei Griechenlands mit einem Ring um das Parlament dieses vor den Demonstranten.

http://www.vice.com/de/vice-news/teenage-riot-athens-1