[HN] Interview zum antikapitalistischen Block

1. Mai Heilbronn

Am 1.Mai wollen sich Aktivistinnen und Aktivisten in Heilbronn mit einem antikapitalistischen Block an der DGB- Demonstration beteiligen. Dazu im folgenden ein kurzes Interview mit Robert aus dem Vorbereitungskreis.

 

Hallo Robert! Ihr mobilisiert dieses Jahr erstmals zu einem antikapitalistischen Block auf der DGB- Demonstration am 1.Mai. Wie kam es denn dazu?

Robert: Die Idee, kämpferische Positionen auf der Gewerkschaftsdemo am 1.Mai sichtbar zu machen, hatten wir und auch andere AktivistInnen aus der Region schon länger. In anderen Städten gibt es ja bereits seit einigen Jahren solche antikapitalistischen oder klassenkämpferischen Blöcke - oftmals natürlich in Verbindung mit eigenständigen revolutionären Demonstrationen wie z.B. in Berlin oder Stuttgart.
In Stuttgart haben wir uns vor 2 Jahren z.B. auch am klassenkämpferischen Block aktiv beteiligt. Dass wir es jetzt in diesem Jahr wagen und bei uns in Heilbronn einen Block organisieren, hat selbstverständlich damit zu tun, dass sich in der Stadt in den letzten Jahren im Bezug auf linke Strukturen einiges getan hat und wir nach der großen antifaschistischen Mobilisierung zum 1.Mai 2011 jetzt den richtigen Zeitpunkt sehen, unsere eigenen  Inhalte in den Vordergrund zu stellen.

Auf den 1.Mai 2011 und die jetzt anstehenden Naziaufmärsche kommen wir noch zu sprechen.
Nochmal zurück zu Eurer Entscheidung für diesen Block: Ihr ruft dazu ja bestimmt nicht nur auf, weil ihr momentan das Potential oder das Personal dafür seht oder?

Robert: Nein, natürlich nicht. Wir finden es grundsätzlich wichtig, unsere Kritik am kapitalistischen System über die linke Szene hinaus in eine möglichst breite Öffentlichkeit zu tragen und zur Diskussion zu stellen. Und das natürlich erst recht an einem traditionellen linken Kampftag wie dem 1.Mai. Und dafür ist die Demonstration der Gewerkschaften unserer Meinung nach genau der richtige Ort, denn auch wenn dort sicherlich reformistische Positionen dominieren ist es doch trotzdem die zentrale Aktion, bei der viele Lohnabhängige der Region gemeinsam für ihre Rechte und Interessen auf die Straße gehen.
Und es gibt übrigens auch in den Gewerkschaften genug Leute, denen die von der DGB- Führung ausgegebenen Forderungen wie "Gute Arbeit" und "Gerechte Löhne" nicht mehr ausreichen, gerade in der momentanen Krisensituation und angesichts des massiven Klassenkampfes von oben.
Unser Ziel ist es, diesen Menschen im Rahmen der Gewerkschaftsdemo ein Forum zu bieten und kämpferische Positionen innerhalb der Gewerkschaften und unter den Lohnabhängigen zu stärken und sichtbar zu machen.
Sich immer nur über das fehlende proletarische Klassenbewusstsein und die ausbleibenden sozialen Kämpfe in der BRD zu beschweren, ist für uns keine Option.

Ok, aber glaubt ihr denn wirklich, mit einem Block in Heilbronn etwas erreichen zu können? Wäre es nicht sinnvoller, in eine größere Stadt zu fahren und sich dort zu beteiligen?

Robert: Die Tendenz, in die nächste jeweils größere Stadt bzw. zu bereits etablierten Demos zu fahren, ist ja in den linken Bewegungen weit verbreitet. Ehrlicherweise muss man auch sagen, dass das oftmals mit einem gewissen "Event- Hopping" verbunden ist. Das ist zum Teil ja auch verständlich.
Wir glauben aber, dass wir langfristig nur dann wieder als antikapitalistische und revolutionäre Linke zu einer relevanten Kraft werden können, wenn wir in möglichst vielen Gegenden lokal verankert und aktiv sind und dort unsere Strukturen aufbauen.
Die Menschen, die wir mit unseren Inhalten erreichen wollen, leben und arbeiten eben nicht nur in den "Szenehochburgen".
Heilbronn ist die sechstgrößte Stadt in Baden- Württemberg, es ist eine sehr proletarisch geprägte Stadt mit ausgeprägten sozialen Konflikten. Wir wüssten nicht, warum wir hier am 1.Mai nicht für eine Perspektive jenseits der bestehenden Gesellschaftsordnung auf die Straße gehen sollten.
In diesem Sinne finden wir es übrigens erfreulich, dass es in diesem Jahr auch in verschiedenen anderen Städten in Baden- Württemberg erstmals lokale klassenkämpferische und antikapitalistische Blöcke gibt, also z.B. in Mannheim oder Villingen- Schwenningen.

Im letzten Jahr sah das ja noch ganz anders aus. Damals, am 1.Mai 2011, kamen Antifaschistinnen und Antifaschisten aus ganz Baden- Württemberg zu Euch nach Heilbronn um einen Naziaufmarsch zu verhindern.
Dieses Jahr wollen die Nazis u.a. in Mannheim marschieren und trotzdem haltet Ihr und viele andere Städte an ihren eigenständigen Mobilisierungen fest. Kannst Du kurz sagen, wie Ihr das seht?

Robert: Du hast recht, vor einem Jahr stand die Mobilisierung gegen den Naziaufmarsch eindeutig im Vordergrund.
Das "nationale und soziale Aktionsbündnis 1.Mai", ein Zusammenschluss aller relevanter Naziorganisationen aus Süddeutschland, rief zu diesem Aufmarsch auf. Am Ende unterstützten über 60 faschistische Gruppen den Aufruf, es gab eine mehr als 6 Monate lange Kampagne der Nazis mit zahlreichen Vorfeldaktionen inclusive einer "Sternfahrt" mit mehreren Bussen. Angesichts dieser massiven Mobilisierung der Faschisten sahen viele AktivistInnen keine Alternative dazu, ebenfalls nach Heilbronn zu kommen und sich den Nazis mit allen Kräften entgegenzustellen.
Letztlich marschierten ja dann rund 800 Nazis von 4000 Bullen beschützt durch die Stadt während hunderte AntifaschistInnen gekesselt und in Gewahrsam genommen wurden.
In diesem Jahr stellt sich die Lage allerdings ganz anders dar: Es gibt keinen zentralen Aufmarsch der Nazis, das "nationale und soziale Aktionsbündnis 1.Mai" hat ein dezentrales Konzept angekündigt und momentan sind für den süddeutschen Bereich Aktionen der Faschisten in Hof (Bayern) und in Mannheim bekannt.
Sowohl in Hof als auch in Mannheim gibt es regionale Bündnisse, die Widerstand gegen die Naziaufmärsche organisieren.
In Mannheim ruft z.B. sogar der DGB - ganz anders als 2011 bei uns- im Bündnis zum Blockieren des Naziaufmarsches auf.
Wir sehen deshalb in diesem Jahr nicht die Notwendigkeit, wegen den Nazis auf eigenständige fortschrittliche Mobilisierungen wie unseren antikapitalistischen Block zu verzichten oder diese einzuschränken.

Heisst das, dass aus Heilbronn am 1.Mai keine AntifaschistInnen nach Mannheim fahren werden, um die Aktionen gegen den Naziaufmarsch zu unterstützen?

Robert: Nein, das heisst es nicht. Das heisst nur, dass wir am 1.Mai als antikapitalistische und revolutionäre Linke in der Region Heilbronn den Schwerpunkt auf unseren eigenen politischen Ausdruck legen werden.
Das heisst für uns konkret die Teilnahme am antikapitalistischen Block in der Gewerkschaftsdemo, die bereits um 10.30 Uhr am DGB- Haus beginnt.
Danach werden viele von uns sich auf den Weg nach Mannheim machen und sich dort an den antifaschistischen Aktionen beteiligen.

Denn klar ist, dass wir am 1.Mai nicht den Faschisten die Straße überlassen dürfen, egal in welcher Stadt.

Und wenn im nächsten Jahr wieder ein zentraler Naziaufmarsch in Süddeutschland ansteht?

Robert: Dann muss die Situation eben wieder neu analysiert und eingeschätzt werden. Ein starres oder dogmatisches Festhalten an Aktionsformen oder Konzepten ohne Betrachtung der jeweiligen Situation lehnen wir ab.

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