Aktuelle Kritik an Greenpeace

Greenpeace-Aktion, 2012

Waren Waldbesetzungen sowie davon ausgehende direkte Aktionen bislang eine Aktionsform unabhängiger Aktivist_innen und Nichtregierungsorganisationen, so ist jetzt erstmalig auch eine Präsenz internationaler Werbeagenturen auf diesem Themenfeld zu beobachten. Prominentester Fall ist „Greenpeace“, welches im Übergangsbereich zwischen konformistischer Nichtregierungsorganisation und kommerziellem Unternehmen agiert, und derzeit im unterfränkischen Spessart auf sich aufmerksam macht. Zum Verwertungswahn der Holzwirtschaft und dem Verdrängungsdruck des Tourismusgewerbes kommt damit der Vereinnahmungssog der Kulturindustrie hinzu. Doch ein solcher Wettbewerb staatlicher und kommerzieller Akteure um eine Deutungshoheit am Wald schadet diesem insgesamt, weil es ihn auch über seine materielle Substanz hinaus als Gegenstand kapitalistischer Stellvertreterkonflikte instrumentalisiert.


Bereits der Kampagnenauftakt war an sich fragwürdig: Um für den Bestandsschutz zu argumentieren, führte „Greenpeace“ eine flächendeckende Vorratsdatenspeicherung zehntausender Einzelbäume durch. Das ist ungefähr so als würde zwecks Beförderung des architektonischen Denkmalschutzes auf einem Territorium die Geometrie sämtlicher Räume in allen Gebäuden lückenlos katalogisiert. Völlig zu Recht käme gegenüber einem derartigen Vorhaben der Einwand auf dass das dem Datenschutz der Menschen zuwiderläuft welche diese Siedlungsräume beleben, und damit seinem vermeintlichen Zweck.

Auch in einem Wald muss es Undurchlässigkeit und Wildwuchs geben können, nicht nur im botanischen sondern auch im organisatorischen Sinn. Das beinhaltet dass nicht alle Einzelheiten flächendeckend erfasst werden dürfen, da eine Schaffung solcher Datenbestände neue Anfälligkeiten gegenüber wirtschaftlichem und staatlichem Missbrauch herstellt, wie die Erfahrungen mit dem Datenschutz belegen. Nur zum unmittelbaren Zweck des Erhalts hat eine solche Dokumentation eine Berechtigung, wo immer sie sich hiervon entkoppelt kann sie selbst zu einer Bedrohung für Mensch und Natur werden.
 
Dass der Wald Allmende ist bedeutet dass auch mit seinen Daten im Interesse der Allgemeinheit umzugehen ist. Ist er wie in diesem Fall lediglich von unprofessioneller Handhabung bedroht, nicht aber von planmäßiger Vernichtung, dann ist eine derartige Datenerfassung eine Handlung auf Vorrat, und damit aus diesem heraus ebenso abschlägig zu bewerten wie jede andere Art von gesellschaftlicher Vorratsdatenspeicherung. Dass „Greenpeace“ dies nicht merken resultiert möglicherweise schlichtweg daraus dass dort mit von ihrer Bereitstellung ganz entfremdeten Ressourcen ein kleinteilig erfolgreich erprobtes Konzept grossflächig umzusetzen versucht wird ohne die Folgen einer solchen Verallgemeinerung angemessen reflektiert zu haben.

Ähnlich die kürzliche Setzlingsaustauschaktion: Da wurden in großem Stil Plantagensetzlinge durch naturraumbildende Arten ersetzt, ganz so als wäre eine unmittelbare Gefahr im Verzug wie durch Pollenflug auf einem Genfeld. Dabei ist die Gefahr durch eine forstwirtschaftliche Einbringung von Wucherpflanzen sehr viel langfristiger, und besteht darin dass sie eine permanente Bestandspflege erforderlich macht damit nicht im Lauf der Zeit der Altbestand vollständig überwuchert wird, weil durch Selektion nach dem maximalen Wirtschaftsertrag das ökologische Gleichgewicht des Naturraums zerstört wurde.

Eine Versuchung zur Arbeitsplatzsicherung also. Ob es dazu kommt liegt allerdings daran ob Menschen die Konsequenzen ihres Tuns begreifen, und nicht daran wie lange genau der ein oder andere Plantagensetzling dort verbleibt. Ohnehin handelt es sich, solange der Naturraum unter Jagdpächterbefall leidet, bei der Wiederaufforstung um einen Krieg gegen die Natur. Denn dann fressen traumatisierte Wiesentiere welche sich im Wald verbergen müssen den Baumnachwuchs und eine Wiederaufforstung findet lediglich noch unter passiver Bewaffnung statt. Es ist nicht nur im Spessart ein offenes Geheimnis dass beim Verbißschutz eine stetige Aufrüstung erfolgt welche längst über bloss mechanische Abwehrvorrichtungen hinausgeht.

Doch in den Präsentationen mit denen „Greenpeace“ die Regierung in München zum Narren hielt - welche auch prompt auf das genmanipulierte Image von den simulierten Waldbefreiern hereinfiel und von der intakten Rückgabe der gejätet geglaubten Plantagensetzlinge überrascht wurde - ist von alledem nichts zu sehen. Da „Greenpeace“ nie an Feldbefreiungen beteiligt waren kamen sie gar nicht erst auf die Idee dass es weitaus sinnvoller wäre die Öffentlichkeit dorthin zu bringen wo unter dem Mäntelchen der Wiederaufforstung der Umbau zur Wucherplantage erfolgt, anstatt in München einen Schaugarten aufzubauen während der Wirkungsgrad der Wiederaufforstung unabhängig von der Artenauswahl gering bleibt.

Beiden grossplanerischen Fehlleistungen gemeinsam ist ein hierarchischer Umgang mit Informationen und Erfahrungswerten der verhindert dass diese sinnvoll weiterentwickelt werden können sobald ihre Anwendungsbereiche wachsen. Stattdessen werden sie wenn dies geschieht von fremdbestimmten Multiplikatorwirkungen dominiert, und die Resultate sind mehr als widersprüchlich. Die Tiefenökologie spricht bei einer solchen Einrichtung der Informationsflüsse vom Raffineriemodell - das Gewicht einer Information bestimmt ihren Weg durch die Hierarchie. Alternative ist ein Biotopmodell wo es keine keine zentrale Planungsmacht gibt.

Der genervte Forstbetriebsleiter der dem bayrischen Staatsradio erklärte er greife doch auch nicht in „deren Vorgarten“ ein, hat die Hierarchien von „Greenpeace“ besser durchschaut als ihr eigenes Personal: Denn erst wenn solche Aktionen dazu beitragen, dass der Wald nicht mehr als Hinterhof bzw. Vorgarten von Staat und Konzernen (oder eben der Marke „Greenpeace“) wahrgenommen und behandelt wird, nicht mehr als sogenannte „Kulturlandschaft“ mit institutionalisierter Deutungshoheit sondern als eigenständige Wesensheit, kann tatsächlich von Waldbefreiung die Rede sein.

Und so ist es ausgerechnet der schlecht informierte Lobbyist eines örtlichen Automobilzulieferers mit rodungsintensiver Firmengeschichte, welcher vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht, der auf den Punkt bringt woran dieser verbale Wettbewerb der Hierarchien krankt - an seinem mittelalterlichen Geschichtsbild: „Es gibt heute im Spessart mehr alte Bäume als je zuvor“, so Eberhard Sinner, CSU. „Als seit dem Einsetzen der Klerikalverwaltung auf diesem Territorium“, möchte die Stimme des Waldes belehrend hinzufügen.
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Eine neue Waldbesetzung von wirklich unabhängigen Aktivist_innen findet derzeit im Hambacher statt: http://hambacherforst.blogsport.de

Ein Video dazu gibt es hier: http://vimeo.com/40460627

Die Intention dieses Artikel scheint mir fragwürdig, denn er hantiert mit Unwahrheiten und schwammigen Formulierungen. Für mich wirkt es eher nach einer persönlichen Abrechnung mit einer unliebsamen Organisation - das eigentliche Thema Wald spielt dabei eigentlich keine Rolle. Das ist schade, denn eine Auseinandersetzung ist auf jeden Fall überfällig, denn das Märchen vom Förster der die Nachhaltigkeit empfand ist eine Mär...

 

Meine Kritik an diesem Artikel:

> Greenpeace wird als Werbeagentur bezeichnet. Diese Kritik ist so nicht haltbar, zumindest erschließt sich mir nicht, was demgegenüber mit "unabhängigen" NGOs gemeint sein soll. Auch andere NGOs arbeiten letztlich mehr oder weniger erfolgreich mit Medienlogiken. Welche Kritierien werden also für diese Aussage angelegt?

Zudem bedarf es auch eine besondere Erläuterung dieses Vorwurfes, da zumindest offiziell im Unterschied zu vielen anderen Umweltorganisationen, Greenpeace jegliche Gelder aus Politik und Wirtschaft ablehnt. Es finaniziert sich somit ausschließlich aus Spenden und privaten Zuwendungen. Wenn man nun einen andere Eindruck suggeriert, dann bedarf es daher einer Erläuterung.

> Von "Vorratsdatenspeicherung" zu sprechen ist völliger Blödsinn. Der Vergleich hinkt. Man könnte höchstens Parallelen zur Volkszählung ziehen, was allerdings auch schon sinnlos ist. Ich empfehle den veröffentlichen Report und die zugehörigen Daten zu lesen. Dann wird wohl klar werden, was der Unterschied einer Alte-Buchenbaum-Bestandserfassung ist und einer Vorratsdatenspeicherung. Sachlich bleiben wäre besser gewesen! Zudem sei angemerkt, dass solche (noch viel umfangreichere) Daten schon offziell längst existieren. Es wurde daher weniger eine Bedrohung für den Wald geschaffen, als vielmehr versucht eine unabhängige Datenerfassung zu bekommen. Der Hintergrund ist, dass die Forstwirtschaft in Bayern damit freiwillig nicht rausgerückt ist (die wissen auch warum) und daher eine Grundlage recherchiert werden musste, um überhaupt eine fundierte Kritik (i.S. an den Zuständen und nicht i.S. systematischer Kritik) üben zu können.

Dies ist eine der Hauptvoraussetzungen jeglicher Kritik, insbesondere dann, wenn man überdies der Meinung ist, dass offizielle Zahlen oder Daten nicht unabhängig und politisch motiviert sind.

> Das Austauschen der Douglaisien ist nirgendwo mit einer unmittelbaren Gefahr, noch mit einem Pollenflug begründet worden. Diese Aktion steht vielmehr in der Tradition den Druck auf die Verantwortlichen deutlich zu erhöhen und Reaktionen zu provozieren. Diese Aktionsform rein auf einen solchen Legitimationsaspekt zu reduzieren, halte ich für stark fragwürdig, zumal in der Vergangenheit dies auch nicht der Fall war (siehe z.B. Gen-Kartoffel-Acker = auch hier gibt es keine unmittelbare Auskreuzungsgefahr!).

> In der Vergangenheit gab es übrigens durchaus auch Feldbefreiungsaktionen von GP Sektionen - siehe z.B. Frankreich. Bei einer internationalen Organisation sollte auch schon differenziert werden, denn die Arbeitsweisen sind durchaus  in den Ländern unterschiedlich!

> Es sei zudem angemerkt, dass die Buchenwald-Kampagne durchaus von zahlreichen Informationsabenden und Infoständen beleitet worden war und zwar in der gesamten Region (!!!) Es zeugt von Unkenntnis, wenn Gegenteiliges berichtet wird.

> Was ist darunter bitte schön zu verstehen "hierarchischer Umgang mit Informationen und Erfahrungswerten" und worin begründet sich dieser Vorwürf???

 

Bei der Greenpeace-Kampagne geht es übrigens nicht generell um den Wald, sondern explizit um alte Buchenwälder. Das ist ein Unterschied, auf die man eine potentielle Kritik auch abstimmen sollte! Da aber lieber auf die Greenpeace-Polemik-Keule gesetzt wird, geht die nötige Kritik an Umweltpolitiken von NGOs leider unter. Schade!

Intention dieses Artikels ist es den auswärtigen Aktivist_innen die nachher wieder weiterziehen zu vermitteln was ihre Aktion für diejenigen bedeutet die dort bleiben. Im unabhängigen Bereich findet ein solcher direkter Austausch ständig auf den Aktionen selbst statt, aber da es sich bei "Greenpeace" um eine hierarchische Struktur handelt welche von den Bedürfnissen der Menschen entfremdet agiert, muss in diesem Fall der Umweg über den medialen Frontalunterricht verwendet werden.

Nicht Zweck dieses Artikels ist es Beweismittel für Einzelfälle von Datenmissbrauch vorzulegen, denn ein solches Vorhaben würde eine verdeckte Mitarbeit bei "Greenpeace" erfordern, eine Aktionsform welche unter medialer Belagerung durch die Übermacht der Industrielobby viel zu unsicher ist um beweismitteltauglich zu sein. Die Verantwortlichen wissen selbst mit wem sie kollaborieren und es besteht keinerlei Notwendigkeit spezifische Vorwürfe zu erheben bevor diese Übermacht gebrochen ist. Vielmehr geht es darum von "Greenpeace" rekrutierte Aktivist_innen welche noch nicht so weit sind zum Nachdenken über die eklatanten Nachteile ihrer Struktur anzuregen, und dazu die Alternativen zu entdecken.

Dass Wald in Unterfranken traditionell Laubwald ist, in den vergangenen zehn Jahren die Misswirtschaft eklatant zugenommen hat, und die Bürokratie in München sich am liebsten selber bedauert wussten auch schon davor selbst die Hundespaziergänger. Falls "Greenpeace" tatsächlich etwas dagegen haben dass Genhofer sich als Buchen-Herodes aufführt dann sollten sie besser direkt kritisieren dass eine gefährliche Datenbevorratung Bestandteil der offiziellen Misswirtschaft ist, anstatt sich auf dasselbe Niveau zu begeben und Vorarbeit zur Waldzerstörung zu leisten. Wenn eine Verwaltung nicht aus Unwissenheit agiert sondern aus systematischer Ignoranz dann ist es kontraproduktiv sie mit besserem Wissen überzeugen zu wollen. Auch hier wieder die Denkanregung, sobald diese Situation eine Intervention rechtfertigt ist es besser gleich die Schreibtischplatten im Forstamt zu vermessen. Dann läßt sich schonmal ausrechnen wieviel davon bei der nächsten Rodung weggesägt werden muss. So entsteht der Eindruck "Greenpeace" führt einen Stellvertreterkonflikt mit den Behörden welcher auf Ablösung statt auf Abschaffung zielt, und daher tatsächlich ein Konflikt gegen den örtlichen Wald ist, welcher sich nicht von Werbeagenturen verramschen lassen möchte.

Darauf die für diesen Artikel verwendeten Quellen zu verlinken wurde gezielt verzichtet - dies kann in den Ergänzungen geschehen, soweit argumentativ von Belang. Kritisiert wurde auch nicht das Entfernen der Plantagenbäume, das ohnehin hätte erfolgen müssen, sondern die verräterische Inszenierung desselben, in der durchschimmert dass die Verantwortlichen nicht wahrhaben wollen wofür sie sich da instrumentalisieren lassen - die entfernten Setzlinge waren schließlich keine Genpflanzen für die es nirgendwo auf dem Planeten einen Standort geben kann, sondern lediglich eine natürliche Art am falschen Platz. Ausserdem ist der Wald keine wirtschaftliche Pflanzung, sondern selbstnachwachsend - ökologisch gesehen ist es sinnvoller auf den Kahlschlagsflächen Birken wachsen zu lassen um dem Buchenwald perspektivisch den Weg zu bereiten anstatt eine anfällige Pflanzung durch eine andere zu ersetzen. Und zu guter Letzt ist von "Nachhaltigkeit" in diesem Artikel ganz gezielt nirgendwo die Rede, denn Kapitalismus ist immer Raubbau an der Gegenwart, der Vergangenheit und der Zukunft, da gibt es nichts zu beschönigen.

Gibts diese große Waldbesetzung in Frankreich gegen diesen FLughafen eigentlich noch? (sorry dass ich jetzt weder Name noch sonstwas mehr weiß, hab lang nix mehr davon gehört)