[MR] Demonstration gegen Deutschland und seine Nazis

Oberstadt

Heute um 12 Uhr wurde zu einer kollektiven Gedenkminute für die Opfer rechter Gewalt in der ganzen Bundesrepublik aufgerufen. Initiiert wurde diese Veranstaltung von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und dem Deutschen Gewerkschaftsbund. Zuletzt fanden sich diese Beiden in trauter Zweisamkeit 1977 zum Tod von Hans Martin Schleyer zu einer Gedenkminute zusammen.

 

Auf dem Marburger Marktplatz fanden sich rund 300 Menschen zusammen, um den Worten des OB Vaupel zu lauschen um dann gemeinsam eine Minute zu schweigen. Vaupel sprach in seiner Karriere schon bei Veranstaltungen von Burschenschaften, Evangelikalen und den nazistischen Marburger Jägern, heute dann also zu Rechter Gewalt. Auch das Personal der Oberstadtwache verließ für die Gedenkminute seinen sicheren Hafen. Dass eine Schweigeminute gegen rechte Gewalt eine doch sehr merkwürde Bildsprache sei, dachten sich auch die anwesenden Antifaschist_innen, die zu einer anschließenden nicht angemeldeten Demonstration aufriefen. Von der Veranstaltung mit guten Gewissen ausgestattet, verließ der Großteil der Bürger_innen den Marktplatz, nicht ohne den Aufrufenden befremdliche Blicke zuzuwerfen.

Unter dem Motto „Den rassistischen Konsens brechen – Gegen Deutschland und seine Nazis“ gingen dann doch über 100 Menschen entschlossen und laut auf die Straße. Überraschend war die gute Kooperation mit der örtlichen Polizei, die sich durch ihre Abwesenheit auszeichnete. Die Demo konnte ungestört laufen. Zum einen wurde in den Redebeiträgen und auf verteilten Flugblättern der rassistische Normalzustand in Deutschland kritisiert.

Dort hieß es: „Nazis entstehen nicht im luftleeren Raum. Das Zeigen auf den vermeintlich glatzköpfigen Rand verkennt die tiefe Verankerung menschenverachtender Ideologien wie Rassismus, Sexismus, Antiziganismus und Antisemitismus sowie weitere Formen gesellschaftlicher Ausgrenzung und Diskriminierung in der Gesamtgesellschaft. In der Großstadt, auf dem Dorf, im Osten wie im Westen. Migrant_innen erfahren Rassismus in erster Linie nicht durch Nazis, sondern von den Nachbarn, von der Chefin oder den Kolleg_innen sowie auf der Ausländerbehörde. Von einer Nichtexistenz rechter Gewalt und rechten Terrors auszugehen und überrascht zu sein, wenn die mediale Debatte dies als neues Phänomen benennt, zeugt von gesellschaftlicher Blindheit und Ignoranz.“

Ein anderes wichtiges Anliegen der Antifaschist_innen war es, die sich häufenden Naziübergriffe in der Stadt zu thematisieren. Die Demonstrationsroute verlief entlang der Orte, an denen es vor Kurzem zu Übergriffen kam.

Einige Tage zuvor griff eine Gruppe Nazis eine Person mitten in der Stadt gewaltsam an. Die Gruppe konnte sich vor dem Angriff unbehelligt mit einer Reichskriegsfahne am Rudolphsplatz aufhalten. Vor einigen Monaten bedrängte eine Gruppe von Nazis eine Person  am helllichten Tag. In beiden Fällen bekamen die Personen keine Unterstützung von Passant_innen. Obwohl beide Vorfälle lautstark von Statten gingen und die Aufmerksamkeit Umstehender hätten auf sich ziehen müssen, wurde nicht eingegriffen. Erst einige dazukommenden Antifaschist_innen verhinderten Schlimmeres. Das Wegschauen wird aber nicht nur von den Bürger_innen praktiziert, sondern sowohl von der Polizeipresse als auch der Oberhessischen Presse und deren Monopol auf Berichterstattung in Marburg. Erst auf Drängen engagierter Antifaschist_innen wurde Tage später von dem  letztgenannten Vorfall berichtet.

Es gibt schon die ersten Berichterstattungen über die Gedenkveranstaltung in der Onlineausgabe der OP, doch noch ist nichts zu Lesen von der lautstarken Demo.

Fazit des Tages:

Der Drops ist noch nicht gelutscht!

Gegen Deutschland und seine Nazis!

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"Einige Tage zuvor griff eine Gruppe Nazis eine Person mitten in der Stadt gewaltsam an. Die Gruppe konnte sich vor dem Angriff unbehelligt mit einer Reichskriegsfahne am Rudolphsplatz aufhalten."

 

Tja, Marburg war 30 Jahre lang eine absolute No-Go-Area für Nazis, es gab Antifa-Telefonketten und wehrhafte Strukturen, Aktion statt Reaktion ... bis die >Antideutschen< kamen.

nicht dein Ernst, oder? Ohje.

Warum wurde dieser Kommentar denn schon wieder ontopic moderiert?

Es sind nur Beleidigungen und keinerlei Argumente darin enthalten...

stimmt

...ein Ort namens die "Linke", da herrschte Friede und Eintracht. Man verstand sich prächtig, wusste was man aneinander hatte und war kurz davor das Paradies auf Erden zu schaffen bis zu diesem Tage...

 

Im Ernst: Diese Fixierung auf "Antideutsche" ist bei manchen Menschen doch wirklich schon pathologisch. Wenn man nicht wüsste dass manche Leute diese Geschichte wirklich glauben, müsste man eigentlich gar nicht mehr drauf eingehen...

Was Sanne schreibt ist zwar teilweise unrichtig, aber im Kern nicht ganz falsch. Ich habe selber sehr lange in Marburg gelebt, und kann das teilweise bestätigen, teilweise auch nicht.

 

Zuerst zum Falschen: Absolute No-Go-Area war Marburg nie, auch nicht bevor die Anti-Deutschen hegemonial wurden. Es gab zeitweise Nazi-Skin-Banden aus Kirchheim und Stadtallendorf, die in der Stadt auftauchten und prügelten. Es gab mehr als ein Besuch der Sauerländer Aktionsfront und auch des Rechtsterroristen Manfred Röder bei Anlässen in Marburg. Es gab Ende der 90er ein paar Großaufmärsche durch die Stadt, die von der Linken nicht verhindert werden konnten. Und nicht zuletzt gibt es ultrarechte Burschenschaften (Rheinfranken, Normannia-Leipzig, Germania, VDS), die auch schon mit dem Luftgewehr auf ihre nachbarn schossen. Insofern ist ein einzelner Nazi-Schläger nicht das schlimmste, was es in Marburg je gegeben hat, und bestimmt nicht das erste Ereignis dieser Art.

 

Und nun zum richtigen: Es gab in Marburg bis Mitte der 90er gut funktionierende Antifa-Strukturen, mit Telefonketten und allem. Die haben einiges klären können, aber nicht alles. Mit dem Niedergang dieser Strukturen kam zumindest zeitlich der Aufstieg der Marburger Antideutschen, die sich zwar Antifaschismus auf ihre Fahnen schrieben, aber NICHTS sinnvolles zustande brachten., und das wohl auch gar nicht wollten. Diese Gruppen (Kosmopolitbüro [diese Gruppe hatte viele Namen...] und AAE) hatten eine Praxis, die sich ausschließlich auf Verleumdung, Diffamierung und Politikverhinderung beschränkte. Obwohl sich diese Gruppen als "antifaschistisch" bezeichneten, war die Hauptrichtung ihrer Praxis anti-links.

 

Ob allerdings die zeitweise Schwäche der Marburger Antifa ursächlich auf diese dumm-antideutsche Hegemonie zurückzuführen ist, ist zu bezweifeln. Zudem besteht diese Hegemonie heute seit einigen Jahren zum Glück gar nicht mehr.

Wo ist denn die achsotolle "anti-imperialistische" Antifa denn nun? Warum gibt es Sie nicht mehr?

"Verleumdung, Diffamierung und Politikverhinderung" kann sehr demotivierend sein.

Oder: Irgendwann reichts einfach und Leute werden dann lieber in anderen polit. Bereichen aktiv um sich nicht an einem Wall von Uneinsichtigkeit abzuarbeiten.