Jagd auf Demonstranten

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Erstveröffentlicht: 
06.04.2009

Mindestens 16000 Menschen haben am Samstag in Strasbourg und Kehl gegen den NATO-Jubiläumsgipfel demonstriert, davon rund 6000 auf deutscher Seite. Weil die Polizei den Weg über die Europabrücke versperrte, konnten sich die beiden Demonstrationszüge nicht wie geplant auf der französischen Rheinseite vereinigen.


Am Samstag morgen waren die ersten Rauchschwaden über der Innenstadt Strasbourgs aufgestiegen. Nach Angaben der französischen Behörden protestierten dort rund 10000 Menschen. Schwerbewaffnete Polizisten schossen mit Tränengas- und Schockgranaten auf Demonstranten, Steine flogen und Barrikaden brannten. Nach Polizeiangaben wurden 34 Demonstranten und acht Polizisten verletzt. Am Rande der Proteste kam es zu schweren Sachbeschädigungen. Die Organisatoren kritisierten das scharf, sehen aber die Verantwortung für die Eskalation bei der deutschen und der französischen Regierung.

Während das Gipfeltreffen durch Polizisten und Soldaten von der kritischen Öffentlichkeit abgeschirmt wurde, hatten Zehntausende Demonstranten Probleme, überhaupt den Ort der Proteste zu erreichen. Aus- und Einreiseverbote, massive Grenzkontrollen und die Sperrung des Zugangs zur Kundgebung hätten einen geordneten Ablauf unmöglich gemacht, beschwerten sich die Veranstalter. »In der Region um Strasbourg und Kehl waren mit Sicherheit 30000 NATO-Gegner unterwegs«, erklärte Reiner Braun vom internationalen Vorbereitungskomitee am Sonntag gegenüber jW. Er wisse von mindestens zwölf Bussen, die nicht angekommen seien.

Gegen 13Uhr hatte die Polizei am Samstag die Demonstration an der Europabrücke, die Frankreich mit Deutschland verbindet, gestoppt. Vier Wasserwerfer und Hunderte deutsche Polizisten versperrten den aus Strasbourg kommenden NATO-Gegnern den Weg. Auch in Kehl wurde der Demonstrationszug angehalten.

»Eins, zwei drei, gebt die Brücke frei!« skandierten die Kriegsgegner. Die Einsatzleitung entgegnete per Lautsprecher, es liefen noch Verhandlungen. Für die Demonstrationsleitung verhandelten Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele sowie der linke Europaabgeordnete Tobias Pflüger. Der deutsche Einsatzleiter behauptete, er könne keinen Kontakt zu den französischen Kollegen herstellen.

Gegen 14Uhr stand plötzlich auf französischer Seite das ehemalige Zollgebäude an der Europabrücke in Flammen. Anderthalb Stunden darauf zogen sich dort die letzten Demonstranten in Richtung Strasbourger Innenstadt zurück. Die Polizei setzte ihre Angriffe mit Rauchbomben und Tränengas fort.

Einige – offenbar Autonome – ließen ihren Frust an der Umgebung aus. Die Scheiben einer Tankstelle wurden eingeschlagen, die Verkaufsräume geplündert. Der aus Afrika stammende Pächter sympathisiert eigentlich mit den Protesten. »Aber an dem Laden hängt meine ganze Existenz«, sagte er zu junge Welt.

Die Zollstation brannte nieder, ein Ibis-Hotel am Jardin des deux rives ging ebenso wie eine gegenüberliegende Apotheke in Flammen auf. Feuerwehr war allerdings nirgends zu sehen. Unterdessen machten sich auf deutscher Seite die Demonstranten auf den Heimweg. Rund 1000 von ihnen stiegen gegen 18Uhr in den von der NRW-Linkspartei gecharterten Sonderzug »Friedenslok NRW«.