Interview: Eifler Zustände

"Break the Silence"-Festival 2011

Das „Break the Silence“-Festival in Bad Münstereifel-Arloff (Kreis Euskirchen) findet nun am kommenden Wochenende im „Autonomen Zentrum“ in Köln-Kalk statt. ABK sprach mit Sofia und Paul, zwei der OrganisatorInnen des Festivals, über die Hintergründe des Ortswechsels und die Bedingungen antirassistischen / antifaschistischen Engagements in der Eifel.

Das „Break the Silence“-Festival wurde kurzfristig nach Köln verlegt. Was ist passiert?


Paul: Am vergangenen Freitag wurde uns kurzfristig der Mietvertrag für das Gelände gekündigt. Wir standen also eine Woche vor dem Festival ohne Platz da. Trotz intensiver Bemühungen konnten wir auf die Schnelle keinen geeigneten Ersatz organisieren. Die Freundinnen und Freunde vom AZ in Köln haben uns unbürokratisch und sehr solidarisch „Asyl“ angeboten und damit das Festival gerettet. Das zeigt doch, wie wichtig selbstverwaltete, nicht-kommerzielle Räume sind. Etwas, was im Kreis Euskirchen noch fehlt.

 

Sofia: Über den Grund der Kündigung wurden wir nicht informiert. Fest steht bislang nur, dass die Eigentümerin Druck auf die Vermieter ausgeübt hat, die daraufhin eingeknickt sind und uns vor die Tür gesetzt haben. Wir wollen über die Hintergründe nicht spekulieren, aber der Vorgang sagt doch einiges über das gesellschaftliche Klima in der Eifel aus. Antirassistisches Engagement ist hier nur unter widrigen Umständen möglich.

 

Mit dem Festival wollt ihr auch ein Zeichen gegen rassistische und extrem rechte Aktivitäten setzen. Dabei ist die Eifel doch nicht eine Hochburg von Neonazis, oder?

 

Sofia: Von einer „Hochburg“ würde ich zwar nicht sprechen. Tatsächlich gibt es aber organisierte Neonazis in der Eifel, etwa die „Freien Nationalisten Euskirchen“. Diese 2007 gegründete Gruppe ist zwar zahlenmäßig überschaubar, aber gut vernetzt mit den militanten Neonazis vom „Aktionsbüro Mittelrhein“ aus dem nördlichen Rheinland-Pfalz und der „Kameradschaft Aachener Land“ aus dem Raum Düren / Aachen. Der Versuch, die NPD im Kreisgebiet aufzubauen, ist vorerst gescheitert. Das lag unter anderem daran, dass sich der zuständige Kreisverband Düren mit dem NPD-Landesverband überworfen hat.

 

Paul: Es gibt außerdem einen nach rechts offenen Mainstream: Bei „Böhse Onkelz“ – Tribute-Konzerten feiern schon mal ganz „normale“ Jugendliche mit organisierten Neonazis. Oder ein aktuelles Beispiel: In den kürzlich durch Hacker veröffentlichten Daten des in Deutschland illegalen „Blood & Honour“-Netzwerkes taucht auch ein Mann aus der Gemeinde Kall auf. Mutmaßlich hat einer seiner Söhne den Account eingerichtet. Und der war zugleich Mitglied im „Kaller Maigeloog“ (einem „Maiverein“) und aktiv im örtlichen Sportverein, scheinbar ohne dort groß aufzufallen.

 

Sofia: Nicht zu vergessen die ehemalige NS-„Ordensburg“ Vogelsang in Schleiden, die zu einem Tourismuszentrum entwickelt wird und immer noch als Ausflugsziel für Neonazis interessant ist. Was wir zudem beobachten ist daß sich der Kreis Euskirchen in eine Art „Rückzugsraum“ entwickelt.

 

Rückzugsraum? Was meinst Du damit genau?

 

Sofia: Damit meine ich, dass Neonazis aus dem Umland mit ihren Veranstaltungen in ländliche Gebiete ausweichen, weil sie hoffen, dort auf weniger Gegenwehr zu stoßen. Das hat zum Beispiel der NPD-nahe „Akademiekreis“ so gemacht und im vergangenen Jahr eine Tagung mit rechten Holocaust-Leugnern in der Nähe von Euskirchen durchgeführt. Eine Wiederholung im April fiel dann allerdings flach. Antifaschisten hatten den Ort recherchiert und dem Wirt einen Tipp gegeben. Der setzte die Neonazis prompt vor die Tür. Diese sind dann ins Ahrtal ausgewichen und konnten leider dort ihren „Kongress“ durchführen.

 

Gibt es denn organisierte Gegenwehr gegen die Neonazis?

 

Paul: Natürlich! In den letzten Jahren ist einiges in Bewegung geraten. Verschiedene Initiativen die (auch) zu den Themen Rassismus / extreme Rechte arbeiten, haben sich neu gegründet. Zu nennen wären zum Beispiel die Gruppe „Klär Dich Auf“, die mehrfach ein Festival zu gesellschaftlichen Themen in Nettersheim organisiert hat oder "Eifel gegen Rechts“. Es gibt außerdem Ansätze für ein breit angelegtes Bündnis, an dem auch Parteien wie Die Linke oder die Grünen beteiligt sind. Ein Ergebnis ist ein Faltblatt mit dem Titel „Was tun wenn...“, das in hoher Auflage im Kreisgebiet verteilt wird. Es richtet sich an Jugendliche und gibt Tipps, was man tun kann, wenn sich Neonazis in Kneipen breit machen.

 

Sofia: Und seit rund einem Jahr gibt es endlich auch wieder eine Antifa-Gruppe in der Eifel. Die Zeiten, in denen Neonazis im Kreis Euskirchen ungehindert agieren konnten, sind definitiv vorbei! Trotzdem gibt es eine weit verbreitete Kultur des Wegsehens und Ignorierens. Vom Establishment werden oft eher junge Menschen, die sich gegen Rechts engagieren und selbst organisieren als Problem angesehen, als die Neonazis.

 

Kannst Du dafür ein Beispiel nennen?

 

Sofia:Vor einigen Jahren gab es einen Vorfall in einem Ort bei Hellenthal. In der Mainacht hatten Jugendliche den Dorf-„Maibaum“ in den alten Reichsfarben Schwarz, Weiß und Rot geschmückt und außerdem ein Hakenkreuz in den Stamm geritzt. Es hat Monate gedauert, bis das überhaupt thematisiert wurde. Und dann auch nur äußerst zaghaft.

 

Was erhofft ihr Euch nun vom Festival?

 

Sofia: Dass trotz der räumlichen Verlegung viele Menschen aus dem Raum Euskirchen ins AZ nach Köln kommen. Und natürlich auch viele solidarische Menschen aus Köln und dem Umland. Das Festival hat ja auch einiges zu bieten: Zehn nette Bands, am Samstag im Anschluß an das Konzert eine Dubstep-Party mit Leuten von einer Crew aus Köln-Ehrenfeld.

 

Paul: Und das mehr antifaschistisch engagierte Menschen darauf aufmerksam werden, was vor ihrer „Haustür“ im weiteren Kölner Umland an Neonazi-Aktivitäten stattfindet und helfen, den von den Rechten besetzen Raum Stück für Stück „zurückzuerobern“.

 

Wie geht es nach dem Wochenende weiter?

 

Paul: Auch wenn wir es natürlich bedauern, daß das Festival nicht in der Eifel stattfinden kann. Es gibt schon Überlegungen für eine Wiederholung und auch verschiedene weitere Aktivitäten im Kreis Euskirchen sind in Planung. Wir werden nicht locker lassen!

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