Demo-Beobachtung bei der Räumung des "Kommando Rhino"

Weder Freunde noch Helfer
Keine Auschreitungen durch Demonstranten oder Besetzern – aggressives Auftreten einiger Polizisten – Reizspray statt Anti-Konflikt-Team – Festnahme eines Pressevertreters – kein erkennbarer Zusammenhang von friedlichen Demonstranten und gewalttätigen Autonomen – unbeteiligte Bürger und Kinder gefilmt

In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch wurde im Freiburger Stadtteil Vauban das seit zwei Jahren besetzte M1-Gelände geräumt. In diesem Zusammenhang war eine Protestaktion für den Verbleib der dortigen Wagenburg geplant. Auf kurzfristige Anfrage der betroffenen BewohnerInnen war der Arbeitskreis kritischer Juristinnen und Juristen (akj) Freiburg mit einem Demonstrationsbeobachtungsteam ab ca. 4:15 Uhr vor Ort.

 

Zu diesem Zeitpunkt war die Merzhauser Straße bereits durch die Polizei abgesperrt. Die brennenden Barrikaden waren zu Fuß passierbar und verwaist. Die von der Polizei geschilderten Geschehnisse bei den Barrikaden (Stahlseile, Molotowcocktails, Körperverletzung an löschenden Personen) lagen zeitlich vor dem Beginn der Beobachtung und sind somit nicht Gegenstand dieses Berichtes, der sich wie üblich auf vom Demonstrationsbeobachtungsteam selbst wahrgenommene Geschehnisse beschränkt. Die Demonstrationsbeobachtung hat sich damit ausschließlich auf die Räumung des M1 beschränkt.

Trotz vorheriger Information der Polizei über die Beobachtungstätigkeit wurde diese nur eingeschränkt zugelassen.

 

Abgesehen von vereinzelten Situationen verlief die Räumung des M1 aus Sicht der DemonstrationsbeobachterInnen im Großen und Ganzen friedlich. Weder von Seiten der BesetzerInnen des „Kommando Rhino“ noch seitens der anwesenden DemonstrantInnen konnten die DemonstrationsbeobachterInnen Ausschreitungen irgendeiner Art beobachten.

 

Zwar wurden im engen Umkreis um das Gelände drei Barrikaden errichtet, diese aber weder angezündet noch verteidigt. Die versammelten TeilnehmerInnen des Protestes verhielten sich durchweg friedlich, es kam nicht einmal zu den erwarteten Sitzblockaden. Sobald die Polizei in geschlossener Reihe in eine bestimmte Richtung vordrang, wichen die anwesenden Personen freiwillig zurück. Der Protest beschränkte sich auf Tanz, Musik, Anwesenheit und lautstarkes Skandieren. Flaschen-, Steinwürfe oder Ähnliches wurden nicht beobachtet.

 

Im Allgemeinen gingen auch von der Polizei keine Gewalttätigkeiten aus. Während des größten Teils der Räumung kam es zwischen der Polizei und den Protestierenden zu keinen Konflikten. Leider wurde diese allgemeine Friedlichkeit durch vereinzelte Situationen getrübt: Teilweise wurden ohne ersichtlichen Grund zwischen dem Gelände derselbstständigen, unabhängigen Siedlungsinitiative (SuSI) und dem M1 durch lockere Polizeiketten zwei kleine Kessel gebildet, die nicht ohne weiteres – auch nicht von VertreterInnen der Presse oder des Runden Tisches – passiert werden konnten. Im weiteren Verlauf wurden diese Kessel wieder aufgelöst, ohne dass sie Gegenstand von größeren Auseinandersetzungen geworden wären.

 

Um etwa 6:00 Uhr kam es zu einem größeren Konflikt, nachdem eine Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) auf das Gelände der SuSI eindrang, wo sich ein Großteil der Demonstrierenden aufhielt. Anlass und Grund für dieses Vorgehen der Polizei konnte von den DemonstrationsbeobachterInnen selbst nicht erkannt werden.

 

Dieses Vorgehen der Polizei sorgte über etwa fünf Minuten für Rangeleien und Aufregung. Es kam zu vereinzelten Handgreiflichkeiten mit Schlagstockeinsatz. Als die Protestierenden gewaltsam in Richtung Vaubanallee zurückgedrängt wurden, bestand Verletzungsgefahr, da eine geschlossene Schranke den Weg versperrte. Anschließend kehrte wieder Ruhe ein.

 

Der akj kritisiert das insgesamt martialische Erscheinungsbild der Polizei sowie das aggressive Auftreten einiger PolizistInnen. Letzteres äußerte sich beispielsweise dadurch, dass kurz nach Eintreffen der Einsatzkräfte eine Gruppe von etwa fünf PolizistInnen mit erhobenen Schutzschildern ohne ersichtlichen Grund brüllend auf eine Menge von protestierenden Menschen zustürmte und sich kurz darauf wieder zurückzog.

Unverhältnismäßig erscheint auch der pauschale Kameraeinsatz der Einsatzkräfte, bei dem völlig unbeteiligte Bürgerinnen und Bürgern sowie Kinder gefilmt wurden. Für dieses Vorgehen gab es vor Ort keinen Anlass.

 

Als nicht gerechtfertigt sind zuletzt noch zwei weitere Ereignisse zu nennen: So bleibt fraglich, weshalb zwei Polizisten mit 1,40 m langen Holzstielen ausgestattet waren, welche sie ohne ersichtliche Rechtfertigung in den Unterleib eines jungen Mannes stießen, der daraufhin zu Boden ging.

Ebenso fragwürdig erschien die Festnahme eines Pressevertreters, dem man laut Polizeiangabe aufgrund seines Aussehens trotz eines gültigen Presseausweises den Zugang auf das Gelände verwehrte. Auf den sich anschließenden lautstarken Protest der Demonstrierenden wurde nicht mit dem Antikonfliktteam reagiert, sondern stattdessen ein Reizspray in die Menge gesprüht.

 

Es bleibt schließlich festzuhalten, dass aus Sicht der DemonstrationsbeobachterInnen – gemessen am Merkmal der Gewaltbereitschaft - kein Zusammenhang zwischen den Personen rund um das M1 und denjenigen festzustellen war, die für die Ausschreitungen in den frühen Morgenstunden verantwortlich gemacht werden. VertreterInnen vom Kommando Rhino haben mehrmals in Durchsagen und Plenumsdiskussionen deutlich gemacht, dass sie ausschließlich friedliche und straffreie Protestformen gutheißen und sich von Gewalt distanzieren. Dass es Rhino mit der Friedlichkeit ernst war, hat sich nach Ansicht des akj am Verlauf der Räumung gezeigt.

 

Der akj empfindet es daher als unbefriedigend, dass es sich die Polizei auch nachträglich zu leicht macht, dem Kommando Rhino die Verantwortung für die Ausschreitungen zuzuschreiben. Trotz des Versuchs des Kommando Rhino, sich von den Gewalttätigkeiten zu distanzieren und der offensichtlich vorhandenen polizeilichen Vermutung, dass für die Ausschreitungen eine eigenständige Gruppe verantwortlich war, konnte weder vor Ort noch im Nachhinein beobachtet werden, dass die Polizei hinsichtlich des friedlichen Protestes und der gewaltsamen Ausschreitungen trennen wollte. Erkennbar nicht zuletzt daran, dass die weitgehende Abwesenheit und Untätigkeit des Antikonfliktteams der Polizei beim M1 Gelände mit den Gewalttätigkeiten in der Nacht begründet wurde.

Ein detaillierter Bericht wird in der kommenden Woche auf der Homepage des akj Freiburg erscheinen.

 

akj Freiburg
Demobeobachtung

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Erstmal danke für das ausführliche Beobachten. Im Folgenden noch eine kleine Ergänzung.
"Es kam zu vereinzelten Handgreiflichkeiten mit Schlagstockeinsatz".
Es muss dazu betont  werden, dass die Handgreiflichkeiten ausschließlich von der Polizei ausgieng, die Leute konnten wegen der Metallschranke, und weil es kein Anlass gab sich Richtung Rhino schieben zu lassen, nicht zurückweichen.
Die (vereinzelte) Gewalt äußerte sich nicht nur durch Schlagstockeinsatz, sondern auch durch gezielte Faustschläge (höchstwahrscheinlich) mit Quarzsand-besetzen Handschuhen!