[Stuttgart] Antimilitarist verurteilt!

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Heute fand vor dem Amtsgericht Stuttgart der Prozess gegen einen Antimilitaristen statt. Ihm wurde vorgeworfen an der Besetzung der St. Eberhardts Kirche, im Vorfeld des öffentlichen Bundeswehr Gelöbnisses 2010 in Stuttgart, beteiligt gewesen zu sein. Die Anklage war Hausfriedensbruch, Nötigung und Einschränkung der Religionsfreiheit.

 

Zu Prozessbeginn verlaß der Angeklagte eine politische Erklärung um aus antimilitaristischer Sicht die damalige Situation darzustellen (Erklärung im Anschluss).

Am Tag des Bundeswehr Gelöbnisses war ein Militärgottesdienst für die zu vereidigenden Rekruten geplant. Um den Gottesdienst der Rekruten am 30. Juli 2010 zu verhindern, besetzten 15 AntimilitaristInnen fünf Tage vor dem öffentlichen Gelöbnis die St. Eberhardts Kirche in Stuttgart.


Drei der acht festgenommenen KriegsgegnerInnen wird nun der Prozess gemacht. Der Angeklagte wurde wegen Hausfriedensbruch zu 15 Tagessetzen zu je 15 Euro verurteil, die anderen Anklagepunkte wurden fallengelassen. Als Zeugen geladen waren unter anderen der Stuttgarter Ex-Prälat Brock, der damals die gewaltsame Räumung durch die Polizei veranlasste und Strafanzeige gegen die friedlichen KirchenbesetzerInnen stellte.


Nach wie vor verteidigte Ex-Prälat Brock den Gottesdienst für die Soldaten: „(…) es ist legitim für Soldaten einen Gottesdienst abzuhalten.“.


Nach einer weiteren Zeugenaussage eines Bullen forderte die Staatsanwaltschaft 15 Tagessetze zu je 20 Euro für den Angeklagten. Der Staatsanwalt stellte den Protest als massiv störend dar, obwohl zuvor immer wieder betont wurde, dass sich die BesetzerInnen friedlich verhielten.


Die Verteidigung plädierte auf Freispruch, mit dem Argument, dass das Versammlungsrecht über dem Hausrecht stehe, da die Kirche zu den öffentlichen Räumlichkeiten gehöre.


Nach kurzer Bedenkzeit verlaß die Richterin das Urteil. Wir sind nicht bereit dieses Urteil hinzunehmen. Angeklagt gehören diejenigen, die für Kriegspropaganda verantwortlich sind und ihre Verbreitung aktiv fördern- nicht jene, die sich diesem mörderischen Geschäft in den Weg stellen.


Der Protest gegen das öffentliche Gelöbniss der Bundeswehr in Stuttgart war richtig und notwendig um der Militarisierung der Gesellschaft etwas entgegen zu setzten. Außerdem ist es unsere Aufgabe die von der Repression betroffenen AntimilitaristInnen zu unterstützen und weiter gegen Krieg und Militarismus aktiv zu sein.

 

Seid solidarisch – Kommt zu dem nächsten Prozess!

31. Mai, 9.30 Uhr im Amtsgericht Nürtingen (Neuffener Str. 28)

 

Antimilitarismus aufbauen!

Für eine Welt ohne Krieg und Ausbeutung!

 

Weitere Informationen zu den Prozessen

 

Offenes Treffen gegen Krieg und Militarisierung - Stuttgart

 

Prozesserklärung des angeklagten Antimilitaristen:

 

Ich war am 25. Juli letzten Jahres, wenige Tage vor dem öffentlichen Gelöbnis der Bundeswehr, mit andern Antimilitaristen in der Eberhardtskirche und habe diese mit dem Ziel, den Militärgottesdienst zu verhindern, besetzt.

 

Der Umgang mit uns friedlichen Besetzern führt deutlich vor Augen, dass gewisse Kirchenfunktionäre lieber das Militär statt Antimilitaristen in der Kirche haben wollen. Denn obwohl wir uns respektvoll verhielten, die Gottesdienste nicht störten und sogar anboten bei kirchlichen Veranstaltungen zu helfen wurden wir nach zwei ungestörten Gottesdiensten nach Anweisung von Prälat Brock von der Polizei geräumt. Selbst Pressevertreter und Kirchenbesucher wurden, offensichtlich um die Öffentlichkeitswirkung zu minimieren, seitens des Pfarrers der Kirche verwiesen. Obwohl von unserer Seite aus aktiv das Gespräch gesucht wurde zeigte Prälat Brock, welcher sich als Vermittler zwischen Kopfbahnhof21- und Stuttgart21-Befürwortern empfahl/herausstellte und seit kurzem Vorsitzender eines kirchlichen Sozialunternehmens ist, keinerlei Verständnis für das Anliegen von uns Antimilitaristen.

 

Entgegen der Eigendarstellung der Kirche als friedliebende Institution bietet sie dem Militär eine Plattform um ihre menschenverachtende Kriegspropaganda weiter voranzutreiben und das Ansehen der Bundeswehr und die Zustimmung zu ihren Kriegseinsätzen in der Bevölkerung zu erhöhen. Dass diese Kriege nicht im Interesse von Menschenrechten geführt werden, sondern allein von Profit- und Machtinteressen motiviert sind, ist einer stabilen Mehrheit der Bevölkerung bewusst. Gerade das Beispiel Afghanistan, wo während der jahrelangen Besatzungszeit die Alphabetisierungsrate noch weiter gesunken und die Arbeitslosenrate klar angestiegen ist, entlarvt die Propaganda der Regierung und Militärführung sehr deutlich. Auch die Auswahl der Kriegsschauplätze ist bezeichnend: Der angebliche Einsatz für Demokratie und Menschenrechte findet nur an für die Bundesrepublik wirtschaftlich oder strategisch wichtigen Orten statt.

 

Um den Ausbau zu einer weltweit einsatzfähigen (Interventions)armee voranzutreiben, welche die politischen und wirtschaftlichen Interessen der BRD global vertreten soll, benötigt die Bundeswehr ständig neue Berufs- und Zeitsoldaten. Um dieses Ziel zu erreichen und die Akzeptanz der Bundewehr in der Gesellschaft zu steigern tritt die Bundeswehr verstärkt im öffentlichen Raum auf.

In diesem Zusammenhang muss auch das öffentliche Gelöbniss der Bundeswehr am 30. Juli und der Militärgottesdienst gesehen werden. Es kann nicht sein, dass die Bundeswehr ungestört für ihre Kriege die sie in aller Welt führt, werben kann. Wir wollen nicht, dass die Anwesenheit der Bundeswehr auf öffentlichen Plätzen, Kirchen, Bildungsmessen, in Schulen oder anderswo zur Normalität wird.

 

Das friedliche Antimilitaristen von der Justiz verfolgt, die für die Angriffskriege des deutschen Militärs Verantwortlichen aber unbehelligt bleiben zeigt deutlich die Funktion des Rechtssystems der BRD. Ungeachtet des Urteils werde ich weiterhin entschlossen Widerstand gegen Kriegspropaganda und Militarisierung leisten, das lass ich mir nicht nehmen. Der Protest gegen das öffentliche Gelöbnis der Bundeswehr war richtig und notwendig um der Militarisierung der Gesellschaft entgegen zu treten!

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Radio Dreyeckland Interview zum Prozess und den Hintergründen