Aufruf des Berliner Bündnis „8.März“ zur revolutionären 1.Mai-Demonstration um 18 Uhr am Kottbusser Tor
Der 1. Mai wird heute in über 140 Ländern als „Kampftag der Arbeiter_innen“ begangen. Weltweit gehen die Menschen für ihre Bedürfnisse auf die Straße und protestieren gegen ein System, in dem nicht die Bedürfnisse der Menschen, sondern nur die privaten Profite des Kapitals im Zentrum stehen. Dies hat eine lange Tradition: Erstmals wurde der 1. Mai als „Kampftag der internationalen Arbeiter_innenklasse“ 1890 begangen. Die Initiative für solch einen weltweiten Protest- und Feiertag der entstehenden Arbeiter_innenbewegung ging von der Zweiten sozialistischen Internationale aus, die sich im Juli 1889 in Paris gründete. Erinnert werden sollte an die massenhaften Streiks und Kämpfe am 1. Mai 1886 in den USA, als die Arbeiter_innen für eine Verkürzung der Arbeitszeit von zwölf auf acht Stunden auf die Straße gingen. Die Demonstrationen und Kundgebungen wurden in den Folgetagen mit brutaler Polizeigewalt niedergeschlagen.
An den Kämpfen der revolutionären und sozialistischen Arbeiter_innenbewegung beteiligten sich von Anfang an auch viele Frauen. Ihr Kampf richtete sich jedoch nicht nur gegen die kapitalistische Ausbeutung, der sie genauso wie ihre Kollegen unterworfen waren, sondern auch gegen die patriarchalen Gesellschaftsverhältnisse und die geschlechtsspezifische Unterdrückung auch durch ihre männlichen Kollegen. Sie forderten neben der Verkürzung der Arbeitszeit und dem Recht auf gewerkschaftliche Organisierung auch die politische und rechtliche Emanzipation der Frauen durch Wahlrecht und gesetzliche Gleichstellung. Dafür gründeten die kämpfenden Frauen eigene Zusammenschlüsse und kamen unter anderem auf internationalen Frauenkonferenzen zusammen, um ihre Belange zu diskutieren und sich auszutauschen. In diesem Zusammenhang riefen sie im August 1910 auf dem zweiten Kongress der sozialistischen Internationale der Frauen den Internationalen Frauenkampftag ins Leben, der seither weltweit als Symbol für die Kämpfe der Frauen um Emanzipation steht und seit 1921 am 8. März begangen wird.
Die Kämpfe der sozialistischen Frauenbewegung und die Kämpfe der jungen revolutionären Arbeiter_innenbewegung waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts eng miteinander verbunden. Statt Teilinteressen und der Suche nach einem geschlechtspolitischen „richtigen Leben im Falschen“ stand die Idee einer universellen Befreiung aller Menschen von Ausbeutung, Unterdrückung und fremdbestimmten Lebensverhältnissen im Mittelpunkt dieser revolutionären Bewegungen. Die bekannte Sozialistin und Feministin Clara Zetkin schrieb zur Bedeutung und zur Ausrichtung des 8.März und der sozialistischen Frauenbewegung: „Wir müssen Sorge tragen, daß der Frauentag nicht nur eine glänzende Demonstration für die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts, sondern darüber hinaus der Ausdruck einer Rebellion gegen den Kapitalismus, eine leidenschaftliche Kampfansage all den reaktionären Maßnahmen der besitzenden und ihrer willfähigen Dienerschaft, der Regierung ist“
Denn die Befreiung der Frau ist nicht denkbar ohne eine grundlegende Befreiung der Menschen von Fremdbestimmung und kapitalistischer Ausbeutung. Andersherum ist auch eine konsequente antikapitalistische und sozialistische Perspektive nicht ohne das Aufsprengen patriarchaler Machtverhältnisse und die Befreiung der Frau möglich. Die bisherigen Versuche, das kapitalistische Gesellschaftsmodell zu überwinden, scheiterten unserer Meinung nach nicht nur an imperialistischer Einkreisung und bürokratischer Deformation, sondern auch daran, dass die patriarchale Kleinfamilie als kleinste Zelle der bürgerlichen Gesellschaft bis heute eine Grundlage für eine reaktionäre Restauration der alten Eigentumsverhältnisse bildet. Ein Prozess der Umwälzung wirtschaftlicher Verhältnisse, aber auch ein Prozess der bewussten Auseinandersetzung mit den herrschenden Rollenbildern ist nötig, um diese patriarchale Strukturen zu zerschlagen. Und während heutzutage innerhalb der antikapitalistischen Linken zum Thema Frauenunterdrückung und Geschlechterverhältnisse überwiegend Schweigen herrscht, versuchen die Reste der bürgerlichen Frauenbewegung die Errungenschaften vergangener Kämpfe durch die eisigen Zeiten des patriarchalen Rollbacks (wozu z.B. die Einführung der „Herdpauschale“ gehört) zu retten. Versuche, die gesellschaftliche Situation der Frauen durch institutionelle Reformen (wie die Einführung der Frauenquote) zu verbessern, müssen jedoch zwangsläufig an den ökonomischen Rahmenbedingungen dieser Gesellschaft scheitern. Denn auch wenn die Gleichstellung der Geschlechter theoretisch und rechtlich in allen Bereichen durchgesetzt wäre, würde sich an der sozialen Benachteiligung der Frauen erst mal nicht viel ändern, wenn nicht auch die heiligen Gesetzte des freien Marktes außer Kraft gesetzt werden und eine vernünftige Form des Wirtschaftens und Zusammenlebens ihren Platz einnimmt.
Ob am 8. März oder am 1. Mai, der Kampf für die Befreiung der Frau von geschlechtsspezifischer patriarchaler Unterdrückung und der Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung als Grundlage der bürgerlichen Gesellschaft gehören untrennbar zusammen und müssen gemeinsam und weltweit geführt werden. Denn die von den sozialistischen Frauen vor über 100 Jahren formulierte Kritik an kapitalistischer Ausbeutung und patriarchaler Unterdrückung sowie deren Zusammenhang ist auch heute noch hochaktuell. Trotz „formaler Gleichstellung“ und etlichen erfolgreichen Kämpfen sprechen die Fakten für sich: Frauen erhalten in der Bundesrepublik im Durchschnitt knapp 30 % weniger Lohn für vergleichbare Arbeit und sind konfrontiert mit prekären Arbeitsbedingungen im Niedriglohnsektor, in dem etwa ein Drittel der berufstätigen Frauen beschäftigt ist, Mehrbelastung durch die Verrichtung von unbezahlten Reproduktionsarbeiten und psychischer Belastung durch gesellschaftliche Rollenzwänge. So ist klar, dass es auch nach über 100 Jahren des Kampfes immer noch mehr als genug Gründe gibt, für den Sturz der kapitalistischen Wirtschaftsordnung und der patriarchalen Gesellschaftsstrukturen aktiv zu werden. Lasst uns am 1. Mai 2011 gemeinsam unsere Wut über diese Zustände zum Ausdruck bringen und Seite an Seite für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung, Unterdrückung und Patriarchat einstehen.
Wir hören nicht auf bis die Scheiße aufhört: Heraus zum revolutionären 1. Mai 2011!
taz-bz 1.Mai
korrekkkkt !!!
http://www.taz.de/1/nord/artikel/1/krawalle-im-dunkeln/