250 eritreische Flüchtlinge in Geiselhaft

Consiglio Italiano per i Rifugiati onlus

Bericht der italienischen Menscherechtsgruppe EveryOne über die Geiselhaft von über 250 eritreischen, sudanesischen, somalischen und äthiopischen Flüchtlingen in Rafah (Nordsinai, Ägypten) durch Menschenhändler, die mit der Hamas in Verbindung stehen. Neuer Appell an die internationalen Institutionen.

 

Rafah (Ägypten), 17. Dezember 2010. Die Fehlende Intervention der ägyptischen Polizei. 
„Der Zustand der eritreischen, somalischen, sudanesischen und äthiopischen Flüchtlinge(durch die Menschenhändler) im Norden der Sinaihalbinsel, in der Stadt Rafah, ist inzwischen verzweifelt und die Ägyptische Regierung interveniert nicht, um sie vor einem Schicksal von Vergewaltigungen, Gewalt, Torturen, Erpressung und Tod zu bewahren. Es ist leider nicht das erste Mal, dass die ägyptische Polizei entscheidet nicht zu intervenieren, obwohl sie von den afrikanischen Flüchtlingsgruppen weiß“, kommentieren Roberto Malini, Matteo Pegoraro und Dario Picciau, Co-Vorsitzende der Gruppe EveryOne. „Im vergangenen August z.B. wurde die [Lokal-]Regierung von Rafah über die Anwesenheit einer Gruppe von 300 Eritreern informiert, die im Stadtviertel al-Mahdeyya, im Süden der Stadt, angekettet waren und erpresst wurden. Anstatt sie zu befreien, konzentrierte sich die ägyptische Polizei auf eine Gruppe von Eritreern, denen es gelungen war, aus den Containern zu fliehen, und sie erschoss zwei von ihnen und verhaftete 17, ohne gegen die Menschenhändler vorzugehen.“ 

Die Mission in Rafah. „Unsererseits“, erklären die Aktivisten von EveryOne, „haben wir angeboten, uns in Rafah auf Mission zu begeben, um den Vertretern des Innenministeriums und der Polizeiführung das Versteck der Schlepper zu zeigen sowie die Obstplantage, wo die Eritreer gefangen gehalten werden. Über die ägyptische Botschaft erhielten wir die Antwort, dass die ägyptische Regierung die Existenz der Entführungen nicht anerkenne und es wurde uns nicht die geringste Unterstützung für die Mission angeboten. Uns wurde zudem davon abgeraten, uns nach Rafah zu begeben, aus Sicherheitsgründen. Nach und nach, während wir dennoch abreisen wollten, haben wir die Telefonkontakte mit dem Schlüssel-Zeugen der Geiselnahme und der Erpressungen völlig verloren. Es handelte sich um einen eritreischen Bürger, der in Rafah lebet und dessen Daten im Besitz der Ägyptischen Behörden und der UNO waren. Seit einigen Tagen äußern die Gefangenen, nach den Morden, den Vergewaltigungen, den Torturen mit glühenden Eisen, die Absicht, sich das Leben zu nehmen.“ 

Profil des Chefs der Schlepper. Er heißt Abu Khaled und ist ein palästinensischer Beduine, der dem Stamm Rashaida angehört. Er ist von magerer Statur und trägt einen Bart, benutzt einen Pick-up, ist Vater von sieben Kindern und lebt in Rafah, an der Ägyptisch-palästinensischen Grenze im Gazastreifen. Bevor er Schlepper wurde, war er Lehrer in einem Kindergarten. Er ließ sich vom Telegraph interviewen (http://www.telegraph.co.uk/expat/expatnews/6817385/Egypts-Gaza-smugglers-shrug-off-reports-of-border-barrier.html) und von der Zeitung The National aus Abu Dhabi (http://www.thenational.ae/news/worldwide/middle-east/roads-to-riches-run-deep-in-rafah?pageCount=3), denen er ohne jede Scham seine Schandtaten und seine Beziehungen zur Hamas zeigt. Er ist im Geschäft mit dem Waffenhändler Abu Ahmed, auch er aus Rafah, und hat 20 Männer, die für ihn arbeiten, um den Handel mit den Flüchtlingen zu organisieren, der sich durch einen der Tunnel vollzieht, die sich entlang des „Korridors von Philadelphia“ verzweigen bzw. des Landstreifens, der Ägypten von Palästina trennt: Diese verrichten die schmutzige Arbeit, während es andere Männer gibt, die sogenannten „Läufer“, die schnell auf den Schultern die Güter der Migranten von Rafah nach Gaza bringen, indem sie unterirdisch durch die Tunnels laufen (http://www.twnside.org.sg/title2/resurgence/2009/221-222/cover8.htm). Zusammen mit Abu Ahmed wird er wegen Schmuggels gesucht, auch wenn die Polizeispitzen von Rafah korrupt sind, wie ein anderer Menschenhändler in einem aktuellen Interview, wiederum mit dem Telegraph, erklärt, und „In Ägypten haben es die Schlepper bequem, denn wenn die Tunnel geschlossen werden, die von Rafah nach Palästina führen, wird die Sinaihalbinsel überschwemmt werden von Personen, die die Grenze überqueren wollen, um dann nach Israel zu kommen.“ 
Das ist der Kopf der Organisation von Schleppern, die seit über einem Monat die Gruppe als Geiseln hält, wobei sie ein Lösegeld von 8000 Dollar pro Kopf von den Familien in den Herkunftsländern verlangt, um sie zu befreien und ihnen zu erlauben, ihren Tunnel zu durchqueren, der 7 Meter tief ist, und der sie sehr nah an Gaza bringen wird, nahe ans Flüchtlingslager des palästinensischen Rafah, um dann nach Israel zu kommen. Seine Männer haben schon 8 davon getötet und 4 sind wortwörtlich verschwunden, nachdem sie aus der Gruppe entfernt worden waren, „um ihre Nieren zu entnehmen im Tausch gegen die ausbleibende Zahlung des Lösegelds“. 

Der Ort der Gefangenschaft. Sie sind an an Händen und Füßen angekettet, in einigen Containern in einem Gewächshaus in der Peripherie von Rafah, neben einer großen Moschee und einer ehemaligen Kirche, die zu einer Schule umfunktioniert wurde, sehr nahe an einem ägyptischen Regierungsgebäude, so nah, dass ihn die Flüchtlinge sehen können. 

Fathawi Mahari, der Äthiopier der Abu Khaled hilft, die Lösegelder einzutreiben. Abu Khaled lässt sich von einem Äthiopier helfen, der sich von den Flüchtlingen bei seinem Beinamen Wedi Koneriel nennen lässt, dessen wahrer Nachname laut den Flüchtlingen selbst jedoch Mahari lautet: Es ist derselbe Fatawi Mahari (http://www.haaretz.com/news/netanyahu-migrant-workers-risk-israel-s-jewish-character-1.261840), Äthiopier, der im September 2009 vom israelischen Geheimdienst verhört wurde mit dem Vorwurf, Geldtransport für den Menschenhandel in Ägypten organisiert zu haben, indem er das Geld bei den Angehörigen einiger Afrikaner eintrieb, die von Beduinen im Norden des Sinai gekidnappt worden waren, um es dann in die Taschen der Menschenhändler zu schaffen und somit den Transport der entführten Migranten durch die Tunnel, die Ägypten mit dem Gazastreifen verbinden, zu ermöglichen. Mahari, der zunächst von der Polizeibehörden in Jerusalem festgenommen worden war, wude dann freigelassen und ist nach wie vor auf freiem Fuß, und er könnte dank der Verbindungen zur Hamas nach Rafah gegangen sein. 

Die Einstellung der Hamas und die Kontrolle von Al Qaida. Die brutalen Erpressungen, die sich seit Monaten hinziehen, unterbrochen von Morden, Folter, Vergewaltigungen und andauernden Drohungen, sowie der Schlepperhandel, der sich in den Tunnels an der Grenze zwischen Ägypten und Palästina vollzieht, werden tatsächlich vollständig von der Hamas organisiert: Das bestätigt Abu Ahmed demTelegraph, dem er erklärt: „solange Ägypten sich nicht mit der Hamas einigt, werden diese Aktivitäten fortlaufen“. Aber dass Abu Khaled zuerst in engem Einverständnis mit der Bewegung des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas, der Fatah, stand, und heute mit der Hamas, das bestätigt auch der amerikanische Sender NPR, National Public Radio (http://www.npr.org/templates/story/story.php?storyId=122447955). 
Ein Beamter des israelischen Geheimdienstes hat außerdem bestätigt, dass der ägyptische Geheimdienst eine Liste mit den Namen all derer besitzt, die in den Menschenhandel in der Wüste Sinai verwickelt sind, besonders an der ägyptisch-palästinensischen Grenze (http://defenseupdate.typepad.com/newscast/rafah_tunnels.html). Man vermutet außerdem, dass der Kreis von Geschäften, die mit Menschenhandel im Sinai verbunden sind, die terroristischen Aktivitäten der Al Qaida finanzieren könnte, deren Präsenz im Sinai und deren Verbindungen mit der Hamas vom Rat für Nationale Sicherheit von Israel bescheinigt werden. 
Wenn man bedenkt, dass in der nähe des Gewächshauses, in dem 150 der entführten Migranten festgehalten werden, sich mit höchster Wahrscheinlichkeit die Öffnung eines der von den Schleppern organisierten Tunnels befindet, kann man annehmen, dass die anderen 100 Flüchtlinge, von denen in den letzten Tagen jede Spur fehlt, auf palästinensisches Territorium gebracht worden sind, wo die Tunnels enden und wo illegale Flüchtlingscamps existieren. 

Die Appelle. Die Gruppe EveryOne hat einen Appell an die Vereinten Nationen lanciert, dass diese mit größerer Entschiedenheit Druck auf die ägyptische Regierung machen sollen, um die Befreiung der Eritreischen Flüchtlinge zu bewirken. Außerdem hat sie den Präsidenten der Arabischen Republik Ägypten zum Eingreifen aufgefordert, indem er seine Sicherheitskräfte mobilisiere, sowohl um die Opfer des Menschenhandels zu befreien, als auch, um einen effektiven Kampf gegen den Menschenhandel zu beginnen, wobei immer zugelassen werden muss, dass das Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) die zu Asyl und humanitärem Schutz Berechtigten einschätzt. Die Palästinensische Nationale Führung unter dem Vorsitz von Mahmud Abbas wurde dazu aufgefordert, an der Befreiung der Flüchtlinge mitzuarbeiten, indem sie die von der Hamas verwalteten Tunnels und Sammellager kontrolliert und in internationaler Zusammenarbeit einen wirksamen Kampf gegen den Menschenhandel zwischen Ägypten und [ihren] den Gebieten in die Wege leitet, indem sie die Verbrecher verfolgt, obwohl sie – wie Abu Khaled – prestigeträchtige Positionen in diesen Gebieten genießen. Besonders der Präsident Mahmud Abbas kennt den Schlepper Abu Khalde sehr gut, wie lokale Quellen bestätigen. Schließlich hat EveryOne verschiedene Mitglieder des europäischen Parlaments und der demokratischen Regierungen der Union kontaktiert und sie dazu aufgefordert, ohne Unterlass darauf zu achten, dass die ägyptische Führung und die der palästinensischen Gebiete dafür sorgen, die Flüchtlinge zu befreien und die Schlepper und Mörder zu verfolgen, sowie in Zukunft wirksame politische Maßnahmen gegen den Menschenhandel, die erpresserischen Entführungen, die Folter, die Morde, die tragische Realität des Organhandels zu ergreifen. Um zu vermeiden, dass sich solche humanitärem Tragödien von unerhörter Schwere wiederholen, ist es trotzdem wichtig, auch und vor allem die Abweisung von asylsuchenden Migranten zu beenden, die zwischen den Regierungen geschlossen Abkommen, die der Verfolgung der Flüchtlinge dienen, zu verurteilen, und langfristige politische Maßnahmen einzuleiten, die der Aufnahme der Flüchtlinge und deren Unterbringung in der Europäischen Union betreffen. 

Übersetzung aus dem italienischen Original. 
Englische Version: 

http://www.everyonegroup.com/EveryOne/MainPage/Entries/2010/12/17_Report...