Stellungnahme der Kritischen Initiative zum Fall "Simon Brenner"

Simon Brenner 2

Erst jetzt, nach fünf Tagen sehen wir uns in der Lage, Stellung zu den Vorfällen zu beziehen. Die Ausforschung unserer studentischen Gruppe durch einen Spitzel des LKA war für uns traumatisierend. Es ist schockierend, dass Polizei und Staat so weit gehen, so tief in unser Leben einzugreifen. Es wurde nicht nur eine Identität gefälscht, der Ermittler wurde eingesetzt um sich mit uns anzufreunden.

 

Dass solche Praktiken wieder in Deutschland angewendet werden ist bezeichnend.

 

Zur Vorgeschichte:

Zum ersten Mal kam „Simon Brenner“ im Mai diesen Jahres im Zuge des Campus Camps (www.campuscamp.de) zu uns in die Gruppe. Dieses Camp ist ein von uns jährlich veranstaltetes Uni-Projekt, mit Vorträgen und Workshops rund um das Thema Hochschulpolitik.

 

Als Student für die Fächer Ethnologie und Soziologie in Heidelberg, stellte sich der Beamte unter dem falschen Namen „Simon Brenner“ bei uns vor. Er gab an, ursprünglich aus Bad Säckingen zu kommen und sei nun für sein Studium nach Heidelberg gezogen. Er fiel meistens durch seine Hilfsbereitschaft auf und gab sich unauffällig und offen.

 

Nach nur kurzer Zeit freundete sich „Simon Brenner“ mit uns an und war auch im Rahmen der Kritischen Initiative Heidelberg sehr aktiv. Nebenbei engagierte er sich auch in anderen Gruppen zum Thema Klimaschutz und Antirassismus. So gewann er Einsicht in viele politische Aktivitäten und in private Bereiche, wie Wohngemeinschaften oder Elternhäuser.

 

Enttarnt wurde er durch einen glücklichen Zufall:

Am Samstagabend (11.12.2010) war eine kleine Gruppe mit ihm auf einer Geburtstagsfeier. Dort wurde er von einer befreundeten Person erkannt und das erste Mal angesprochen. Erst am nächsten Tag bekamen wir die Information, dass er Polizist ist. Im Sommerurlaub in Frankreich hatte er sich unserer Kontaktperson als Polizist vorgestellt.

Daraufhin traf sich eine Gruppe der Betroffenen mit „Simon“ und konfrontierte ihn mit diesem Verdacht. Nach nur kurzem Zögern gestand er, er sei als verdeckter Ermittler des LKA Baden-Württemberg bei uns und anderen politischen Gruppen eingeschleust worden. Er bestätigte, von etlichen Personen Akten angelegt zu haben mit von ihm ermittelten Daten.

 

Dieser Umstand war für alle Betroffenen ein großer Schock. Abgesehen von einer persönlichen Enttäuschung, ist die Tatsache, dass die Polizei so massiv in unser Leben eingreift beängstigend. Wir konnten uns vorher nicht vorstellen, dass eine solche Taktik gegen studentische Gruppen angewandt wird. Nach Aussage von „Simon Brenner“ war sie auf Jahre ausgerichtet. Die berechnende Skrupellosigkeit, mit der sowohl die Polizei, als auch der verdeckte Ermittler selbst vorgingen ist erschreckend. Es zeigt sich, dass es in diesem Land nach wie vor einen hohen

Bedarf an demokratiefördernden Initiativen gibt.

Es stellen sich die Fragen was für ein Interesse der Staat haben kann, politische Gruppen in Heidelberg auf eine solche Art und Weise auszuspionieren und nicht zuletzt auch in was für einer Gesellschaft wir eigentlich leben.

„Simon Brenner“ hat neun Monate lang Informationen über uns gesammelt. Er hatte sich mit gefälschten Dokumenten an der Uni Heidelberg eingeschrieben. Er hat uns und andere in dieser Zeit auf etlichen Demonstrationen, Aktionen, Informationsveranstaltungen, etc. begleitet und auch Eigeninitiative vorgetäuscht. Er verfasste z.B. Flugblätter und animierte uns an bestimmten Protesten teilzunehmen. Nach eigenen Angaben verfasste er zu all diesen Aktivitäten Berichte, welche er an das LKA weiterleitete.

 

Für uns kann es in dieser Sache nur eine Schlussfolgerung geben: Unsere bisherige Arbeit noch konsequenter fortzusetzen als bisher. Wir wollen konkrete Missstände aufzeigen und kritisieren. Wir werden weiterhin gegen die fortschreitende Ökonomisierung der Bildung, sowie aller Lebensbereiche vorgehen. Das Problem der zunehmenden Überwachung darf dabei nicht ausgeblendet werden. Ein Vorfall wie dieser zeigt uns einmal mehr, wie wichtig es ist, sich kritisch mit seiner Umwelt, staatlichem Handeln und den gesellschaftlichen Verhältnissen auseinanderzusetzen.

 

Unsere Solidarität gegen ihre Überwachung

 

 

Kritische Initiative HD

www.kritische-initiative.de

 

für weitere Informationen:

Indymedia Linksunten „der Fall Simon Brenner“ (15.12.2010)

http://linksunten.indymedia.org/de/node/30769

 

Kontakt:

kritischeinitiative_at_googlemail_dot_com

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Vielleicht seht ihr "Simon" schon bald wieder. Aber ihr erkennt ihn nicht. Da die Karrierelaufbahn ihn anscheinend vor die Wahl "BFE" oder LKA-Spitzeltätigkeit stellte, könnte es nun in Richtung Schlägertrupp weitergehen. Für weitere Spitzeltätigkeiten taugt der Mann mit dem einprägsamen Gesicht nicht mehr.
Damit offenbart sich auch ein weiterer Grund, warum die BFE-Tupps stets vermummt bei Demos auftreten. Wenn ihr also das nächste Mal mit Pfefferspray und Knüppeln von vermummten BFE-Einheiten traktiert werden, denkt daran: vielleicht war das gerade der ehemalige Freund und Genosse "Simon". Und sollte sich die Gelegenheit ergeben, einen gut platzierten Plasterstein in eins der schwarzvermummten Gesichter zu befördern, denkt auch hier daran: vielleicht will's der Zufall und "Simon" stand gerade an der richtigen Stelle.
Kopf hoch GenossInnen. Der Kampf geht weiter!

Ich fühle mich sowohl ausgenutzt als auch verletzt, obwohl mich diese Art der psychischen Vergewaltigung selbst nicht betroffen hat. Trotzdem kann ich die traumatisierende Wirkung dieser, auf lange Jahre angelegten Aktion, mitfühlen.

Es ist einfach unfassbar, auf was für Ideen wieder zurückgegriffen wird, um Menschen, die sich kritisch dem Staat gegenüber äußern und Strukturen bilden und fördern, die diesem unliebsam sind, in Griff zu bekommen.

 

 

Wichtig ist, dass wir weiterhin stets wachsam sind und bleiben. Wer sagt, dass "Simon" ein Einzelfall ist? Vielleicht gibt es in den Strukturen, in denen ich organisiert bin auch einen "Simon", vielleicht auch in deiner Struktur!


"Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" ?!


Nein, bitte nicht! Wer anfängt in diesem Muster zu denken sollte sich ernsthaft Gedanken machen, was er da gerade tut.

Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht zu sehr verschließen. Es muss weiterhin für jeden möglich sein, sich politisieren zu können! Auch wenn es nur um Niederschwellige Gruppen geht, offene Treffs oder andere Strukturen, die von außen leicht einsehbar sind.

Wir dürfen uns nicht von einem paranoiden Wahn fangen lassen, der uns lähmt und die Hände bindet.

 

Also, Was tun?

 

Konstruktive Schlüsse aus der Aufarbeitung des Falls ziehen!Was können wir aus diesem Vorfall lernen? Was müssen wir ändern, damit uns soetwas nicht noch einmal passieren kann?

Wichtig ist, dass wir nicht anfangen uns gegenseitig die Schuld zuzuschieben, dass so etwas überhaupt passieren konnte. Kein Märchen vom Generalverdacht anstoßen!

 

Unsere Solidarität und unser Weg begründet unseren Zusammenhalt.

Das dürfen wir uns nicht nehmen lassen!