Kein gutes Jahr für Gefangene

Knast

Reformprozesse machen auch vor Gefängnismauern nicht halt; nur bedeuten im Gefängnis Veränderungen in seltensten Fällen etwas Gutes, sondern führen zu Verschlechterungen der Lebensbedingungen der Inhaftierten.

Einige dieser Veränderungen, stellenweise exemplarisch anhand der Situation in der JVA (Justizvollzugsanstalt) Bruchsal möchte ich im folgenden beleuchten:

 

a.) Verbot von „Fresspaketen“

 

Seit wenigen Jahren darf jedes Bundesland sein eigenes Strafvollzugsgesetz machen; zuvor oblag dies alleine dem Bundestag. Wo immer ein Land von dieser neuen Kompetenz Gebrauch machte, wurden die seit Urzeiten üblichen Lebensmittelpakete verboten (z. B. in Bayern, Niedersachsen, aber auch Baden-Württemberg). Selbst in der Zeit des 3. Reiches durften Inhaftierte solche Päckchen empfangen. Heute wird geltend gemacht, dass über solche Pakete Drogen und Handys eingeschmuggelt würden. Eine wenig stichhaltige Argumentation, da die Gefängnisse über aktuellste Durchleuchtungsapparate (wie man sie auf Flughäfen kennt) verfügen. Zudem werden verbotene Dinge selbst von Beamten in die Anstalten eingebracht, immer wieder werden Vollzugsbeamte verhaftet und verurteilt (selbst ein Bruchsaler Gefängnispfarrer stand noch 2010 vor Gericht). Die 3 Päckchen pro Jahr (mehr waren nicht erlaubt) bedeuteten den Betroffenen viel, denn Freunde oder Angehörige suchten liebevoll einige Nahrungsmittel aus, verpackten sie und die Gefangenen kamen so an Lebensmittel, welche im spärlichen Sortiment der Gefängnisladen-Betreiber nicht erhältlich wären.

In Baden-Württemberg können sich Gefangene nun ersatzweise 55,20 € pro Monat auf das Gefängniskonto einzahlen lassen; das kommt zwar manchen Gefangenen entgegen, kompensiert aber nicht wirklich den Bedeutungsgehalt, den die drei Pakete im Jahr hatten.

 

b.) Verbot von Tabakkauf beim Besuch

 

Konnten Gefangene in der JVA Bruchsal von BesucherInnen jeweils einen Beutel Tabak und eine Tafel Schokolade geschenkt bekommen und beides nach dem Besuch in die Zelle mitnehmen, verbot der Anstaltsdirektor Thomas Müller 2010 erst die Mitnahme von Schokolade, was dann auf Klage das Landgericht für formell rechtswidrig erklärte. Seine Reaktion bestand dann darin, in einem Aushang die Gefangenen zu informieren, dass nunmehr auch der Tabak verboten werde. Bei nur 30 bis 60 Euro frei verfügbarem Betrag im Monat traf viele Gefangene dieses Verbot deutlich und es gab eine Sammelpetition, sowie Eingaben vor Gericht, dem Landtag und Ulrich Goll, dem Landesjustizminister. In einem Verfahren vor dem Landgericht führte die JVA aus, das Tabakverbot sei auf Weisung des Justizministeriums erst angeordnet, nunmehr jedoch aufgehoben worden. Mittlerweile können die BesucherInnen also wie bisher beim Besuch dieses Mitbringsel kaufen und die Gefangenen dürfen es auf ihre Hafträume mitnehmen – aber die Aufregung war doch groß. Zumal (wie üblich) keine Begründung für die Verbote gegeben wurden.

 

c.) Verbote im Zusammenhang mit Weihnachtsfeiern

 

Traditionell finden auch in Gefängnissen weihnachtliche Feiern statt; in einem Lebensraum, der von seinen vielfältigen Einschränkungen geprägt ist, haben solche Ereignisse eine besondere Bedeutung. Um so ärgerlicher die 2010 getroffenen Maßnahmen. Es fing damit an, dass für die sich ehrenamtlich sehr engagierenden Gefangenen des Sportbereichs angeordnet wurde, dass sie dieses Jahr zu ihrer Feier keine Angehörigen einladen dürften. Bislang fand in der Sporthalle jedes Jahr ein geselliges Beisammensein von circa drei Stunden statt; wer nur zwei Mal pro Monat Besuch (so die Hausordnung) bekommen darf, freut sich über jede zusätzliche Besuchsmöglichkeit und ist um so enttäuschter, wenn dann kommentarlos eine Streichung erfolgt.

Ähnliches gilt für die betrieblichen Feiern. Jeder Arbeitsbetrieb veranstaltete am letzten Arbeitstag vor Weihnachten eine kleine Feierlichkeit. Legendär die Kuchen, Plätzchen, Salate, die von Ehefrauen der Werkbeamten gebacken und zubereitet wurden, die prall gefüllten Weihnachtstüten, finanziert von den Trinkgeldern der Auftraggeber. Alles gestrichen im Jahr 2010.

Verboten! Angeblich hätten sich Gefangene eines Betriebes 2009 beschwert, dass sie nicht so üppig beschenkt worden seien wie Gefangene eines anderen Betriebes, bzw. letztere ihre Tüten mit ins Hafthaus tragen durften, während ihnen selbst die Mitnahme des Weihnachtsessens in die Zelle verboten wurde.

Wer nun erwartet, dass sich in einem solchen Konfliktfall bemüht wird, eine vernünftige und den Interessen der Gefangenen gerecht werdende Lösung zu finden, der irrt. Reagiert wird in solchen Fällen mit rigorosen Verboten.

Jetzt wird es nur ein etwas üppigeres Arbeiterfrühstück, zubereitet von der Knastküche, geben. Dabei lebten die betrieblichen Weihnachtsfeiern gerade davon, dass es etwas zu essen gab, dass es sonst das ganze Jahr über nicht gab; mal von den Weihnachtstüten ganz abgesehen. Angeblich sollen die Trinkgelder nun zentral gesammelt und verwaltet werden.

 

d.) Kürzung der Gefangenenlöhne

 

Heute verdienen Inhaftierte 9 % des Durchschnittsverdienstes der Arbeiter und Angestellten. Zumindest in der Theorie, denn die Anstalten sind findig, diesen Betrag (teils erheblich) zu unterschreiten. So wurden 2009/2010 die Arbeitsplätze der Gefangenen neu „bewertet“ und einfach die bezahlte Arbeitszeit (bei unverändert gebliebener Anwesenheitspflichtzeit) gekürzt, so dass ein großer Teil der Gefangenen erhebliche Einkommensverluste erlitten.

 

e.) Zuzahlungen zu Salben etc.

 

Um die „Eigenverantwortung“ der Gefangenen zu stärken, so die etwas zynisch klingende Begründung, müssen nunmehr die Inhaftierten trotz sinkender Einkommen auch noch Zuzahlungen im medizinischen Bereich leisten. Eine punktgenaue Umsetzung des im Strafvollzugsgesetz verankerten „Angleichungsgrundsatzes“, der besagt, das Leben in Haft sei dem in Freiheit so weit als möglich anzugleichen.

Würde die Justiz in anderen Bereichen genauso eifrig diesen Grundsatz beachten, vieles wäre besser; nur bleibt das eine Illusion.

 

f.) weiter steigende Preise im Knastshop

 

Über die Firma Massak Logistik GmbH berichtete ich in der Vergangenheit verschiedentlich (http://de.indymedia.org/2010/05/280395.shtml), selten gab es Gutes zu vermelden. Wer Nahrungs-/Genuss- oder Körperpflegemittel kaufen möchte, der muss sich als Gefangener oder Gefangene an den jeweiligen Vertragshändler der JVA halten; in knapp 50 Gefängnissen ist das die besagte Firma (http://www.massak.de). Neben EDEKA-Geschäften betreibt Werner Massak (bzw. die ihm gehörende Firma) den Verkauf von Waren aller Art an Inhaftierte: Von Lebensmitteln, über CDs, Kleidung, bis hin zu Elektrogeräten. Nun ergab eine von der JVA Bruchsal selbst durchgeführte Untersuchung, dass sich die Preise im Lebensmittelbereich in mindestens 60 % der Fälle teils erheblich über jenen in Freiheit bewegen. Diese Untersuchung von 2009 fand ihre Fortsetzung in Preiserhöhungen 2010, die alleine mit der Inflation nicht erklärlich sind. Wer zudem wagt zu reklamieren, dem wird unverhohlen gesagt, wenn er weiter Ärger mache, werde man einfach Produkte aus dem Sortiment streichen. So erging es am 2. Dezember 2010 in der JVA Bruchsal Herrn K., der sich bei Herrn A. (Firmenvertreter der Massak Logistik GmbH) über zu kurze Haltbarkeit eines Kühlthekenprodukts (nur wenige Tage bis zum Ablaufdatum) beschwerte. Werden solche Produkte in Freiheit entweder zu reduzierten Preisen verkauft, oder den Tafeln geschenkt, zahlen wir hier nicht nur einen teureren Preis als im Einzelhandel üblich, sondern müssen auch noch mit Nachteilen rechnen, wenn man auf seine Verbraucherrechte besteht. So wurde in Bruchsal eigentlich vereinbart, dass die Firma bei Kühlthekenprodukten eine Mindestdauer von zwei Wochen bis zum Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums einzuhalten hat. Da dies oft genug nicht der Fall war, hält sich bei vielen Gefangenen das Gerücht, die Firma kaufe preiswert Waren kurz vor Ablauf des MHD ein, um diese mit noch höherer Gewinnspanne als schon üblich absetzen zu können. Freilich, wie gesagt, ein Gerücht, dass sich ohne Einsicht in die Geschäftsunterlagen der Firma nie verifizieren lassen wird.

 

g.) Ausblick

 

Dargestellt wurde nur eine Auswahl der Ein- und Beschränkungen der letzten 12 – 18 Monate; alle bis ins Detail an dieser Stelle aufzuführen, hätte den Rahmen gesprengt. Für 2011 erwartet die Gefangenen nichts signifikant anderes. Jedoch scheinen die Lebensbedingungen noch gut genug, denn die Bereitschaft, sich zu wehren, ist gering ausgeprägt; meist wird maulend, aber resignativ die jeweilige Einschränkung zur Kenntnis genommen.

Und so bleibt abzuwarten, wann die Justiz den Bogen überspannen und massivere Reaktionen der Gefangenen herausfordern wird.

 

 

Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal

http://freedom-for-thomas.de

https://freedomforthomas.wordpress.com

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