Protokoll der AVV Berlin vom 13.11.2010

Autonome Vollversammlung

In Berlin fand am 13.11. die AVV im New Yorck im Bethanien statt. Es waren ca. 25 bis 30 Personen anwesend. Punkte waren: Aktuelles und Termine | Nachbereitung der Castor-Proteste | Email Addresse der AVV und deren Nutzung | Operative Zersetzung - Wie erkennen und was dagegen tun? | Wie erreichen wir die Massen?

 

1. Aktuelles und Termine

  • 17.11. - Kundgebung zum Anschlag auf das M99
    15.00 Uhr Kundgebung auf dem Heinrichsplatz
    19.30 Uhr Infoveranstaltung im Festsaal Kreuzberg
    (Am 14.11. Transpis malen im New York)

  • 14.11 - Deutsche Helden vom Sockel holen
    Columbiadamm am Friedhof (siehe Stressfaktor)

  • 10.12. - EA wird 30 Jahre alt, Feier gibt es im Clash im Mariannenhof

  • 26.-28.11. Anti-Knast-Wochenende im Bethanien

  • 14.11. AVV Hamburg, 19.30 Uhr in der Roten Flora

 

Diskussionswunsch:

  • Email-Adresse AVV und deren Nutzung (siehe unter 3.)

 

2. Nachbereitung der Castor-Proteste

 

Berichte zur Aktion „Castor schottern“

 

Zu der Aktion konnten mehrere Personen etwas sagen. Dazu einige Stichpunkte ohne den Anspruch auf Vollständigkeit.

 

Person 1:

Die Aktivisten waren in 2 Camps untergebracht. Das Plenum in Metzing war anfangs sehr chaotische. Das Änderte sich erst nachdem die Vorbereitungsgruppe die Moderation übernahm. Die Aktion nutzte die Fingertaktik zum umfließen der Polizei. Dabei war die Polizei anfangs zurückhaltend. An einer Stelle wurden die Finger wieder zusammengeführt. An den Schienen wurde der Polizeieinsatz dann härter, mit Spray, Wasserwerfer und Schlagstöcken. Der „brennende“ Räumpanzer aus der Medienberichterstattung wurde nicht beobachtet. Einige Aktivisten waren verwundert über den harten Polizeieinsatz. Das war für die berichtende Person nicht wirklich nachvollziehbar da die Polizei ja Nulltoleranz angekündigt hatte. Die Aktion wurde nach der ersten Zerschlagung an einer anderen, günstigeren Stelle fortgeführt. Allerdings waren nur noch Kleingruppen unterwegs.

 

Fazit ist, die Aktionsform hat Potential war aber noch nicht effektiv genug. Beteiligte Aktivisten waren überwiegend positiv darauf zu sprechen.

 

Person 2:

Die zweite Person war bei Hitzacker unterwegs. Dort wurde spontan ein „Finger“ zum Schottern gebildet. Allerdings war bereits viel Polizei teils mit Pferden vor Ort. Ein zweiter Versuch hat die Polizei überrascht. Es waren aber nur wenig Leute dabei und die Entschlossenheit fehlte. Zudem war die Koordination schlecht. Die Aktion machte der Person trotzdem Spaß.

 

Person 3:

Hier waren sehr viele Menschen - ca. 3000 Leute - unterwegs. Die Polizei reagierte schnell und hart gegen die Aktion. Die Entschlossenheit von Seiten der Aktivisten war vorhanden. Allerdings war die Initiative - „Casto schottern“ - negativ gegen abweichende Aktionen eingestellt.

 

An dieser Stelle wurde der Aktionskonsenz der Initiative kurz Thematisiert. Die Person beschrieb den Konsens kritisch als von wenigen Leuten gegen über der Mehrheit durchgesetzt.

 

Person 4:

Köhling: Ein erster Versuch mit dem Auto war an einer Polizeisperre gescheitert. Danach ging die Person mit einer Gruppe zu Fuß wir die anderen Finger. Der ersten Versuch scheiterte. Die Polizei setze Pfefferspray ein. Ein zweite Versuch führte zu einer unbewachten Stelle. Die Polizei kam erst später dazu. Der Schutz hat mehrere Minuten - auch gegen Knüppel - standgehalten. Das Schottern war hier erfolgreich. Insgesamt waren hier ca. 3000 bis 4000 Menschen unterwegs am Sonntag waren es wohl bis zu 10000 Menschen auf den Schienen und Straßen.

 

Person 5:

Die Person beschreibt wie es gelang quasi hintenrum an Absperrungen vorbeizukommen. Das geschah in Kleingruppen die noch vor der Räumung wieder abzogen. Die Aktivisten hätten viel zu Essen gehabt. Die Polizei dagegen nicht. Die Traktor Blockade war diesmal dezentral und erfolgreich. Viele Anwohner haben erfolgreich die Straßen gegen die Polizei blockiert und Aktivisten unterstützt. Insgesamt gab es viel Unterstützung durch die Bevölkerung. Die Aktion und die ganzen Proteste waren logistisch gelungen.

 

Im Anschluss an die Berichte kam es zu einer breiten Diskussion. So wurde bemerkt das viele Leute bereit waren sich über Gesetze hinwegzusetzen und an der Aktion „Castor Schottern“ teilzunehmen. Das Schottern hat zudem viele Polizeikräfte gebunden. Das bestätigten auch viele Anwesende. Eine kontrollierte Regelüberschreitung sei besser als eine kurze Aktion die schnell verpufft. Die Mobilisierung war gut, viele Leute waren auch von der Vorbereitung (z.B. Aktionstraining) überzeugt.

 

Die Polizei hat Blockaden zugelassen jedoch nicht das Schottern. Das durchfließen durch die Polizeisperren hat nicht so gut funktioniert wie beim G8 Gipfel. Das Management wird als zu „professional“ eingeschätzt. Es gab zu wenig Selbstorganisation. Im Endeffekt könnte das Schotten die Politik vielleicht zum Umdenken zwingen, da der Polizeieinsatz und der Transport sehr teuer wird.

 

In der weiteren Diskussion wurde nochmals der Aktionskonsens thematisiert. So wurde die Frage aufgeworfen ob die zentrale Organisation zur Zersplitterung in Kleingruppen führt. Es wurde angemerkt, dass der Konsens zur Vermittlung der Aktionen beiträgt. Der Konsens hilft auch beim zusammenwirken verschiedener Aktionsformen. Militante Aktionen wie das Anzünden des Räumpanzers könnte auch von Zivis durchgeführt worden sein. Allerdings wurde auch gesagt das man keine Verschwörungstheorien stricken sollte. Eine andere Person meinte, das der Konsens auch der Rücksichtnahme auf die Masse der Aktivisten abzielt. Gewaltaktionen seien nicht zielführend und helfen nur den Castor-Befürwortern. Weiterhin wurde darauf hingewiesen, dass es die Konsens-Diskussion bei den Castor-Gegner schon immer gegeben hat. Eine Spaltung durch diese Diskussion hilft allerdings keinem.

 

Dagegen wurde gesagt das Aktionen gegen die Polizeikräfte auch die anderen Aktionen unterstützen kann. Die Aktionsformen sollte man nicht gegeneinander ausspielen. Eine weitere Person entgegnete das eine Spaltung bei den Protesten nicht zu sehen war. Der Aktionskonsens ist richtig und wichtig allerdings können brennende Panzer auch gute PR sein Letztlich war die Stimmung im Wendland sehr gut. Es gibt viel Enthusiasmus. So will man z.B. die 100 Stunden Marke knacken.

 

Die Diskussion wird anschließend zum Begriff Konsens weitergeführt. Eine Person hält die Wortwahl für nicht passend.

 

Im weiteren Verlauf wurde nochmal gesagt das der Konsens für den Einzelnen wichtig ist, um sich einer Aktion anzuschließen oder diese einzuordnen. Es wurde zum brennenden Räumpanzer auch angemerkt, dass dieser nie wirklich in Gefahr war. Das Fahrzeug sei für solche Angriffe ausgelegt.

 

Ausblickend wurde über das Schotten im Zusammenhang mit dem Begriff des zivilen Ungehorsam hingewiesen. Zudem wurde die Frage gestellt wie man diese Aktionsform auch im Hinblick auf zukünftige Ereignisse ausbauen könnte.

 

3. Email Addresse der AVV und deren Nutzung

 

Auf Wunsch einer anwesender Person wurde die Nutzung der Email-Adresse diskutiert. Dabei wurde festgestellt das die Adresse zu oft von einer ebenfalls anwesenden Person für persönliche Diskussionen und Aufrufe genutzt wird, die nicht mit der AVV abgesprochen wurden. Die Forderung war das die Daten des Email-Kontos offen gelegt werden und die Adresse vorerst nur für Einladungen und Protokolle benutzt wird. Nach kurzer Diskussion wurde diese Forderung von den Anwesenden beschlossen. Somit soll die Adresse nur noch für offizielle Angelegenheiten der AVV genutzt werden.

 

4. Operative Zersetzung - Wie erkennen und was dagegen tun?

 

Zunächst wurde der zum Thema vorbereitete Text verlesen und eine kurze Einführung in die Materie durch die Moderation gegeben. Danach wurde die Diskussion eröffnet.

 

Eine Person wies auf psychologische Gutachten und Lagebilder hin die vom LKA angefertigt werden. Hier wurde auf die Person Dirk Stoewhase vom LKA hingewiesen.

 

Ein weitere Person meinte das Mobbing und Diskreditieren von Gruppen als Methode der Zersetzung aktiv eingesetzt wird . So werden z.B. menschliche Gefühle wie Neid ausgenutzt. Diese Methoden seien Alltagspraxis in vielen Bereichen der Gesellschaft.

 

Anschließend wurde zum Thema Misstrauenskultur diskutiert. Als Beispiel wurde die Beschuldigung von Personen, ein Zivi zu sein, angeführt. So gab es des Öfteren den Verdacht. Das wurde auch von mehreren Anwesenden bestätigt. Ein Beispiel für eine Enttarnung gab es auch. Es wurde zudem angemerkt das der persönliche Kontakt und die Zusammenarbeit günstige für die Vertrauensbildung sind. Im Umgang miteinander solle man jedoch auch auf den VVs mit der Anwesenheit von Zivis rechnen. Szene Hot-Spots sind Ziele der Zivilfander. Allerdings zeigen gerade die VVs das das Misstrauen auch nicht überhand nimmt. Eine 100%ige Absicherung gebe es allerdings nicht. Man müsse mit dem Risiko leben und nicht in Paranoia verfallen.

 

Eine Person empfahl an dieser Stelle das Buch „Spitzel“ von Klaus Kliemann und meinte das es eigentlich keine Anzeichen für Operative Zersetzung gebe. Es soll ein offenen Umgang mit dem „abchecken“ von neuen Personen gepflegt werden damit es neue Leute nicht abschreckt. Die Einschätzung von Leuten ist allerdings immer schwierig.

 

In der weiteren Diskussion wurde auf das so genannte Social Engineering hingewiesen als Methode beim Profiling und bei Untersuchungen. Ein Bsp. ist hierbei das mg-Verfahren wobei das vorgehen hier eher dilettantisch gewesen sei. Die Behörden hätten nicht viel „Plan“. Möglicherweise liegt das an finanziellen oder personellen Engpässen.

 

Eine weitere Person meinte das Anwerbeversuche durch operative Psychologie erleichtert werden. Als Bsp. wurde ein Prozess gegen Tierbefreiungsaktivisten in Östereich angesprochen. Hier wurde das alltägliche Leben der Betroffenen zerstört: Arbeit, Freundeskreis etc. Wieder war man sich einig das man generell vorsichtig sein sollte. Das Ganze jedoch ohne Paranoia. Ein weiteres Bsp. für Entwurzelung durch haltlose Anschuldigung ist die Diffamierungskampagne der BZ gegen Tobias. Trotzdem sei die Szene wohl nicht gefährlich genug, um mit aller Härte vorzugehen.

 

Ein weitere Punkt betrifft den intelligenten Umgang mit der Handyortung. Man sollte das Handy nicht nur ausmachen sondern zur Verwirrung einfach an bestimmte Orte lassen oder anderen Personen mitgegeben (Alibi).

 

Abschließen wurde noch ein Bsp. geschildert. Dabei hat sich während des Plenums ein Staatsschutzbeamter enttarnt. Dies hat in der Gruppe zu heftigen Diskussionen und auch zur Spaltung geführt.

 

5. Wie erreichen wir die Massen?

 

Dieses Thema wurde in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit nur kurz diskutiert.

Ausschlaggebend für die Diskussion war eine Kundgebung gegen Repression und für die Solidarität mit dem von Polizisten erschossenen Dennis. Hier wurden verschieden sexistische Songs von den auftretenden Bands gespielt.

 

Man solle die Position im Vorfeld klären um Leute nicht zu verunsichern. Es solle Transparenz geben. Es sollte verschiedene Abgestufte Aktionskonzepte geben um der persönlichen „Hemmschwelle“ des Einzelnen zu entsprechen.

 

Das Thema wird bei der nächsten VV nochmal anhand der Dennis-Demo und der Castor-Protesten diskutiert. Auch das Thema „Polizeitaktik - Analyse und Gegenmaßnahmen in Theorie und Praxis“ wurde auf die nächste AVV verschoben.

 

Themen für die nächste AVV am 13.12.2010

 

1 Termine und Aktuelles

2. Nachbereitung der Silvio Meier Demo

3. Polizeitaktik - Analyse und Gegenmaßnahmen in Theorie und Praxis

4. Wie erreichen wir die Massen?

 

Vorbereitungsdiskussion 1.Mai 2011

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Interessante Ergänzung zu diesem Artikel auf Indy.de

"Zersetzung ist im vollen gange

"Eine Person empfahl an dieser Stelle das Buch „Spitzel“ von Klaus Kliemann und meinte das es eigentlich keine Anzeichen für Operative Zersetzung gebe"

Jawoll, was für eine aussage. Ein blick auf die deutsche linke und vor allem auf die linke szene in berlin und deren neue theorien und der gleichen sprechen da eine deutliche sprache und zwar genau vom gegenteil. Das was man in berlin gerne als "emanzipatorisch" innerhalb der szenekreise bezeichnet kann man ganz klar als konsequenz gezielter operativer zersetzung bezeichnen. Nicht von alleine zerlegt sich eine ganze bewegung in ihre elemente und schafft es sich mit immer bescheuerteren auswürfen immer mehr zu isolieren. In berlin haben selbst linksradikale leute vor allem die die älter sind als 20 oder 25 jahre keinen bock mehr auf diese szene.

Hier jetzt mal eine andere buchempfehlung um mal leute vom fach zu wort kommen zu lassen aber nicht das gleich alle wieder einen schreck bekommen. Wer a sagt muss auch einen kreis drum machen also lest dieses buch und bildet euch selbst eine meinung ohne das zutun von bundesbonzen und springer:



 http://www.edition-ost.de/programm-2/titel/748-Fragen_an_das_MfS.html



Fragen an das MfS
Auskünfte über eine Behörde

ISBN 978-3-360-01813-7

400 Seiten

Preis 17,95 €

60 Jahre nach Gründung des MfS am 8. Februar 1950 scheint alles gesagt, geschrieben, gedruckt und gesendet. Es gibt keine Geheimnisse mehr. Aber ist bei den Jüngeren wirklich mehr bekannt als jene Grusel- und Schauermärchen, die seit 1990 absichtsvoll verbreitet werden? Und lassen sich diese Klischees nicht durch sachliche Informationen ersetzen? Verantwortliche Mitarbeiter des MfS kommen der Forderung nach, die in der Öffentlichkeit immer wieder an sie gestellt wird: Sie informieren ausführlich, detailliert und selbstkritisch über ihre Arbeit, über Geschichte, Strukturen, Tätigkeit und Methoden des Ministeriums. Die Autoren haben Fragen von Schülern und Studenten gesammelt und beantworten sie. Mit ihren Auskünften reagieren sie sowohl auf gängige Vorurteile wie auf berechtigte Kritik und gehen auch Fragestellungen nach, die seit 1989 in den Medien immer wieder eine Rolle spielten. "

"Abschließen wurde noch ein Bsp. geschildert. Dabei hat sich während des Plenums ein Staatsschutzbeamter enttarnt. Dies hat in der Gruppe zu heftigen Diskussionen und auch zur Spaltung geführt."

 

???

 

der hat sich selber enttarnt? und dann habt ihr euch zerstritten?

die zweite frage ist vllt etwas zu intern, aber zu ersterer würden mich n  paar details doch brennend interessieren...

 

 

nein, nicht in der avv hat sich eine zivte geoutet, sondern in einem anderen plenum. dieses plenum wurde als beispiel genannt. ist etwas missverständlich formuliert.

... ist nicht, daß zb "alle" "berliner" "linken" anwesend sind, sondern daß ein offener "autonomer" (sprich verkürzt; undogmatischer unabhängiger) umgang miteinander gepflegt wird und sich sozusagen "voll" über relevante themen verständigt wird...

... und weil eben auch nicht immer "alle" menschen anwesend sein KÖNNEN wir das (öffentliche) "protokoll" einer avv im inet auf diversen plattformen wie indy linksunten und de und im blog der avv, usw, veröffentlicht...

... falls du schonmal vv'en an unis oder in betrieben oder so mitbekommen haben solltest, solltest du aus erfahrung wissen können, daß eine "vv" eigentlich "nie" einer völligen "voll-versammlung" entsprechen kann... diese ist das ideal und gleichzeitig auch schon ein teil der utopie mit dem fingerzeig zur befreiung des menschen und dem drang zur selbstbestimmung....

usw...

 

für die emanzipation des menschen - für mehr avv'en - überall

 

(eine unterstützerin die in berlin leider noch nicht anwesend sein konnte)