Erfolgreicher Protest gegen Sarrazin-Lesungen am 30.11. in Sindelfingen

Protest gegen Sarrazin in Sindelfingen

Trotz Kälte und Arbeitstag über 150 GegendemonstrantInnen +++ internationalistische Kundgebung und kämpferische Demo +++ tanzbare Beschallung für die Lesungen +++ massives Polizeiaufgebot

 

Die Sindelfinger Buchhandlung „Röhm“ lud am Dienstag, dem 30. November zu zwei Lesungen mit dem medial bundesweit in Szene gesetzten Populär-Rassisten Thilo Sarrazin ein. Dort sollte er, im Rahmen einer bundesweiten Lesetour, in den beiden aufeinanderfolgenden und schon Wochen vorher ausverkauften Sitzungen, Teile seines pseudowissenschaftlichen Schriebes „Deutschland schafft sich ab“ präsentieren.
In nur wenigen Wochen Vorbereitungszeit formierte sich jedoch ein regionales antirassistisches und internationalistisches Aktionsbündnis, um vielfältigen  öffentlichen Protest gegen diese Zurschaustellung rassistischer und sozialdarwinistischer Hetze zu organisieren. Initiiert wurde das Bündnis durch zahlreiche linke migrantischen Vereine in Zusammenarbeit mit dem Antifaschistischen Aktionsbündnis Stuttgart und Region. Die Buchhandlung schaltete als Reaktion auf den sich abzeichnenden Protest einen Anwalt ein, um die Lesung in jedem Falle stattfinden lassen zu können.

Am 30. November begann um 16:00 Uhr eine antirassistische Kundgebung vor der, am Sindelfinger Marktplatz gelegenen, Buchhandlung. Ein Infostand, rote Fahnen, zahlreiche Flugblätter und internationale linke Musik machten PassantInnen schnell auf das Anliegen der ca. 40 AktivistInnen aufmerksam. Während die Anzahl der TeilnehmerInnen im Laufe der folgenden Stunden auf über 150 anwuchs, wurde die Ankunft des von BKA-Beamten beschützten Thilo Sarrazin mit Parolenrufen und einer persönlich überreichten Ladung Speichel beantwortet.
Währenddessen sammelte sich vor der Buchhandlung eine Gruppe gealterter und zumeist mit Artikulationsschwierigkeiten behafteter Sarrazin-UnterstützerInnen. Für den Schutz der Buchhandlung und ihrer geladenen Rassisten sorgten etwa 40 Streifenbullen und zwei BFE-Trupps, die den Eingang zur Buchhandlung schützen sollten. Weitere Bulleneinheiten hielten sich in Seitenstraßen auf.

Neben regionalen AktivistInnen der deutschen, türkischen und kurdischen Linken fanden sich auf der Aktion zunehmend auch solidarische EinwohnerInnen der migrantisch geprägten ArbeiterInnenstadt Sindelfingen ein. Der knapp einstündige, äußerst lautstarke und tanzbare Auftritt eines kurdischen Musikers vor der Buchhandlung sorgte schließlich auf der Kundgebung für reihenweise warme Füße und in der Buchhandlung für sichtlichen Missmut.

Nach einigen kurzen Redebeiträgen in deutscher und türkischer Sprache, in denen auf die symptomatische Rolle des Hetzers Sarrazin im aktuellen Aufblühen rassistischer Ideologie und auf die systemstützende Bedeutung rassistischer Hetze in den Zeiten der sich verschärfenden Krise des Kapitalismus eingegangen wurde, zogen die inzwischen 150-200 KundgebungsteilnehmerInnen anschließend als Demonstration durch Wohngebiete und die Sindelfinger Altstadt.
Mit Parolen wie „Kein Mensch ist illegal - Bleiberecht überall!“ und "Hoch die internationale Solidarität!", einigen Sprints und unablässigen Schneeballgeschenken für einen voranfahrenden Streifenwagens machte die Demo stimmungsvoll auf sich aufmerksam und erreichte etwa 45 Minuten später wieder den Sindelfinger Marktplatz, um auch die zweite Sarrazin-Lesung ab 20:00 Uhr mit Protest zu begleiten.
Das mit Bullenschutz bedachte Sarrazin-Publikum - nun auch mit jüngeren Gesichtern und einem Thor-Steinar Fan - vor der Buchhandlung wurde erneut offensiv mit Parolen begrüßt und das antirassistische Kulturprogramm anschließend mit Live-Musik und gemeinsamem Tanz forgesetzt.
Die gute Stimmung während der gesamten Kundgebung wurde kurzzeitig durch einige kleinere Rangeleien mit BFElern und Streifenbullen unterbrochen, die sich durch Böller gestört fühlten, oder ausrastende Sarrazin-Anhänger schützen mussten. Versuche, Anzeigen gegen diese zu erstatten wurden zugleich konsequent ignoriert. Türkische Nationalisten, die ihre Nationalfahnen auf der Kundgebung präsentierten wollten wurden der Veranstaltung schnell verwiesen.

Fazit: Der medial gepushten Normalisierung rassistischer und sozialdarwinistischer Argumentationsmuster konnte an diesem Dienstag Abend eine deutliche Absage erteilt werden. Durch die gute Zusammenarbeit der deutschen antifaschistischen Strukturen mit den linken migrantischen Exilorganisationen konnte ein sonst unter diesen Umständen (kurze Mobilisierung, Arbeitstag, Kälte, Thematik...) nur schwer vorstellbares Mobilisierungspotenzial, das neben AktivistInnen eben auch eine Vielzahl an an vorwiegend migrantischen EinwohnerInnen und PassantInnen umfasste, erreicht werden. Ohne diese Vielfalt wäre der stimmungsvolle und zugleich entschlossene Charakter der Aktion in dieser Form nicht zustande gekommen.
Es hat sich gezeigt, dass der aktuelle, nicht allein durch den Selbstdarsteller Sarrazin getragene, rassistische Diskurs neben fatalen politischen Auswirkungen auch ein großes Potenzial an Widerstand hervorrufen kann. Es ist unsere Aufgabe dieses zu entfalten, zu politisieren und zu radikalisieren.

In diesem Sinne: Keine dieser rassistischen Veranstaltungen soll mehr ungestört über die Bühne gehen!

Wir lassen uns nicht spalten! Schulter an Schulter gegen Rassismus!

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schade, dass man im bericht keinerlei selbstreflexion findet. ein bisschen kritik:

 

http://instantend.blogsport.de/2010/12/06/voelkerfreundschaft-vs-sarrazin/

man hätte hätte hätte ... klar der flyer hätte auch noch 300 seitenlange marxistische analysen zum "Volkskonstrukt" bürgerlicher Ideolgie enthalten können. die demo hätte auch ne 10h Rede beinhalten können in der jeder besserwisser außeinandergenommen wird. am bessten noch n kampfring um interne widersprüche zwischen revolutionären schwätzen und dummen unemanzipatorischen normalo linken den richtigen raum zu geben.

 

aber ....