Offener Brief an das Stadttheater Freiburg

kontrollverlust im Stadttheater Freiburg?
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„Brea­king the Heart of the City?“

Sehr ge­ehr­te Ver­ant­wort­li­che im Stadt­thea­ter Frei­burg, sehr ge­ehr­te In­ten­dan­tin des Thea­ters Frau Mun­del,

mit Freu­de haben wir die Ent­wick­lun­gen der Po­li­tik des Frei­bur­ger Stadt­thea­ters in den letz­ten Jah­ren mit­er­lebt und be­ob­ach­tet. Neben einer ra­di­ka­len Öff­nung hin zur so­zi­al­ver­träg­li­chen Nut­zung der Kul­tur­in­sti­tu­ti­on wurde nicht an kri­ti­schen The­men ge­spart. Be­son­ders die Vor­füh­rungs-​ und Ver­an­stal­tungs­rei­he „Ca­pi­ta­lism now!“ geht in eine Rich­tung, die das Thea­ter als eine ver­ant­wort­li­che, zu­kunfts­ge­wand­te Ein­rich­tung er­schei­nen lässt.

 

Nun steht ein Staats­gip­fel pro­ka­pi­ta­lis­ti­scher Re­gie­run­gen vor der Tür und im „Win­te­rer-​Foy­er“ wol­len Ver­tre­te­rIn­nen Frank­reichs und Deutsch­lands die Welt­öf­fent­lich­keit über die ge­mein­sa­men Stra­te­gi­en un­ter­rich­ten. Wir wol­len der Selbst­be­weih­räu­che­rung des EU-​Spit­zen­tref­fens an­ge­sichts des in ihrem Rah­men pro­pa­gier­ten Aus­gren­zungs-​, Um­welt­zer­stö­rungs-​ und Rüs­tungs­wahns keine Ruhe geben.

Am 10. De­zember wird viel­fäl­ti­ger Pro­test auch ihr Thea­ter er­rei­chen und ge­ge­be­nen­falls tan­gie­ren – dafür bit­ten wir um Ver­ständ­nis. Wir er­war­ten mas­si­ve Ein­schnit­te in un­se­re Ver­samm­lungs-​ und Mei­nungs­frei­heits­rech­te, im „Her­zen der Stadt“. Der Staat wird er­neut die kla­ren Worte aus der Be­völ­ke­rung mit po­li­zei­li­cher Ge­walt un­ter­drü­cken wol­len.

 

Der Auf­ruhr um die Auf­füh­rung von Hän­sel und Gre­tel kurz vor der ge­plan­ten Gip­fel-​Pres­se­kon­fe­renz im Win­te­rer-​Foy­er lässt ver­mu­ten, dass sie selbst nicht im Bilde über die staat­li­chen Pla­nun­gen zum spek­ta­ku­lä­ren Füh­rungs­tref­fen waren. Wir ver­mis­sen je­doch eine klare Po­si­tio­nie­rung Sei­tens des Thea­ters, dass sich aus un­se­rer Sicht in einem mas­si­ven Spa­gat zwi­schen der Rolle als Gast­ge­be­rin für eman­zi­pa­to­ri­sche Kul­tur-​ und Po­li­tik-​Ver­an­stal­tun­gen und dem deutsch-​fran­zö­si­chen Gip­fel­tref­fen be­fin­det. Sämt­li­che Mi­nis­te­ri­en der zwei Staa­ten wer­den der­zeit von li­be­ra­len, rech­ten, kon­ser­va­ti­ven, rechts­po­pu­lis­ti­schen und ras­sis­ti­schen Prot­ago­nis­ten an­ge­führt.

 

Ei­gent­lich soll­te das Frei­bur­ger Thea­ter ihnen keine Platt­form bie­ten. Sar­ko­zy und Mer­kel ste­hen an der Spit­ze von Par­tei­en, die eine dy­na­mi­sche und of­fe­ne Kul­tur­po­li­tik ab­leh­nen. Auch im so­zia­len und wirt­schaft­li­chen Ge­sche­hen wird sich grund­sätz­lich auf Sei­ten der Eli­ten po­si­tio­niert. Wenn das Thea­ter wei­ter sei­nen Weg be­schrei­ten will, eine kri­ti­sche In­sti­tu­ti­on im „Heart of the City“ zu wer­den, darf der Gip­fel nicht un­kom­men­tiert an den Ver­ant­wort­li­chen vor­bei­zie­hen. Mag sein, dass die Wahl des Ortes etc. nicht in ihrer Hand lagen oder lie­gen, wir er­war­ten den­noch sehr klare Worte zum deutsch-​fran­zö­si­schen Gip­fel ih­rer­seits.

 

Mit freund­li­chen Grü­ßen,


Bünd­nis „Kon­troll­ver­lust“, Frei­burg, den 3. De­zember 2010

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Gelungener, offener Brief, saubere Sache.

Hat mich auch schon lange beschäftigt, die Kontroversen rund um das Stadtheater...

Echt toll, dass ihr das im Bezug auf den gipfel mal aufgegriffen habt!

Weiter so!

Könnt ihr dann die Antwort (falls es eine geben sollte) auf den Brief auch öffentlich machen?

 

Soli Grüße!