Der RBB und die Nazis aus Simmersdorf

Antifa-Demo am 27. November in Cottbus

Der Rundfunk Berlin Brandenburg war am vergangenen Wochenende gleich mit mehreren Teams für die Sendung Brandenburg Aktuell unterwegs im Südbrandenburger Landkreis Spree-Neiße. Die Beiträge und ihre Gewichtung unterschieden sich aber massiv. Die Antifa Demo in Cottbus war der dem RBB lediglich eine kurze sekundenlange Video-Meldung wert. Im Rahmen des „Landschleichers“ wurde über Simmersdorf und die tatkräftigen Jugendlichen des Dorfes gleich mehrere Minuten berichtet. Das die jungen Simmersdorfer_innen und insbesondere Rico Tobschall, der Leiter des Jugendklubs des Dorfes, durch einschlägige Nazimode auffielen, schien den RBB wenig zu interessieren. Die positive Imagekampagne für Simmersdorf sollte offenbar durch eine differenzierte Auseinandersetzung mit den zumindest rechtsoffenen Tendenzen im Ort nicht beschmutzt werden.

 

Die Simmersdorfer_innen sind eine „eingeschworene Gemeinschaft“ verkündete im vergangenen Jahr Doris Tamm, die Ortsvorsteherin des Dorfes, stolz gegenüber der Lausitzer Rundschau. Die Bewohner_innen sind sehr engagiert und aktiv. Im Dorfclub treffen sich die Älteren, die das kulturelle Leben im Ort organisieren. Im Jugendclub, der im Gemeindezentrum einen Raum hergerichtet hat, treffen sich die Jüngeren. Die Jugendlichen sind „eine richtig dufte Truppe“, freut sich Tamm. Für die würde sie ihre Hand ins Feuer legen. Auch nach den zwei Nazikonzerten im Oktober 2009, von denen mindestens eins von einem massiven Polizeiaufgebot aufgelöst wurde.

 

Rico Tobschall, der „politische Vertreter des Klubs“, wie die Lausitzer Rundschau in einem Ortsportrait schreibt (siehe pdf), fällt allerdings nicht nur durch besonderes Engagement in der Dorfgemeinschaft, sondern auch durch seine offen zu Schau getragene nationale Gesinnung auf. Im Beitrag des RBB „Landschleichers“ zu Simmersdorf läßt er sich bereitwillig in Nazimode interviewen. Außerdem ist er nicht nur Leiter des örtlichen Jugendclubs, sondern sitzt auch für den „Heimat- und Naturfreunde Simmersdorf“, zu denen übrigens auch Doris Tamm gehört, im Gemeinderat.

 

Weder der RBB noch die „eingeschworene“ Dorfgemeinschaft scheint sich an Tobschall und seinen Aktivitäten besonders zu reiben. Für Tamm haben der Jugendklub, die Nazi-Konzerte, die Aktivitäten der Cottbuser Naziband „Frontalkraft“, die in einer Baracke der ehemaligen LPG am Ortsrand lange Zeit probten, und das zweistellige Wahlergebnis für die NPD in den Dörfern rundherum allerdings wenig mit einer etablierten rechtsextremen Szene zu tun. Die Nazis kommen immer von außerhalb. Die Simmersdorfer Jugendlichen selbst haben nichts mit denen zu tun.

 

Christian Müller, Jugendkoordinator im Amt Döbern-Land, sieht das offenbar anders. Gegenüber dem Neuen Deutschland bestätigte er, daß es kein Geheimnis ist, daß „rechtsorientierte Jugendliche in Simmersdorf aktiv sind“. Außerdem weist er darauf hin, daß viele „rechtsorientierte Jugendliche“ Jugendklubs besuchen und versuchen, ihnen ein rechtsoffenes Label zu verpassen. Rico Tobschall hat diese politischen Sympathien des Simmersdorfer Jugendklubs nun öffentlichkeitswirksam mit Hilfe des RBB verbreiten können. Der RBB assistierte ahnungslos und bereitwillig.

 

Für die Szene dürfte es nichts Neues sein, daß Simmersdorf für Nazis ein ruhiges und sicheres „Hinterland“ bedeutet. Der RBB hätte ahnen und spätestens beim Interview mit Tobschall wissen müssen, daß es in Simmersdorf eine von der Dorfgemeinschaft geduldete und hofierte gefestigte Naziszene gibt. Schließlich fand am selben Tag in Cottbus, nur circa eine halbe Stunde Autofahrt entfernt, eine Antifa Demo zum Thema Nazigewalt in der Region statt (siehe inforiot). Die Opferperspektive hatte in den Tagen vor der Demo auf eine zunehmende Gewalt in Südbrandenburg hingewiesen.

 

Der RBB hat, nachdem klar war, daß im „Landschleicher“ womöglich Nazis ein Podium geboten wurde, aber schnell reagiert. Nur einen Tage nach der Online-Veröffentlichung des Beitrags über Simmersdorf verschwand er wieder von der Homepage des RBB. Üblicherweise ist das Video des „Landschleichers“ sieben Tage online zu sehen. Der Text wird gar nicht gelöscht. In diesem Fall ist es offenbar anders. Der RBB hat sich also nicht nur blauäugig von Nazis instrumentalisieren lassen, sondern geht jeder kritischen Auseinandersetzung aus dem Weg und zensiert lieber.

 

Simmersdorf und seine Nazis sind nun aber trotzdem in den Fokus gerückt. Die Imagekampagne des Ortes mit einer „zuversichtlichen Dorfgemeinschaft“, die gerne mit den eigenen und „fremden“ Nazis feiert und stolz auf die eigene „eingeschworene" Gemeinde ist, läßt sich so hoffentlich nicht mehr aufrecht erhalten.

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