Auswertung der Demonstration "Frieden und Freiheit für Kurdistan!" in Heilbronn

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Der 20.November in Heilbronn: Erste Auswertung der Demonstration "Frieden und Freiheit für Kurdistan!"

Für den 20. November 2010 hatten verschiedene Gruppen aus Baden- Württemberg zu einer überregionalen Demonstration in Heilbronn unter dem Motto "Frieden und Freiheit für Kurdistan!" mobilisiert.

Ziel der Demonstration war es zum einen, ein deutliches Zeichen gegen die von der BRD unterstützte Kriegspolitik der Türkei gegen die kurdische Bevölkerung und Bewegung zu setzen.

Zum anderen sollte die Demonstration als Aktion kurdischer und nicht- kurdischer Linker die Notwendigkeit eines gemeinsamen Kampfes um Befreiung unterstreichen.

Ca. 500 Menschen versammelten sich am 20. November dann trotz massiver Behinderungen und Repressionen bei der Anreise am Heilbronner Hauptbahnhof.

Auf seinem Weg Richtung Innenstadt wurde der Demonstrationszug von den martialisch auftretenden Polizeihundertschaften mehrfach provoziert und bedrängt und schließlich mit Schlagstöcken, Tritten und Pfefferspray gestoppt und von der Polizei aufgelöst. Im weiteren Verlauf wurde ein großer Bereich der Demonstration eingekesselt und die sich darin befindenden Menschen in einer stundenlangen Prozedur entweder in Gewahrsam genommen oder zur Personalienfeststellung fotografiert und mit einem Platzverweis versehen.

Die Demonstration endete damit bereits nach einem Kilometer, noch bevor sie den Ort der Zwischenkundgebung in der Innenstadt erreichen konnte.

 

Obwohl die Analyse der Geschehnisse am 20. November von unserer Seite aus noch nicht abgeschlossen ist, möchten wir nun eine erste Einschätzung vornehmen.

 

Starker Auftakt

 

Zur Auftaktkundgebung am Hauptbahnhof Heilbronn kamen rund 500 Menschen, darunter sowohl kurdische AktivistInnen aus der Region, als auch zahlreiche Zugereiste aus diversen baden- württembergischen Städten.

Im Rahmen einer gemeinsamen Mobilisierung hatten vor allem revolutionäre linke Gruppen und Organisationen Bus- und Zugfahrten aus Stuttgart, Mannheim, Freiburg und Karlsruhe organisiert.

In Redebeiträgen der Revolutionären Linken Heilbronn, der Kurdischen Jugend Stuttgart und eines Vertreters von Yek- Kom wurde die Rolle der BRD als wichtigster Waffenlieferant und Handelspartner der Türkei dargelegt und auf die Verfolgung der kurdischen Befreiungsbewegung in Deutschland aufmerksam gemacht.

Auch praktisch zeigten die TeilnehmerInnen der Kriminalisierung ihre Grenzen und nahmen per Auflage durchgesetzte Parolenverbote schlichtweg nicht hin.

Mit guter und kämpferischer Stimmung erfolgte auch nach dem Ende der Auftaktkundgebung die Aufstellung zur Demonstration in der Bahnhofstraße. Angeführt von einem Bereich, in dem vor allem kurdische Frauen, Kinder und Ältere liefen, waren im Demonstrationszug ansonsten in erster Linie die revolutionären linken Gruppen mit Fahnen und Transparenten präsent.

 

 

Polizeiprovokationen von Anfang an

 

Schon deutlich vor Beginn der Auftaktkundgebung glich der Heilbronner Hauptbahnhof einer Festung.

Der Bahnhofsvorplatz und die Ein- und Ausgänge waren von hunderten Polizisten besetzt, wahllos wurden "verdächtig aussehende" Personen kontrolliert. Bereits zu diesem Zeitpunkt waren am Hauptbahnhof auch die Polizeipferdestaffel und Polizeihunde zu sehen.

Der für die Auftaktkundgebung angemeldete Platz an der Ecke Roßkampffstraße war ebenfalls von der Polizei mit mehreren Einsatzfahrzeugen zugestellt, so dass der Lautsprecherwagen Mühe hatte, den Platz zu befahren.

Die Polizei versuchte und versucht, ihr massives Auftreten am Hauptbahnhof mit einer möglichen türkischen Gegendemonstration zu rechtfertigen. Zu dieser bereits für 11.00 Uhr ausschließlich im Internet angekündigten Gegendemonstration war allerdings niemand erschienen.

Mit dem Eintreffen der ersten mit dem Zug angereisten DemonstrationsteilnehmerInnen verschärften sich die Provokationen der Polizei zunehmends. Größere Gruppen wurden eingekesselt, gefilmt und länger als eine halbe Stunde festgehalten ehe sie zur Auftaktkundgebung laufen durften.

Sofort beim Aufstellen der Demonstration begann die Polizei dann mit Beteiligung der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE), ein Spalier um die gesamte Demonstration aufzuziehen und die TeilnehmerInnen mit unzähligen Kameras von allen Seiten abzufilmen.

Während unseres Demonstrationszuges auf der Bahnhofstraße Richtung Friedrich- Ebert- Brücke wurde das Polizeispalier immer enger an die Demo herangezogen, so dass die Polizeibeamten immer wieder direkten physischen Kontakt zu seitlich getragenen Transparenten und den DemonstrationsteilnehmerInnen hatten.

Mehrmals wurde erfolglos versucht, auf die Polizeiführung einzuwirken, das Spalier zu lockern.

Es kam statt dessen immer wieder zu Schubsereien und Drohungen aggressiver Polizisten gegen DemonstrantInnen und OrderInnen. Zivile Staatschutzbeamte liefen immer wieder mitten in die Demonstration hinein und versuchten, OrdnerInnen einzuschüchtern.

Parallel dazu erklärte die Polizeiführung, dass sie das Tragen zusammengeknoteter Seitentransparente nicht mehr dulden werde, obwohl mehrfach darauf hingewiesen wurde, dass der Demonstration keinerlei Auflage bezüglich des Tragens von Seitentransparenten gemacht worden war.

 

Massive Polizeiangriffe und Auflösung der Demonstration

 

Im Bereich Friedrich- Ebert- Brücke und Untere Neckarstraße kam es dann schließlich zu massiven Angriffen der Polizei auf unsere Demonstration mit Schlagstöcken, Tritten, Pfefferspray und Polizeipferden.

40 Menschen wurden hierbei durch den Einsatz von Pfefferspray verletzt, 2 TeilnehmerInnen mussten wegen einer schweren Handverletzung bzw. eines gefährlichen Trittes in den Bauch im Krankenhaus behandelt werden.

In dieser Situation versuchten Teile unserer Demonstration, sich gegen die Polizei mit Farbbeuteln, Fahnen und einigen wenigen Böllern zu verteidigen.

In der Unteren Neckarstraße kesselte die Polizei letztendlich einen größeren Teil der Demonstration ein und erklärte, bei allen Eingekesselten eine Personalienfeststellung durchführen zu wollen.

Versuche durch den Anmelder der Demonstration und einen hinzugezogenen Rechtsanwalt, eine Alternative dazu auszuhandeln, wurden zurückgewiesen.

Nachdem sich der nicht eingekesselte Teil der Demonstration mit Parolen und einer Sitzblockade mit den Eingeschlossenen solidarisierte und es ablehnte, weiter Richtung Innenstadt zu laufen und die immer wieder von vermummten Polizeieinheiten angegriffenen Leute im Kessel alleine zu lassen, löste die Polizei die Demonstration auf.

In einer anschließenden mehrstündigen Prozedur wurden die Eingekesselten dann einzeln abgeführt und selektiert: 41 Menschen wurden von der Polizei in Gewahrsam genommen, weitere 82 Menschen wurden vor Ort kontrolliert, fotografiert und erhielten einen Platzverweis für die Heilbronner Innenstadt. Dabei wurden einzelnen DemonstrantInnen willkürlich ganze Tüten mit Gegenständen zugeordnet, wohl um später eine eventuelle Anklage besser konstruieren zu können.

Am Abend wurden alle in Gewahrsam Genommenen wieder entlassen.

 

 

 

„Heilbronner Weg“ - Die Strategie der Polizei

 

Wir und viele BeobachterInnen der Demonstration am 20. November gehen davon aus, dass die brutalen Angriffe und die Einkesselung unserer Demonstration Teil einer polizeilichen Strategie war.

Dafür spricht das völlig überzogene Aufgebot mit 5 Hundertschaften, vermummten BFE, unzähligen Zivilpolizisten, Pferde- und Hundestaffel. Auch das provokative Verhalten der Polizei schon zu Beginn der Demonstration durch die Einkesselung Anreisender, das Abfilmen aller TeilnehmerInnen und dann das Aufziehen eines Spaliers, zeigen eindeutig, dass die Polizei an einer Eskalation interessiert war.

Dazu passt auch, dass die Polizei im Vorfeld der Demonstration immer wieder verkündet hatte, dass mit Straftaten und Ausschreitungen zu rechnen sei.

Die „Kurdische Gemeinschaft Heilbronn e.V.“, die erst im Juli 2010 eine völlig friedliche Demonstration in Heilbronn durchgeführt hat, wurde in der Begründung der Demonstrationsauflagen mehrfach als „gewalttätig“ bezeichnet und zur Rechtfertigung des martialischen Polizeiaufgebotes missbraucht.

Genauso wurde gegen linke und antifaschistische Zusammenhänge in Heilbronn gehetzt, u.a. mit Verweis auf eine spontane Demonstration gegen eine NPD- Veranstaltung am 1. Oktober. Diese antifaschistische Spontandemo verlief völlig reibungslos, bis sie von der Heilbronner Polizei in der Innenstadt angegriffen wurde.

 

Offenbar wollte die Polizei am 20. November ein Exempel statuieren und hat deshalb einen für sie günstigen Zeitpunkt abgewartet, um gegen uns vorzugehen. Die von außen relativ schlecht einsehbare und passantenarme Untere Neckarstraße schien ihr ein geeigneter Ort, um die Demonstration gewaltsam zu beenden.

 

Politisch ist dieses Vorgehen in zwei Richtungen zu deuten:

zum einen sollen dadurch aktive linke Zusammenhänge in Heilbronn eingeschüchtert und demoralisiert werden. Es dürfte dem Staatsschutz nicht entgangen sein, dass es in Heilbronn seit ungefähr 2 Jahren wieder verstärkt ein Interesse vor allem junger Leute an linker Politik gibt.

Sie glauben, mit massenhaften Ingewahrsamnahmen, Pfefferspray und einer „Law and Order“- Linie verhindern zu können, dass aus dem Interesse an linker Politik ein lebendiger Aktivismus entsteht.

Zum anderen müssen wir den Polizeiangriff ausdrücklich als Angriff auf die Zusammenarbeit von kurdischen Strukturen und deutschen linken Organisationen verstehen.

Die Eskalation unserer Demonstration soll einen Keil zwischen uns und unsere kurdischen FreundInnen und GenossInnen treiben, Misstrauen und Verunsicherung schaffen und verhindern, dass es weitere gemeinsame Aktionen gibt.

 

 

Wie geht es weiter?

 

Wichtig ist es jetzt, sich durch die massiven Übergriffe am Samstag nicht einschüchtern zu lassen.

Falls es zu weiteren Verfahren und Repressionen gegen die am Samstag Eingekesselten kommt, werden wir diese zusammen solidarisch beantworten und keine und keinen mit den Folgen alleine lassen.

Es muss und wird weitere Aktivitäten gegen den Krieg gegen die kurdische Bevölkerung und gegen die Kriminalisierung der kurdischen Bewegung geben. Auch in Heilbronn.

Dabei werden wir die Zusammenarbeit zwischen deutschen, kurdischen und türkischen Linken weiter ausbauen und uns nicht wegen ein paar Böller spalten lassen.

Allerdings brauchen wir für zukünftige Aktionen mehr verbindliche Absprachen untereinander und bessere Kommunikationsstrukturen. Am Samstag hat sich deutlich gezeigt, dass es organisatorische Schwachpunkte und interne Unstimmigkeiten gab, die es der Polizei erleichtert haben, gegen uns vorzugehen.

Auch müssen wir intern Diskussionen über den Charakter von Demonstrationen und den Umgang mit der Polizei führen. Unsolidarische Distanzierungen von Aktionsformen und Unschuldsbekundungen helfen uns und der Sache allerdings nicht weiter.

Denen gegenüber, die die Kriegspolitik und die Verfolgung der KurdInnen in der BRD organisieren oder rechtfertigen, haben wir uns nicht zu rechtfertigen und von ihnen haben wir auch nicht zu erwarten, dass sie uns in Ruhe lassen, solange wir gegen ihr Treiben auf die Strasse gehen.

 

 

Revolutionäre Linke Heilbronn

Revolutionäre Aktion Stuttgart

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Welche Parolen wurden verboten?

Biji Serok Apo und Türkei Terrorist