Den deutsch-französischen Gipfel stören! Aktionstage in Freiburg: 9. bis 11. Dezember

Für einen Karneval des Widerstandes
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Am 10. Dezember 2010 steigt der deutsch-französische Gipfel in Freiburg. Bereits 2001 tagten die Regierungschefs Schröder und Chirac im Breisgau und bekräftigten dabei die deutsch-französische Freundschaft und den relativen Führungsanspruch der zwei Kernmächte innerhalb Europas. Geschützt wurde das Treffen damals von über 1.000 Bullen und die Innenstadt wurde in weiten Teilen gesperrt. Der Protest gegen die Rolle der beiden Staaten, unter anderem in der Finanz-, Sozial-, Umwelt- und Rüstungspolitik, wird in der Freiburger Innenstadt auch am 10. Dezember 2010 seinen gebührenden Ausdruck finden.

 

What do they do?

Das MinisterInnen-Treffen Deutschlands und Frankreichs dient dem informellen Austausch, der öffentlichkeitswirksamen Selbstinszenierung und der Bestärkung gemeinsamer Strategien der politischen Steuerung. Das PR-Event der zwei Staaten ist eine Machtdemonstration einer Politik, die auf eine Verschärfung der sozialen Konflikte global hinarbeitet, indem sie auf die Ökonomisierung jeglicher menschlicher Tätigkeiten setzt.

Nicht zufällig wollen die geladenen - und bisher nicht öffentlich genannten - MinisterInnen, mitsamt Angela Merkel und Nicolas Sarkozy, „Militärische Würden“ auf dem Münsterplatz empfangen. So besteht doch die viel beschworene Freundschaft der letzten sechs Jahrzehnte zunehmend  aus gemeinsamem Hauen und Stechen. Vermutlich wird die Deutsch-Französische Brigade - eine NATO- und EU-Eliteeinheit aus dem Markgräfler-Land - dazu die Fahnen vor dem Freiburger Münster schwenken. Frankreich und Deutschland stehen für ein von autoritärem Sicherheitsdenken geprägtes Europa und sind auf der Suche nach breiter gesellschaftlicher Akzeptanz dafür.

Ein „sicheres Europa“ bauen


Das aktuelle Gesicht der EU zeichnet sich durch Schwerpunkte aus, für die der geplante Fahnenappell beim kommenden Gipfel nur symbolisch steht. Militärisch und polizeilich intensiviert sich die Kooperation - so auch die der zwei „Nachbarstaaten“ - an den Außengrenzen. Die Zusammenarbeit boomt, bei NATO und Frontex, aber auch bei der Aufstandsbekämpfung im Inneren, in Strasbourg, in Stuttgart, in Marseille oder im Wendland. Im gesamten europäischen Raum trainieren Bulleneinheiten gemeinsam und koordinieren Strategien, besonders bei Gipfeltreffen und anderen „Major Events“. Auch technisch und taktisch wird einander fleißig unterstützt. Neben der EU-gemachten Vorratsdatenspeicherung, werden mittlerweile Drohnen gegen Protestierende eingesetzt. Seit 2009 zeichnet sich der Trend zum präventiven Wegsperren potentieller StörerInnen ab. Dabei ist eine nachhaltige Einschüchterung unseres Widerstandes das Ziel.

Zwei Motoren der Abschiebemaschine

In den letzten Jahren gerieten die Staaten Frankreich und Deutschland, die sich mit dem Glanz der Freiburger Weihnachtmarktsidylle schmücken wollen, auf internationale Kritik. Dabei stand die durch neue Rücknahmeabkommen gestärkte Abschiebepraxis im Mittelpunkt.  So auch der staatliche - und von den Massenmedien überregional verharmlosend propagierte - Rassismus, insbesondere gegenüber Roma-Minderheiten. Die Verfolgungen in Frankreich nahmen massive Auswüchse an, als der Staat, besonders in Schulen, Razzien mit darauf folgender Abschiebung durchführen ließ. Im Sommer 2010 wurden hunderte Wohnungen sogenannter „Gens-du-voyage“ geräumt, zerstört und deren BewohnerInnen – auch innerhalb der EU - abgeschoben. Auch in Deutschland gibt es monatlich mehrere „Sammelabschiebungen“, so zum Beispiel vom Baden-Airpark. Rassistische Übergriffe, Diskriminierung und faschistische Kundgebungen sind Alltag und Rechtspopulismus erfreut sich der demokratischen Toleranz.

Die komplexe Sicherheitsarchitektur der EU baut täglich weitere Hürden gegen die Freiheit. Der Besuch von Merkel und Sarkozy stellt eine Chance dar, unseren Protest an diesen Umständen lautstark zu artikulieren. Auch wenn - oder vielleicht gerade weil - von einer massiven Bullenpräsenz auszugehen ist. Hier wird nur der autoritäre Trend einer bestimmten Politik des Inneren deutlich.


Europa im Wandel

 

In der EU als Staat Spitze zu sein bedeutet den Ausbau der Bereiche „Innere Sicherheit“, „Aufstandsbekämpfung“, „Sicherung der Außengrenzen“, aber natürlich auch den der „Finanzmarktsteuerung“. Kürzlich profilierten sich Merkel und Sarkozy massiv mit Blick auf fantastische Krisen-Rettungsschirme und irrsinnige Kreditpolitik. Bei der Europäischen Zentralbank aber auch im Internationalen Währungsfonds (IWF) und bei der Weltbank spiegelt sich die Dominanz der „Doppelspitze“ wider. 

Beim „Krisenmanagement“ im „Falle Griechenlands“ wurden neben Auflagen des IWF auch Rüstungsdeals in Milliardenhöhe zugunsten Frankreichs und Deutschlands als Bedingung zur Kreditvergabe erzwungen. Somit sichern „ältere-EU-Staaten“ den Einfluss ihrer Finanzinstitutionen langfristig und zwingen „jüngere EU-Staaten“ zum Funktionieren am Tropf. Es geht darum die unaufhaltsamen Risse im kapitalistischen System mit spektakulären Inszenierungen zu verspachteln.

Dazu braucht es starke Bilder und dazu soll es ein militärisches Spektakel auf dem Münsterplatz geben. Dies ist eine massive Provokation, abgesehen von der Verlogenheit eines Grünen OB Dieter Salomon, der Gastgeber für autoritäre, rechte Regierungschefs sein will. Das Freiburger Stadtoberhaupt der Bündnis-Grünen verkörpert im Jahr 2010 die Farben einer Partei, die für Rüstung, Sozialabbau und Gorleben steht.

Der Planet als Warenkorb

Frankreich und Deutschland zeichnen sich grundsätzlich – und völlig unabhängig der aktuellen Regierungen - durch eine radikal-kapitalistische Umweltpolitik aus. Damit stehen sie nicht alleine da. Ringsum sind die Risikotechnologien und Klimakiller Atomenergie und Kohle entweder Konsens oder unerschwinglich. Die gemeinsamen und demnächst zum 16. Dezember geplanten Castor-Transporte stehen symbolisch für die von den zwei Gipfelstaaten betriebene Heuchelei.

Die Interessen der Industrieverbände werden über die der Menschen gestellt, was sich auch im entschlossenen Protest Zehntausender gegen den „Wendland-Transport“ Anfang November widerspiegelt. Dass der Betrieb der Atommeiler in Deutschland verlängert wird, trotz der aussagekräftigen Anti-Atom-Bewegung der letzten 40 Jahre, ist ein hoffentlich wirksamer
Schlag ins Gesicht derer, die glaubten, eine Regierung könne diesen „vermeintlichen Konsens“ rechtlich und parlamentarisch durchsetzen. Die zwei Gipfelstaaten Deutschland und Frankreich stellen auch in der Umweltpolitik das Gegenteil einer solidarischen und dezentralen Energiewende dar. Im Kapitalismus gibt es keine Produktion die nicht auf Ausbeutung von Mensch und Natur baut.

Gemeinsam die Kontrolle verlieren!


Für uns steht fest, dass wir uns dem Gipfeltreffen vielfältig entgegenstellen werden. Dabei soll jeder und jede selbst über ihre Aktionsform entscheiden. Abgesehen von Demonstrationen und Kundgebungen gilt das „out-of-control“-Konzept, bei dem wir die Weite des Raums für unseren Protest in Anspruch nehmen. Nur mit Köpfchen werden wir das massive Bullenaufgebot verunsichern können. Unser Aktionskonzept steht auch für unsere gesellschaftliche Utopie. Wir glauben an die Stärken von Dezentralität, Vielfalt, Solidarität und Autonomie. Deutschland und Frankreich gehören zu den Hürden, die wir auf der Strecke lassen müssen.

Beteiligt euch ab dem 9. Dezember an den Aktionstagen in Freiburg und lasst es krachen. Ab Donnerstag Abend sind Pennplätze und Infrastruktur für FreundInnen der Selbstverwaltung vorhanden. Am Freitag, dem Tag des Gipfels, ist ab 11 Uhr ein „Carnaval de Resistance“ am Bertoldsbrunnen in der Stadtmitte geplant. Zahlreiche Gruppen haben Aktionen angekündigt, haltet die Ohren offen. Der Freitag wird ab 17 Uhr seinen Ausklang in einem Antinationalen Straßenfest  im Grün finden. Für Samstag den 11. Dezember planen Umweltgruppen um 13 Uhr auf dem Rathausplatz eine Anti-Atom Demo unter dem Motto „Atomausstieg ohne wenn und aber!“. Heiße Tage stehen uns bevor – kommt nach Freiburg!

Den Deutsch-Französischen Gipfel zum Desaster machen!
Zerschlagt die Europäische Union und ihre Nationalstaaten!
Für eine Welt ohne Kapitalismus und Grenzen!


Aktionsbündnis gegen den deutsch-französischen Gipfel, Freiburg, 17.11.2010

 

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2001 gab es schon einmal einen deutsch-französischen Gipfel in Freiburg. Damals wurde diese Broschüre erstellt: