JW: Tatort Süddeutschland - eine verdächtig linke Tageszeitung - ein Krimi in mehreren Akten

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Erstveröffentlicht: 
03.04.2009

Polizeibeamte auf Abwegen, eine verdächtig linke Tageszeitung und ein alter VW-Bus bei dem alle Spuren enden – Das jW-Team auf Recherche in Baden-Württemberg. Ein Krimi in mehreren Akten.

Was bisher geschah: An einem Dienstag – wir schreiben den 31. März 2009 – befinden sich zwei Mitarbeiter des junge Welt-Verlages „8.Mai“ auf dem Weg von Berlin in ein idyllisches Dorf nahe der baden-württembergischen Stadt Kehl. Irgendwann werden zwei Polizeibeamte auf die beiden aufmerksam. An der sächsisch-bayerischen Grenze werden unsere Kollegen schließlich gestoppt. Im Kofferraum des verdächtig bunten jW-Busses entdecken die Beamten brisantes Material: Die „no nato“-Beilage unserer Zeitung. Es sind ein paar hundert Exemplare, die am nächsten Tag in im Strasbourger Protestcamp der Nato-Gegner verteilt werden sollen. Doch die Ermittler vermuten Sprengstoff zwischen den Zeilen. „Möglicherweise verfassungsfeindlich“, lautet ihr Verdacht. Aber nach einer ersten Lektüre bleibt die Beweislage dürftig. Auch zwei eigens angeforderte Spezialisten müssen passen.

 

Eine weitere Kontrolle des Bullis, nur Stunden später, liefert ebenfalls keine verwertbaren Spuren. Doch die Ordnungshüter lassen nicht locker. Nur einen Tag später, am Mittwoch abend, rollt ein Zivilfahrzeug der Polizei auf den Hof einer abgelegenen Mühle bei Kehl. Hier hat das achtköpfige jW-Team für eine Woche seine Zelte aufgeschlagen. Es ist Punkt 21 Uhr, als die beiden Beamten ihren Wagen verlassen, um den jW-Bus erneut zu begutachten. „Gibt es ein Problem?“, fragt genau jener Verlagsmitarbeiter, der auch schon Tags zuvor ins Visier der Polizei geraten ist. Schnell ziehen die beiden Kommissare ihre Blechmarken. „Kriminalpolizei“, knurren sie. Es gebe Hinweise aus der Nachbarschaft, ein auffälliges Fahrzeug aus Berlin betreffend “, sagt einer der Polizisten betont geheimnisvoll. Wem denn das Auto gehöre, fragt der andere. „Das ist ein Firmenfahrzeug“, sagt der jW-Mann wahrheitsgemäß. Aber an der Frontscheibe stehe doch „Presse“, versuchen die Cops zu kontern. Umsonst. „Die Firma ist ein Zeitungsverlag“, erwidert der Verlagsmitarbeiter.

 

Minuten später sind die Kriminalisten verschwunden. Die Ruhe währt nur kurz. Eine Stunde vor Mitternacht brausen drei blau-weiße Einsatzwagen der Polizei auf den Hof. Ein Teil der insgesamt etwa 20 Beamten umstellt sofort unseren VW-Bus; die übrigen warten in ihren Fahrzeugen. Einige der Uniformierten sind scheinbar etwas cleverer als ihre Kollegen in Zivil. Man wolle den Fahrzeughalter sprechen, fordern sie. Der holt schließlich den Wagenschlüssel. Neugierig schauen die Polizisten in den Kleintransporter, inspizieren jeden Winkel und filmen mit ihren Kameras ausgiebig den – nun ja – schon fast kriminell chaotisch beladenen Kofferraum des jW-Busses. „Sie müssen das verstehen, angesichts des Nato-Gipfels haben wir eine erhöhte Sensibilität“, sagt während der Durchsuchung einer der Beamten. Und außerdem sei der Wagen bereits auf dem Camp der Gipfelgegner gesichtet worden.

 

Ein Plakatständer erregt irgendwann die Aufmerksamkeit der sensiblen Sicherheitskräfte. Das Ding wird raus geholt und ebenfalls von allen Seiten fotografiert. „Was ist ihr Ziel“, fragt militärisch knapp einer der Beamten mit Blick auf das Werbeutensil. „Infostand“, antwortet unser Verlagsmitarbeiter. Danach haben auch diese Polizisten ihre Recherchen beendet. „Die französischen Kollegen werden sie nicht nochmals über die Grenze lassen, prophezeit uns einer der Polizisten ganz am Ende noch düster. Nach einer halben Stunde zieht die Truppe ab. Über die Ergebnisse ihrer Ermittlungen wurde bis Donnerstag abend nichts bekannt.